durch den Unterschied der Farben, wiederum müsse gleichfalls erfrischt werden. Jener Ekel, den wir durch das längere Ansehen einer Farbe verspüren, rühre nicht so viel von dem uns angeborenen Wankelmuthe her, als von der Einrichtung des Auges selbst, vermöge welcher auch die schönste Farbe durch den allzulang an- haltenden Eindruck ihre Annehmlichkeit verliert. Und vielleicht hat die vorsichtige Natur dieses zum Absehen gehabt, damit wir einen so edlen Sinn nicht immer mit einer Sache beschäftigen, indem sie unserer Unter- suchung eine so große Menge darbietet, da sie den Un- terschied in Abwechselung der Farben weit reizender machte, als alle Schönheit einer jeden ins besondre."
Wir enthalten uns manche interessante Beobachtung und Betrachtung hier auszuziehen, um so mehr als diese Schrift in jedes wahren Liebhabers der Farben- lehre eigene Hände zu gelangen verdient.
durch den Unterſchied der Farben, wiederum muͤſſe gleichfalls erfriſcht werden. Jener Ekel, den wir durch das laͤngere Anſehen einer Farbe verſpuͤren, ruͤhre nicht ſo viel von dem uns angeborenen Wankelmuthe her, als von der Einrichtung des Auges ſelbſt, vermoͤge welcher auch die ſchoͤnſte Farbe durch den allzulang an- haltenden Eindruck ihre Annehmlichkeit verliert. Und vielleicht hat die vorſichtige Natur dieſes zum Abſehen gehabt, damit wir einen ſo edlen Sinn nicht immer mit einer Sache beſchaͤftigen, indem ſie unſerer Unter- ſuchung eine ſo große Menge darbietet, da ſie den Un- terſchied in Abwechſelung der Farben weit reizender machte, als alle Schoͤnheit einer jeden ins beſondre.“
Wir enthalten uns manche intereſſante Beobachtung und Betrachtung hier auszuziehen, um ſo mehr als dieſe Schrift in jedes wahren Liebhabers der Farben- lehre eigene Haͤnde zu gelangen verdient.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0612"n="578"/>
durch den Unterſchied der Farben, wiederum muͤſſe<lb/>
gleichfalls erfriſcht werden. Jener Ekel, den wir durch<lb/>
das laͤngere Anſehen einer Farbe verſpuͤren, ruͤhre nicht<lb/>ſo viel von dem uns angeborenen Wankelmuthe her,<lb/>
als von der Einrichtung des Auges ſelbſt, vermoͤge<lb/>
welcher auch die ſchoͤnſte Farbe durch den allzulang an-<lb/>
haltenden Eindruck ihre Annehmlichkeit verliert. Und<lb/>
vielleicht hat die vorſichtige Natur dieſes zum Abſehen<lb/>
gehabt, damit wir einen ſo edlen Sinn nicht immer<lb/>
mit einer Sache beſchaͤftigen, indem ſie unſerer Unter-<lb/>ſuchung eine ſo große Menge darbietet, da ſie den Un-<lb/>
terſchied in Abwechſelung der Farben weit reizender<lb/>
machte, als alle Schoͤnheit einer jeden ins beſondre.“</p><lb/><p>Wir enthalten uns manche intereſſante Beobachtung<lb/>
und Betrachtung hier auszuziehen, um ſo mehr als<lb/>
dieſe Schrift in jedes wahren Liebhabers der Farben-<lb/>
lehre eigene Haͤnde zu gelangen verdient.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[578/0612]
durch den Unterſchied der Farben, wiederum muͤſſe
gleichfalls erfriſcht werden. Jener Ekel, den wir durch
das laͤngere Anſehen einer Farbe verſpuͤren, ruͤhre nicht
ſo viel von dem uns angeborenen Wankelmuthe her,
als von der Einrichtung des Auges ſelbſt, vermoͤge
welcher auch die ſchoͤnſte Farbe durch den allzulang an-
haltenden Eindruck ihre Annehmlichkeit verliert. Und
vielleicht hat die vorſichtige Natur dieſes zum Abſehen
gehabt, damit wir einen ſo edlen Sinn nicht immer
mit einer Sache beſchaͤftigen, indem ſie unſerer Unter-
ſuchung eine ſo große Menge darbietet, da ſie den Un-
terſchied in Abwechſelung der Farben weit reizender
machte, als alle Schoͤnheit einer jeden ins beſondre.“
Wir enthalten uns manche intereſſante Beobachtung
und Betrachtung hier auszuziehen, um ſo mehr als
dieſe Schrift in jedes wahren Liebhabers der Farben-
lehre eigene Haͤnde zu gelangen verdient.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/612>, abgerufen am 02.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.