heit willen geschehen, welche eigentlich ein überirdi- sches Gut, selbstständig und über alle menschliche Hülfe erhaben ist. Wer aber in diesem irdischen Wesen Existenz, Würde, Verhältnisse jeder Art erhalten will, bey dem kommt manches in Betracht, was vor einer höheren Ansicht sogleich verschwinden müßte.
Als Glied eines solchen Körpers, der sich nun schon die Newtonische Lehre als integrirenden Theil seiner Organisation angeeignet hatte, müssen wir Mairan betrachten, wenn wir gegen ihn gerecht seyn wollen. Außerdem ging er von einem Grundsatze aus, der sehr löblich ist, wenn dessen Anwendung nur nicht so schwer und gefährlich wäre, von dem Grundsatze der Einförmigkeit der Natur, von der Ueberzeugung, es sey möglich durch Betrachtung der Analogieen ihrem Gesetzlichen näher zu kommen. Bey seiner Vorliebe für die Schwingungslehre erfreute ihn deswegen die Vergleichung welche Newton zwischen dem Spectrum und dem Monochord anstellte. Er beschäftigte sich damit mehrere Jahre: denn von 1720 finden sich seine ersten Andeutungen, 1738 seine letzten Aus- arbeitungen.
Rizzetti ist ihm bekannt, aber dieser ist schon durch Desaguliers aus den Schranken getrieben; Niemand denkt mehr an die wichtigen Fragen, welche der Ita- liäner zur Sprache gebracht; Niemand an die große Anzahl von bedeutenden Erfahrungen die er aufgestellt: alles ist durch einen wunderlichen Zauber in das New-
heit willen geſchehen, welche eigentlich ein uͤberirdi- ſches Gut, ſelbſtſtaͤndig und uͤber alle menſchliche Huͤlfe erhaben iſt. Wer aber in dieſem irdiſchen Weſen Exiſtenz, Wuͤrde, Verhaͤltniſſe jeder Art erhalten will, bey dem kommt manches in Betracht, was vor einer hoͤheren Anſicht ſogleich verſchwinden muͤßte.
Als Glied eines ſolchen Koͤrpers, der ſich nun ſchon die Newtoniſche Lehre als integrirenden Theil ſeiner Organiſation angeeignet hatte, muͤſſen wir Mairan betrachten, wenn wir gegen ihn gerecht ſeyn wollen. Außerdem ging er von einem Grundſatze aus, der ſehr loͤblich iſt, wenn deſſen Anwendung nur nicht ſo ſchwer und gefaͤhrlich waͤre, von dem Grundſatze der Einfoͤrmigkeit der Natur, von der Ueberzeugung, es ſey moͤglich durch Betrachtung der Analogieen ihrem Geſetzlichen naͤher zu kommen. Bey ſeiner Vorliebe fuͤr die Schwingungslehre erfreute ihn deswegen die Vergleichung welche Newton zwiſchen dem Spectrum und dem Monochord anſtellte. Er beſchaͤftigte ſich damit mehrere Jahre: denn von 1720 finden ſich ſeine erſten Andeutungen, 1738 ſeine letzten Aus- arbeitungen.
Rizzetti iſt ihm bekannt, aber dieſer iſt ſchon durch Desaguliers aus den Schranken getrieben; Niemand denkt mehr an die wichtigen Fragen, welche der Ita- liaͤner zur Sprache gebracht; Niemand an die große Anzahl von bedeutenden Erfahrungen die er aufgeſtellt: alles iſt durch einen wunderlichen Zauber in das New-
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heit willen geſchehen, welche eigentlich ein uͤberirdi-
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erhaben iſt. Wer aber in dieſem irdiſchen Weſen
Exiſtenz, Wuͤrde, Verhaͤltniſſe jeder Art erhalten will,
bey dem kommt manches in Betracht, was vor einer
hoͤheren Anſicht ſogleich verſchwinden muͤßte.
Als Glied eines ſolchen Koͤrpers, der ſich nun
ſchon die Newtoniſche Lehre als integrirenden Theil
ſeiner Organiſation angeeignet hatte, muͤſſen wir
Mairan betrachten, wenn wir gegen ihn gerecht ſeyn
wollen. Außerdem ging er von einem Grundſatze aus,
der ſehr loͤblich iſt, wenn deſſen Anwendung nur nicht
ſo ſchwer und gefaͤhrlich waͤre, von dem Grundſatze
der Einfoͤrmigkeit der Natur, von der Ueberzeugung,
es ſey moͤglich durch Betrachtung der Analogieen ihrem
Geſetzlichen naͤher zu kommen. Bey ſeiner Vorliebe
fuͤr die Schwingungslehre erfreute ihn deswegen die
Vergleichung welche Newton zwiſchen dem Spectrum
und dem Monochord anſtellte. Er beſchaͤftigte ſich
damit mehrere Jahre: denn von 1720 finden ſich
ſeine erſten Andeutungen, 1738 ſeine letzten Aus-
arbeitungen.
Rizzetti iſt ihm bekannt, aber dieſer iſt ſchon durch
Desaguliers aus den Schranken getrieben; Niemand
denkt mehr an die wichtigen Fragen, welche der Ita-
liaͤner zur Sprache gebracht; Niemand an die große
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/543>, abgerufen am 21.11.2024.
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