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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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gefärbten Körper hervortritt. Aber die gelehrteren
unter ihnen haben neulich ihre Hypothese verbessert,
indem sie anerkannten und hinzufügten: es sey etwas
äußeres Licht nöthig, um diese Körperchen der Farbe
zu reizen und anzuregen und sie zum Auge zu bringen.
4) Eine bedeutendere Meynung der neuern Philosophen
ist sodann: die Farben entspringen aus einer Mischung
des Lichts und der Finsterniß oder vielmehr des Lichts
und der Schatten, und diese Meynung ließe sich denn
wohl gewissermaßen mit der vorhergehenden vereinigen.
5) Was die Chemiker betrifft, so schreibt die Menge
derselben den Ursprung der Farben dem Princip des
Schwefels in den Körpern zu, ob ich gleich finde,
daß einige ihrer Anführer die Farben mehr vom Salz
als vom Schwefel herleiten, ja andere sogar von dem
dritten Elementarprincip, dem Mercur. 6) Von des
Cartesius Nachfolgern brauch' ich dir nicht zu sagen,
daß sie behaupten, die Empfindung des Lichtes werde
von einem Anstoß hervorgebracht, welcher auf die
Organe des Sehens von sehr kleinen und festen Kü-
gelchen gewirkt wird, welche durch die Poren der Luft
und andrer durchsichtiger Körper durchdringen können.
Daraus versuchen sie denn auch die Verschiedenheit der
Farben zu erklären, indem sie die verschiedenen Be-
wegungen dieser Kügelchen und die Proportion der Be-
wegung zu der Rotation um ihren Mittelpunct be-
achten, wodurch sie nämlich geschickt werden sollen, den
optischen Nerven auf mancherley Weise zu treffen,
so daß man dadurch verschiedene Farben gewahr wer-
den könne."

gefaͤrbten Koͤrper hervortritt. Aber die gelehrteren
unter ihnen haben neulich ihre Hypotheſe verbeſſert,
indem ſie anerkannten und hinzufuͤgten: es ſey etwas
aͤußeres Licht noͤthig, um dieſe Koͤrperchen der Farbe
zu reizen und anzuregen und ſie zum Auge zu bringen.
4) Eine bedeutendere Meynung der neuern Philoſophen
iſt ſodann: die Farben entſpringen aus einer Miſchung
des Lichts und der Finſterniß oder vielmehr des Lichts
und der Schatten, und dieſe Meynung ließe ſich denn
wohl gewiſſermaßen mit der vorhergehenden vereinigen.
5) Was die Chemiker betrifft, ſo ſchreibt die Menge
derſelben den Urſprung der Farben dem Princip des
Schwefels in den Koͤrpern zu, ob ich gleich finde,
daß einige ihrer Anfuͤhrer die Farben mehr vom Salz
als vom Schwefel herleiten, ja andere ſogar von dem
dritten Elementarprincip, dem Mercur. 6) Von des
Carteſius Nachfolgern brauch’ ich dir nicht zu ſagen,
daß ſie behaupten, die Empfindung des Lichtes werde
von einem Anſtoß hervorgebracht, welcher auf die
Organe des Sehens von ſehr kleinen und feſten Kuͤ-
gelchen gewirkt wird, welche durch die Poren der Luft
und andrer durchſichtiger Koͤrper durchdringen koͤnnen.
Daraus verſuchen ſie denn auch die Verſchiedenheit der
Farben zu erklaͤren, indem ſie die verſchiedenen Be-
wegungen dieſer Kuͤgelchen und die Proportion der Be-
wegung zu der Rotation um ihren Mittelpunct be-
achten, wodurch ſie naͤmlich geſchickt werden ſollen, den
optiſchen Nerven auf mancherley Weiſe zu treffen,
ſo daß man dadurch verſchiedene Farben gewahr wer-
den koͤnne.“

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[315/0349] gefaͤrbten Koͤrper hervortritt. Aber die gelehrteren unter ihnen haben neulich ihre Hypotheſe verbeſſert, indem ſie anerkannten und hinzufuͤgten: es ſey etwas aͤußeres Licht noͤthig, um dieſe Koͤrperchen der Farbe zu reizen und anzuregen und ſie zum Auge zu bringen. 4) Eine bedeutendere Meynung der neuern Philoſophen iſt ſodann: die Farben entſpringen aus einer Miſchung des Lichts und der Finſterniß oder vielmehr des Lichts und der Schatten, und dieſe Meynung ließe ſich denn wohl gewiſſermaßen mit der vorhergehenden vereinigen. 5) Was die Chemiker betrifft, ſo ſchreibt die Menge derſelben den Urſprung der Farben dem Princip des Schwefels in den Koͤrpern zu, ob ich gleich finde, daß einige ihrer Anfuͤhrer die Farben mehr vom Salz als vom Schwefel herleiten, ja andere ſogar von dem dritten Elementarprincip, dem Mercur. 6) Von des Carteſius Nachfolgern brauch’ ich dir nicht zu ſagen, daß ſie behaupten, die Empfindung des Lichtes werde von einem Anſtoß hervorgebracht, welcher auf die Organe des Sehens von ſehr kleinen und feſten Kuͤ- gelchen gewirkt wird, welche durch die Poren der Luft und andrer durchſichtiger Koͤrper durchdringen koͤnnen. Daraus verſuchen ſie denn auch die Verſchiedenheit der Farben zu erklaͤren, indem ſie die verſchiedenen Be- wegungen dieſer Kuͤgelchen und die Proportion der Be- wegung zu der Rotation um ihren Mittelpunct be- achten, wodurch ſie naͤmlich geſchickt werden ſollen, den optiſchen Nerven auf mancherley Weiſe zu treffen, ſo daß man dadurch verſchiedene Farben gewahr wer- den koͤnne.“

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/349>, abgerufen am 28.04.2024.