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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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sentlichen Kunsterforderniß hinlänglich Genüge leisten
konnten.

Der Meister der aldobrandinischen Hochzeit malte
auf weißen glatten Grund, welches auch bey mehreren
andern antiken Malereyen der Fall ist, wie aus Stel-
len, wo die Farben sich abgelöset, klar wird. Ob
Leim, Gummi, Eyer, Milch von Feigensprößlingen,
oder welches andre Bindungsmittel den Farben beyge-
mischt worden, läßt sich vor der Hand nicht bestimmt
nachweisen. Daß es Wachs gewesen, ist wenigstens
in Hinsicht auf die aldobrandinische Hochzeit unwahr-
scheinlich, weil sich die lasirenden, der Aquarelle ähn-
lichen Farben über Wachs schwerlich hätten auftragen
lassen, und früher, als der Ueberzug mit Wachs ge-
schehen war, ebenfalls nicht anders als äußerst unbe-
quem, indem ihre Feuchtigkeit zu schnell in die unter-
liegenden trocknen Farben würde eingedrungen seyn.
Uebrigens läßt eben der Umstand, daß die erwähnten
lasirenden Farben viel und mit Bequemlichkeit ange-
wendet sind, auf ein festes, den gesammten Farben
beygemischtes Bindemittel schließen. Die erste Anlage
ist völlig in der Art gemacht, wie noch jetzt in Leim-
und Freseofarben zu geschehen pflegt, nämlich in gro-
ßen hellen und dunkeln Massen, beydes mittlere Tin-
ten, wohinein denn, besonders im Fleisch, mit nicht
sehr regelmäßigen Schraffirungen, in den Gewändern
hingegen zuweilen mit freyen breitern Pinselstrichen,
die weitern Vertiefungen gearbeitet sind. Auf die an-
gelegten hellen Partieen wurden die höhern Lichttinten
keck aufgesetzt und endlich durch die mehrmals erwähn-

ſentlichen Kunſterforderniß hinlaͤnglich Genuͤge leiſten
konnten.

Der Meiſter der aldobrandiniſchen Hochzeit malte
auf weißen glatten Grund, welches auch bey mehreren
andern antiken Malereyen der Fall iſt, wie aus Stel-
len, wo die Farben ſich abgeloͤſet, klar wird. Ob
Leim, Gummi, Eyer, Milch von Feigenſproͤßlingen,
oder welches andre Bindungsmittel den Farben beyge-
miſcht worden, laͤßt ſich vor der Hand nicht beſtimmt
nachweiſen. Daß es Wachs geweſen, iſt wenigſtens
in Hinſicht auf die aldobrandiniſche Hochzeit unwahr-
ſcheinlich, weil ſich die laſirenden, der Aquarelle aͤhn-
lichen Farben uͤber Wachs ſchwerlich haͤtten auftragen
laſſen, und fruͤher, als der Ueberzug mit Wachs ge-
ſchehen war, ebenfalls nicht anders als aͤußerſt unbe-
quem, indem ihre Feuchtigkeit zu ſchnell in die unter-
liegenden trocknen Farben wuͤrde eingedrungen ſeyn.
Uebrigens laͤßt eben der Umſtand, daß die erwaͤhnten
laſirenden Farben viel und mit Bequemlichkeit ange-
wendet ſind, auf ein feſtes, den geſammten Farben
beygemiſchtes Bindemittel ſchließen. Die erſte Anlage
iſt voͤllig in der Art gemacht, wie noch jetzt in Leim-
und Freseofarben zu geſchehen pflegt, naͤmlich in gro-
ßen hellen und dunkeln Maſſen, beydes mittlere Tin-
ten, wohinein denn, beſonders im Fleiſch, mit nicht
ſehr regelmaͤßigen Schraffirungen, in den Gewaͤndern
hingegen zuweilen mit freyen breitern Pinſelſtrichen,
die weitern Vertiefungen gearbeitet ſind. Auf die an-
gelegten hellen Partieen wurden die hoͤhern Lichttinten
keck aufgeſetzt und endlich durch die mehrmals erwaͤhn-

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[104/0138] ſentlichen Kunſterforderniß hinlaͤnglich Genuͤge leiſten konnten. Der Meiſter der aldobrandiniſchen Hochzeit malte auf weißen glatten Grund, welches auch bey mehreren andern antiken Malereyen der Fall iſt, wie aus Stel- len, wo die Farben ſich abgeloͤſet, klar wird. Ob Leim, Gummi, Eyer, Milch von Feigenſproͤßlingen, oder welches andre Bindungsmittel den Farben beyge- miſcht worden, laͤßt ſich vor der Hand nicht beſtimmt nachweiſen. Daß es Wachs geweſen, iſt wenigſtens in Hinſicht auf die aldobrandiniſche Hochzeit unwahr- ſcheinlich, weil ſich die laſirenden, der Aquarelle aͤhn- lichen Farben uͤber Wachs ſchwerlich haͤtten auftragen laſſen, und fruͤher, als der Ueberzug mit Wachs ge- ſchehen war, ebenfalls nicht anders als aͤußerſt unbe- quem, indem ihre Feuchtigkeit zu ſchnell in die unter- liegenden trocknen Farben wuͤrde eingedrungen ſeyn. Uebrigens laͤßt eben der Umſtand, daß die erwaͤhnten laſirenden Farben viel und mit Bequemlichkeit ange- wendet ſind, auf ein feſtes, den geſammten Farben beygemiſchtes Bindemittel ſchließen. Die erſte Anlage iſt voͤllig in der Art gemacht, wie noch jetzt in Leim- und Freseofarben zu geſchehen pflegt, naͤmlich in gro- ßen hellen und dunkeln Maſſen, beydes mittlere Tin- ten, wohinein denn, beſonders im Fleiſch, mit nicht ſehr regelmaͤßigen Schraffirungen, in den Gewaͤndern hingegen zuweilen mit freyen breitern Pinſelſtrichen, die weitern Vertiefungen gearbeitet ſind. Auf die an- gelegten hellen Partieen wurden die hoͤhern Lichttinten keck aufgeſetzt und endlich durch die mehrmals erwaͤhn-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/138>, abgerufen am 19.04.2024.