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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Wenn Baco ungerecht gegen die Vergangenheit
war, so ließ ihm sein immer vorstrebender Geist auch
eine ruhige Schätzung der Mitwelt nicht zu. Wir wol-
len hier nur Gilberts erwähnen, dessen Bemühungen
um den Magneten dem Canzler Bacon bekannt seyn
konnten und waren: denn er erwähnt Gilberts selbst
mit Lob in seinen Schriften. Aber wie wichtig die
Gegenstände, Magnetismus und Electricität seyen, schien
Baco nicht zu fassen, dem in der Breite der Erschei-
nung alles gleich war. Denn ob er schon selbst immer
darauf hindeutet, man solle die Particularien nur des-
wegen sammeln, damit man aus ihnen wählen, sie
ordnen und endlich zu Universalien gelangen könne; so
behalten doch bey ihm die einzelnen Fälle zu viele Rech-
te, und ehe man durch Induction, selbst diejenige, die
er anpreist, zur Vereinfachung und zum Abschluß ge-
langen kann, geht das Leben weg und die Kräfte
verzehren sich. Wer nicht gewahr werden kann, daß
ein Fall oft Tausende werth ist, und sie alle in sich
schließt, wer nicht das zu fassen und zu ehren im Stände
ist, was wir Urphänomene genannt haben, der wird
weder sich noch andern jemals etwas zur Freude und
zum Nutzen fördern können. Man sehe die Fragen an,
die Baco aufwirft und die Vorschläge zu Untersuchun-
gen im Einzelnen; man bedenke seinen Tractat von den
Winden in diesem Sinne, und frage sich, ob man auf
diesem Wege an irgend ein Ziel zu gelangen hoffen
könne.

Auch halten wir es für einen großen Fehler Ba-

Wenn Baco ungerecht gegen die Vergangenheit
war, ſo ließ ihm ſein immer vorſtrebender Geiſt auch
eine ruhige Schaͤtzung der Mitwelt nicht zu. Wir wol-
len hier nur Gilberts erwaͤhnen, deſſen Bemuͤhungen
um den Magneten dem Canzler Bacon bekannt ſeyn
konnten und waren: denn er erwaͤhnt Gilberts ſelbſt
mit Lob in ſeinen Schriften. Aber wie wichtig die
Gegenſtaͤnde, Magnetismus und Electricitaͤt ſeyen, ſchien
Baco nicht zu faſſen, dem in der Breite der Erſchei-
nung alles gleich war. Denn ob er ſchon ſelbſt immer
darauf hindeutet, man ſolle die Particularien nur des-
wegen ſammeln, damit man aus ihnen waͤhlen, ſie
ordnen und endlich zu Univerſalien gelangen koͤnne; ſo
behalten doch bey ihm die einzelnen Faͤlle zu viele Rech-
te, und ehe man durch Induction, ſelbſt diejenige, die
er anpreiſt, zur Vereinfachung und zum Abſchluß ge-
langen kann, geht das Leben weg und die Kraͤfte
verzehren ſich. Wer nicht gewahr werden kann, daß
ein Fall oft Tauſende werth iſt, und ſie alle in ſich
ſchließt, wer nicht das zu faſſen und zu ehren im Staͤnde
iſt, was wir Urphaͤnomene genannt haben, der wird
weder ſich noch andern jemals etwas zur Freude und
zum Nutzen foͤrdern koͤnnen. Man ſehe die Fragen an,
die Baco aufwirft und die Vorſchlaͤge zu Unterſuchun-
gen im Einzelnen; man bedenke ſeinen Tractat von den
Winden in dieſem Sinne, und frage ſich, ob man auf
dieſem Wege an irgend ein Ziel zu gelangen hoffen
koͤnne.

Auch halten wir es fuͤr einen großen Fehler Ba-

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[235/0269] Wenn Baco ungerecht gegen die Vergangenheit war, ſo ließ ihm ſein immer vorſtrebender Geiſt auch eine ruhige Schaͤtzung der Mitwelt nicht zu. Wir wol- len hier nur Gilberts erwaͤhnen, deſſen Bemuͤhungen um den Magneten dem Canzler Bacon bekannt ſeyn konnten und waren: denn er erwaͤhnt Gilberts ſelbſt mit Lob in ſeinen Schriften. Aber wie wichtig die Gegenſtaͤnde, Magnetismus und Electricitaͤt ſeyen, ſchien Baco nicht zu faſſen, dem in der Breite der Erſchei- nung alles gleich war. Denn ob er ſchon ſelbſt immer darauf hindeutet, man ſolle die Particularien nur des- wegen ſammeln, damit man aus ihnen waͤhlen, ſie ordnen und endlich zu Univerſalien gelangen koͤnne; ſo behalten doch bey ihm die einzelnen Faͤlle zu viele Rech- te, und ehe man durch Induction, ſelbſt diejenige, die er anpreiſt, zur Vereinfachung und zum Abſchluß ge- langen kann, geht das Leben weg und die Kraͤfte verzehren ſich. Wer nicht gewahr werden kann, daß ein Fall oft Tauſende werth iſt, und ſie alle in ſich ſchließt, wer nicht das zu faſſen und zu ehren im Staͤnde iſt, was wir Urphaͤnomene genannt haben, der wird weder ſich noch andern jemals etwas zur Freude und zum Nutzen foͤrdern koͤnnen. Man ſehe die Fragen an, die Baco aufwirft und die Vorſchlaͤge zu Unterſuchun- gen im Einzelnen; man bedenke ſeinen Tractat von den Winden in dieſem Sinne, und frage ſich, ob man auf dieſem Wege an irgend ein Ziel zu gelangen hoffen koͤnne. Auch halten wir es fuͤr einen großen Fehler Ba-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/269>, abgerufen am 26.11.2024.