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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Des ersten Theils
Fünftes Kapitel
.

I. "Es gibt, wie du weißt, mein Pyrophilus,
außer jenen veralteten Meynungen von den Farben,
die man schon längst verworfen hat, gar verschiedene
Theorieen, deren jede zu unserer Zeit von bedeutenden
Männern in Schutz genommen wird. 1) Denn die
peripathetischen Schulen, ob sie gleich wegen der be-
sonderen Farben unter sich nicht ganz eins sind, kom-
men doch alle darin überein: die Farben seyen ein-
wohnende und wirkliche Eigenschaften, welche das Licht
nur offenbare, nicht aber sie hervorzubringen etwas bey-
trage. 2) Alsdann gibt es unter den Neueren einige,
die mit geringer Veränderung die Meynung Platons
annehmen, und wie er die Farbe für eine Art Flamme
hält, die aus den kleinsten Körperchen bestehe, welche
von dem Object gleichsam ins Auge geschleudert worden
und deren Figur mit den Poren des Auges sich in
Uebereinstimmung befinde; so lehren sie, die Farbe
sey ein innres Licht der helleren Theile des Gegenstan-
des, welches durch die verschiedenen Mischungen der
weniger leuchtenden Theile verdunkelt und verändert
worden. 3) Nun gibt es andere, welche einigen der
alten Atomisten nachfolgen und die Farbe zwar nicht
für eine leuchtende Emanation, aber doch für ei-
nen körperlichen Ausfluß halten, der aus dem

les am klaͤrſten und eigentlichſten erkannt, welches wir
denn auch uͤberſetzt hier einſchalten.

Des erſten Theils
Fuͤnftes Kapitel
.

I. „Es gibt, wie du weißt, mein Pyrophilus,
außer jenen veralteten Meynungen von den Farben,
die man ſchon laͤngſt verworfen hat, gar verſchiedene
Theorieen, deren jede zu unſerer Zeit von bedeutenden
Maͤnnern in Schutz genommen wird. 1) Denn die
peripathetiſchen Schulen, ob ſie gleich wegen der be-
ſonderen Farben unter ſich nicht ganz eins ſind, kom-
men doch alle darin uͤberein: die Farben ſeyen ein-
wohnende und wirkliche Eigenſchaften, welche das Licht
nur offenbare, nicht aber ſie hervorzubringen etwas bey-
trage. 2) Alsdann gibt es unter den Neueren einige,
die mit geringer Veraͤnderung die Meynung Platons
annehmen, und wie er die Farbe fuͤr eine Art Flamme
haͤlt, die aus den kleinſten Koͤrperchen beſtehe, welche
von dem Object gleichſam ins Auge geſchleudert worden
und deren Figur mit den Poren des Auges ſich in
Uebereinſtimmung befinde; ſo lehren ſie, die Farbe
ſey ein innres Licht der helleren Theile des Gegenſtan-
des, welches durch die verſchiedenen Miſchungen der
weniger leuchtenden Theile verdunkelt und veraͤndert
worden. 3) Nun gibt es andere, welche einigen der
alten Atomiſten nachfolgen und die Farbe zwar nicht
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[314/0348] les am klaͤrſten und eigentlichſten erkannt, welches wir denn auch uͤberſetzt hier einſchalten. Des erſten Theils Fuͤnftes Kapitel. I. „Es gibt, wie du weißt, mein Pyrophilus, außer jenen veralteten Meynungen von den Farben, die man ſchon laͤngſt verworfen hat, gar verſchiedene Theorieen, deren jede zu unſerer Zeit von bedeutenden Maͤnnern in Schutz genommen wird. 1) Denn die peripathetiſchen Schulen, ob ſie gleich wegen der be- ſonderen Farben unter ſich nicht ganz eins ſind, kom- men doch alle darin uͤberein: die Farben ſeyen ein- wohnende und wirkliche Eigenſchaften, welche das Licht nur offenbare, nicht aber ſie hervorzubringen etwas bey- trage. 2) Alsdann gibt es unter den Neueren einige, die mit geringer Veraͤnderung die Meynung Platons annehmen, und wie er die Farbe fuͤr eine Art Flamme haͤlt, die aus den kleinſten Koͤrperchen beſtehe, welche von dem Object gleichſam ins Auge geſchleudert worden und deren Figur mit den Poren des Auges ſich in Uebereinſtimmung befinde; ſo lehren ſie, die Farbe ſey ein innres Licht der helleren Theile des Gegenſtan- des, welches durch die verſchiedenen Miſchungen der weniger leuchtenden Theile verdunkelt und veraͤndert worden. 3) Nun gibt es andere, welche einigen der alten Atomiſten nachfolgen und die Farbe zwar nicht fuͤr eine leuchtende Emanation, aber doch fuͤr ei- nen koͤrperlichen Ausfluß halten, der aus dem

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/348>, abgerufen am 27.04.2024.