Problem, in complicirteren ist sie wohl behülflich, deu- tet auf den Weg, bringt uns näher; aber sie dringt nicht mehr auf den Grund. In den höheren Fällen und nun gar im Organischen und Moralischen bleibt sie ein bloßes Symbol.
Ob nun gleich der Stoff, den er behandelt, sehr gehaltvoll ist, auch nichts fehlt, was den sinnenden Menschen interessiren kann, ob er sich schon mit großer Ehrfurcht den erhabenen Gegenständen des Universums nähert; so muß er doch den einzelnen Theilen des Wiß- baren und Ausführbaren, einzelnen Wissenschaften und Künsten, Unrecht thun, um seine These durchzusetzen. Was in ihnen eigenthümlich, fundamental und elemen- tar gewiß ist, erkennt er nicht an; er beachtet bloß die Seite, die sie gegen die Mathematik bieten. So löst er die Grammatik in Rhythmik, die Logik in Musik auf, und erklärt die Mathematik wegen Sicherheit ihrer De- monstrationen für die bessere Logik.
Indem er nun zwar parteyisch aber keinesweges Pedant ist, so fühlt er sehr bald, wo seine Grundma- ximen (canones), mit denen er alles ausrichten will, nicht hinreichen, und es scheint ihm selbst nicht recht Ernst zu seyn, wenn er seinen mathematisch-physischen Maßstab geistigen und göttlichen Dingen anpassen und durch ein witziges Bilderspiel das, was nicht ineinan- der greift, zusammenhängen will.
Bey alle dem läßt ihn sein großes Sicherheitsbe- dürfniß durchaus feste und entschiedene Schritte thun.
Problem, in complicirteren iſt ſie wohl behuͤlflich, deu- tet auf den Weg, bringt uns naͤher; aber ſie dringt nicht mehr auf den Grund. In den hoͤheren Faͤllen und nun gar im Organiſchen und Moraliſchen bleibt ſie ein bloßes Symbol.
Ob nun gleich der Stoff, den er behandelt, ſehr gehaltvoll iſt, auch nichts fehlt, was den ſinnenden Menſchen intereſſiren kann, ob er ſich ſchon mit großer Ehrfurcht den erhabenen Gegenſtaͤnden des Univerſums naͤhert; ſo muß er doch den einzelnen Theilen des Wiß- baren und Ausfuͤhrbaren, einzelnen Wiſſenſchaften und Kuͤnſten, Unrecht thun, um ſeine Theſe durchzuſetzen. Was in ihnen eigenthuͤmlich, fundamental und elemen- tar gewiß iſt, erkennt er nicht an; er beachtet bloß die Seite, die ſie gegen die Mathematik bieten. So loͤſt er die Grammatik in Rhythmik, die Logik in Muſik auf, und erklaͤrt die Mathematik wegen Sicherheit ihrer De- monſtrationen fuͤr die beſſere Logik.
Indem er nun zwar parteyiſch aber keinesweges Pedant iſt, ſo fuͤhlt er ſehr bald, wo ſeine Grundma- ximen (canones), mit denen er alles ausrichten will, nicht hinreichen, und es ſcheint ihm ſelbſt nicht recht Ernſt zu ſeyn, wenn er ſeinen mathematiſch-phyſiſchen Maßſtab geiſtigen und goͤttlichen Dingen anpaſſen und durch ein witziges Bilderſpiel das, was nicht ineinan- der greift, zuſammenhaͤngen will.
Bey alle dem laͤßt ihn ſein großes Sicherheitsbe- duͤrfniß durchaus feſte und entſchiedene Schritte thun.
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Problem, in complicirteren iſt ſie wohl behuͤlflich, deu-
tet auf den Weg, bringt uns naͤher; aber ſie dringt
nicht mehr auf den Grund. In den hoͤheren Faͤllen
und nun gar im Organiſchen und Moraliſchen bleibt
ſie ein bloßes Symbol.
Ob nun gleich der Stoff, den er behandelt, ſehr
gehaltvoll iſt, auch nichts fehlt, was den ſinnenden
Menſchen intereſſiren kann, ob er ſich ſchon mit großer
Ehrfurcht den erhabenen Gegenſtaͤnden des Univerſums
naͤhert; ſo muß er doch den einzelnen Theilen des Wiß-
baren und Ausfuͤhrbaren, einzelnen Wiſſenſchaften und
Kuͤnſten, Unrecht thun, um ſeine Theſe durchzuſetzen.
Was in ihnen eigenthuͤmlich, fundamental und elemen-
tar gewiß iſt, erkennt er nicht an; er beachtet bloß die
Seite, die ſie gegen die Mathematik bieten. So loͤſt
er die Grammatik in Rhythmik, die Logik in Muſik auf,
und erklaͤrt die Mathematik wegen Sicherheit ihrer De-
monſtrationen fuͤr die beſſere Logik.
Indem er nun zwar parteyiſch aber keinesweges
Pedant iſt, ſo fuͤhlt er ſehr bald, wo ſeine Grundma-
ximen (canones), mit denen er alles ausrichten will,
nicht hinreichen, und es ſcheint ihm ſelbſt nicht recht
Ernſt zu ſeyn, wenn er ſeinen mathematiſch-phyſiſchen
Maßſtab geiſtigen und goͤttlichen Dingen anpaſſen und
durch ein witziges Bilderſpiel das, was nicht ineinan-
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Bey alle dem laͤßt ihn ſein großes Sicherheitsbe-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/185>, abgerufen am 24.11.2024.
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