Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808. Margarete. Ich zog es auf, und herzlich liebt' es mich. Es war nach meines Vaters Tod geboren. Die Mutter gaben wir verloren, So elend wie sie damals lag, Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach. Da konnte sie nun nicht d'ran denken Das arme Würmchen selbst zu tränken, Und so erzog ich's ganz allein, Mit Milch und Wasser; so ward's mein. Auf meinem Arm, in meinem Schoos War's freundlich, zappelte, ward groß. Faust. Du hast gewiß das reinste Glück empfunden. Margarete. Doch auch gewiß gar manche schwere Stunden. Des Kleinen Wiege stand zu Nacht An meinem Bett', es durfte kaum sich regen, War ich erwacht; Bald mußt' ich's tränken, bald es zu mir legen, Bald, wenn's nicht schwieg, vom Bett' aufstehn, Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn, Margarete. Ich zog es auf, und herzlich liebt’ es mich. Es war nach meines Vaters Tod geboren. Die Mutter gaben wir verloren, So elend wie ſie damals lag, Und ſie erholte ſich ſehr langſam, nach und nach. Da konnte ſie nun nicht d’ran denken Das arme Wuͤrmchen ſelbſt zu traͤnken, Und ſo erzog ich’s ganz allein, Mit Milch und Waſſer; ſo ward’s mein. Auf meinem Arm, in meinem Schoos War’s freundlich, zappelte, ward groß. Fauſt. Du haſt gewiß das reinſte Gluͤck empfunden. Margarete. Doch auch gewiß gar manche ſchwere Stunden. Des Kleinen Wiege ſtand zu Nacht An meinem Bett’, es durfte kaum ſich regen, War ich erwacht; Bald mußt’ ich’s traͤnken, bald es zu mir legen, Bald, wenn’s nicht ſchwieg, vom Bett’ aufſtehn, Und taͤnzelnd in der Kammer auf und nieder gehn, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0210" n="204"/> <sp who="#MARGA"> <speaker><hi rendition="#g">Margarete</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich zog es auf, und herzlich liebt’ es mich.<lb/> Es war nach meines Vaters Tod geboren.<lb/> Die Mutter gaben wir verloren,<lb/> So elend wie ſie damals lag,<lb/> Und ſie erholte ſich ſehr langſam, nach und nach.<lb/> Da konnte ſie nun nicht d’ran denken<lb/> Das arme Wuͤrmchen ſelbſt zu traͤnken,<lb/> Und ſo erzog ich’s ganz allein,<lb/> Mit Milch und Waſſer; ſo ward’s mein.<lb/> Auf meinem Arm, in meinem Schoos<lb/> War’s freundlich, zappelte, ward groß.</p> </sp><lb/> <sp who="#FAU"> <speaker><hi rendition="#g">Fauſt</hi>.</speaker><lb/> <p>Du haſt gewiß das reinſte Gluͤck empfunden.</p> </sp><lb/> <sp who="#MARGA"> <speaker><hi rendition="#g">Margarete</hi>.</speaker><lb/> <p>Doch auch gewiß gar manche ſchwere Stunden.<lb/> Des Kleinen Wiege ſtand zu Nacht<lb/> An meinem Bett’, es durfte kaum ſich regen,<lb/> War ich erwacht;<lb/> Bald mußt’ ich’s traͤnken, bald es zu mir legen,<lb/> Bald, wenn’s nicht ſchwieg, vom Bett’ aufſtehn,<lb/> Und taͤnzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [204/0210]
Margarete.
Ich zog es auf, und herzlich liebt’ es mich.
Es war nach meines Vaters Tod geboren.
Die Mutter gaben wir verloren,
So elend wie ſie damals lag,
Und ſie erholte ſich ſehr langſam, nach und nach.
Da konnte ſie nun nicht d’ran denken
Das arme Wuͤrmchen ſelbſt zu traͤnken,
Und ſo erzog ich’s ganz allein,
Mit Milch und Waſſer; ſo ward’s mein.
Auf meinem Arm, in meinem Schoos
War’s freundlich, zappelte, ward groß.
Fauſt.
Du haſt gewiß das reinſte Gluͤck empfunden.
Margarete.
Doch auch gewiß gar manche ſchwere Stunden.
Des Kleinen Wiege ſtand zu Nacht
An meinem Bett’, es durfte kaum ſich regen,
War ich erwacht;
Bald mußt’ ich’s traͤnken, bald es zu mir legen,
Bald, wenn’s nicht ſchwieg, vom Bett’ aufſtehn,
Und taͤnzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,
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