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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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bringt die Fälle von unendlicher Theilbarkeit der Farbe,
äußerster Ductilität der Metalle und dergleichen vor,
nimmt den Schall, und was er sonst noch brauchen
kann, zu Hülfe, um unsre Kenntnisse durch Erinne-
rung auf einen Punct zu sammeln und unsre Einbil-
dungskraft anzuregen.

Man hatte bisher drey Arten, in welchen sich
das Licht verbreite, angenommen: die directe, refracte,
reflexe, wozu er noch die inflexe hinzusetzt, welche er
sogleich in Rücksicht seiner hypothetischen Zwecke die
diffracte nennt.

Jene verschiednen Arten der Lichtfortpflanzung zu
erklären und andre dabey vorkommende Phänomene
auszulegen, gibt er seiner feinen Flüssigkeit eine verschie-
dene innere Disposition. Und so wird denn diesem
wirksamen Wesen ein Fließen (fluidatio), ein Wogen
(undulatio, undatio), ein Regen und Bewegen (agitatio),
ein Wälzen (volutatio) zugeschrieben.

Durchsichtigen Körpern wird eine continua poro-
sitas
zugeeignet, welches eigentlich eine contradictio in
adjecto ist, woran sich erkennen läßt, wie leicht man
mit Worten das Unmögliche und Ungehörige als ein Mög-
liches, Verständiges und Verständliches mittheilen könne.
Die undurchsichtigen Körper haben auch mannigfaltige
wunderliche Oberflächen, die das Licht verschiedentlich zu-
rückwerfen; deshalb er sich denn vertheidigen muß, daß
seine Lehre mit der Lehre der Atomisten nicht zusammen-
falle, welches ihm auch Ernst zu seyn scheint.

bringt die Faͤlle von unendlicher Theilbarkeit der Farbe,
aͤußerſter Ductilitaͤt der Metalle und dergleichen vor,
nimmt den Schall, und was er ſonſt noch brauchen
kann, zu Huͤlfe, um unſre Kenntniſſe durch Erinne-
rung auf einen Punct zu ſammeln und unſre Einbil-
dungskraft anzuregen.

Man hatte bisher drey Arten, in welchen ſich
das Licht verbreite, angenommen: die directe, refracte,
reflexe, wozu er noch die inflexe hinzuſetzt, welche er
ſogleich in Ruͤckſicht ſeiner hypothetiſchen Zwecke die
diffracte nennt.

Jene verſchiednen Arten der Lichtfortpflanzung zu
erklaͤren und andre dabey vorkommende Phaͤnomene
auszulegen, gibt er ſeiner feinen Fluͤſſigkeit eine verſchie-
dene innere Dispoſition. Und ſo wird denn dieſem
wirkſamen Weſen ein Fließen (fluidatio), ein Wogen
(undulatio, undatio), ein Regen und Bewegen (agitatio),
ein Waͤlzen (volutatio) zugeſchrieben.

Durchſichtigen Koͤrpern wird eine continua poro-
sitas
zugeeignet, welches eigentlich eine contradictio in
adjecto iſt, woran ſich erkennen laͤßt, wie leicht man
mit Worten das Unmoͤgliche und Ungehoͤrige als ein Moͤg-
liches, Verſtaͤndiges und Verſtaͤndliches mittheilen koͤnne.
Die undurchſichtigen Koͤrper haben auch mannigfaltige
wunderliche Oberflaͤchen, die das Licht verſchiedentlich zu-
ruͤckwerfen; deshalb er ſich denn vertheidigen muß, daß
ſeine Lehre mit der Lehre der Atomiſten nicht zuſammen-
falle, welches ihm auch Ernſt zu ſeyn ſcheint.

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[309/0343] bringt die Faͤlle von unendlicher Theilbarkeit der Farbe, aͤußerſter Ductilitaͤt der Metalle und dergleichen vor, nimmt den Schall, und was er ſonſt noch brauchen kann, zu Huͤlfe, um unſre Kenntniſſe durch Erinne- rung auf einen Punct zu ſammeln und unſre Einbil- dungskraft anzuregen. Man hatte bisher drey Arten, in welchen ſich das Licht verbreite, angenommen: die directe, refracte, reflexe, wozu er noch die inflexe hinzuſetzt, welche er ſogleich in Ruͤckſicht ſeiner hypothetiſchen Zwecke die diffracte nennt. Jene verſchiednen Arten der Lichtfortpflanzung zu erklaͤren und andre dabey vorkommende Phaͤnomene auszulegen, gibt er ſeiner feinen Fluͤſſigkeit eine verſchie- dene innere Dispoſition. Und ſo wird denn dieſem wirkſamen Weſen ein Fließen (fluidatio), ein Wogen (undulatio, undatio), ein Regen und Bewegen (agitatio), ein Waͤlzen (volutatio) zugeſchrieben. Durchſichtigen Koͤrpern wird eine continua poro- sitas zugeeignet, welches eigentlich eine contradictio in adjecto iſt, woran ſich erkennen laͤßt, wie leicht man mit Worten das Unmoͤgliche und Ungehoͤrige als ein Moͤg- liches, Verſtaͤndiges und Verſtaͤndliches mittheilen koͤnne. Die undurchſichtigen Koͤrper haben auch mannigfaltige wunderliche Oberflaͤchen, die das Licht verſchiedentlich zu- ruͤckwerfen; deshalb er ſich denn vertheidigen muß, daß ſeine Lehre mit der Lehre der Atomiſten nicht zuſammen- falle, welches ihm auch Ernſt zu ſeyn ſcheint.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/343>, abgerufen am 25.11.2024.