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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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sat, belehren aber nicht über das Phänomen, indem
sie die Erscheinung auf einfache Strahlen zurückführen,
da doch eigentlich Sonnenbilder im Grunde des Trop-
fens verengt, zusammengeführt und über einander ver-
schränkt werden. Und so konnten diese Cartesischen,
einzelne Strahlen vorstellenden Linien der Newtonischen
Erklärung des Regenbogens günstig zum Grunde
liegen.

Der Regenbogen als anerkannter Refractionsfall
führt ihn zu den prismatischen einfacheren Versuchen.
Er hat ein Prisma von 30 bis 40 Graden, legt es
auf ein durchlöchert Holz und läßt die Sonne hin-
durchscheinen; das ganze colorirte Spectrum erblickt
er bey kleiner Oeffnung: weil aber sein Prisma von
wenig Graden ist, so kann er leicht, bey vergrößerter
Oeffnung, den weißen Raum in der Mitte bemerken.

Hierdurch gelangt er zu der Haupteinsicht, daß
eine Beschränkung nöthig sey, um die prismatischen
Farben hervorzubringen. Zugleich sieht er ein, daß
weder die Ründe der Kugel, noch die Reflexion, zur
Hervorbringung der Farbenerscheinung beytrage, weil
beydes beym Prisma nicht statt findet, und die Farbe
doch mächtig erscheint. Nun sucht er auch im Regen-
bogen jene nöthige Beschränkung und glaubt sie in der
Gränze der Kugel, in dem dahinter ruhenden Dunkel
anzutreffen, wo sie denn freylich, wie wir künftig zei-
gen werden, nicht zu suchen ist.


sat, belehren aber nicht uͤber das Phaͤnomen, indem
ſie die Erſcheinung auf einfache Strahlen zuruͤckfuͤhren,
da doch eigentlich Sonnenbilder im Grunde des Trop-
fens verengt, zuſammengefuͤhrt und uͤber einander ver-
ſchraͤnkt werden. Und ſo konnten dieſe Carteſiſchen,
einzelne Strahlen vorſtellenden Linien der Newtoniſchen
Erklaͤrung des Regenbogens guͤnſtig zum Grunde
liegen.

Der Regenbogen als anerkannter Refractionsfall
fuͤhrt ihn zu den prismatiſchen einfacheren Verſuchen.
Er hat ein Prisma von 30 bis 40 Graden, legt es
auf ein durchloͤchert Holz und laͤßt die Sonne hin-
durchſcheinen; das ganze colorirte Spectrum erblickt
er bey kleiner Oeffnung: weil aber ſein Prisma von
wenig Graden iſt, ſo kann er leicht, bey vergroͤßerter
Oeffnung, den weißen Raum in der Mitte bemerken.

Hierdurch gelangt er zu der Haupteinſicht, daß
eine Beſchraͤnkung noͤthig ſey, um die prismatiſchen
Farben hervorzubringen. Zugleich ſieht er ein, daß
weder die Ruͤnde der Kugel, noch die Reflexion, zur
Hervorbringung der Farbenerſcheinung beytrage, weil
beydes beym Prisma nicht ſtatt findet, und die Farbe
doch maͤchtig erſcheint. Nun ſucht er auch im Regen-
bogen jene noͤthige Beſchraͤnkung und glaubt ſie in der
Graͤnze der Kugel, in dem dahinter ruhenden Dunkel
anzutreffen, wo ſie denn freylich, wie wir kuͤnftig zei-
gen werden, nicht zu ſuchen iſt.


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[278/0312] sat, belehren aber nicht uͤber das Phaͤnomen, indem ſie die Erſcheinung auf einfache Strahlen zuruͤckfuͤhren, da doch eigentlich Sonnenbilder im Grunde des Trop- fens verengt, zuſammengefuͤhrt und uͤber einander ver- ſchraͤnkt werden. Und ſo konnten dieſe Carteſiſchen, einzelne Strahlen vorſtellenden Linien der Newtoniſchen Erklaͤrung des Regenbogens guͤnſtig zum Grunde liegen. Der Regenbogen als anerkannter Refractionsfall fuͤhrt ihn zu den prismatiſchen einfacheren Verſuchen. Er hat ein Prisma von 30 bis 40 Graden, legt es auf ein durchloͤchert Holz und laͤßt die Sonne hin- durchſcheinen; das ganze colorirte Spectrum erblickt er bey kleiner Oeffnung: weil aber ſein Prisma von wenig Graden iſt, ſo kann er leicht, bey vergroͤßerter Oeffnung, den weißen Raum in der Mitte bemerken. Hierdurch gelangt er zu der Haupteinſicht, daß eine Beſchraͤnkung noͤthig ſey, um die prismatiſchen Farben hervorzubringen. Zugleich ſieht er ein, daß weder die Ruͤnde der Kugel, noch die Reflexion, zur Hervorbringung der Farbenerſcheinung beytrage, weil beydes beym Prisma nicht ſtatt findet, und die Farbe doch maͤchtig erſcheint. Nun ſucht er auch im Regen- bogen jene noͤthige Beſchraͤnkung und glaubt ſie in der Graͤnze der Kugel, in dem dahinter ruhenden Dunkel anzutreffen, wo ſie denn freylich, wie wir kuͤnftig zei- gen werden, nicht zu ſuchen iſt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/312>, abgerufen am 27.04.2024.