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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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ten verdünnten, der Aquarelle vergleichbaren, bloß la-
sirenden Farben (vornehmlich Purpur und schwärzlich
Braun) das Werk vollendet, dem Ganzen mehr Ueber-
einstimmung, dem Schatten größere Klarheit gegeben,
und die Einwirkung einer jeden Farbe auf die benach-
barte angedeutet. Vielleicht sind ganz zuletzt noch eini-
ge Striche des vorstechendsten Lichts aufgesetzt worden,
mit einem Wort, man bemerkt durchgehends, wenn
schon nicht die Hand eines großen Meisters, doch die
eines fertigen Malers und in den Kunstregeln, nach
welchen er verfahren, die herrliche Schule, worin er
sich gebildet. Verschiedene, obwohl nicht eben vorzüg-
lich bedeutende Reste alter Malerey in den Ruinen der
Villa des Hadrian bey Tivoli, die lebensgroße Figur
der Roma im Pallast Barberini zu Rom, welche nach
der Meynung einiger Alterthumsforscher aus Constan-
tins Zeit seyn soll, allein wie wir nach Maßgabe des
darin herrschenden Geschmacks glauben, früher entstan-
den ist; ferner einige Bilder von geringem Umfang und
nicht großen Verdiensten, im Pallast Rospigliosi eben-
falls zu Rom, zeigen alle dieselbe heitere Anmut in
den Farben und sind, so viel sich aus ihren beschränk-
tern Darstellungen wahrnehmen läßt, in eben der Ma-
nier, oder wenn man lieber will, unter dem Einfluß
ähnlicher Grundsätze verfertigt, als wir kurz zuvor be-
merkt haben und deutlicher aus einander zu setzen be-
müht gewesen sind.

Einige von den Herculanischen Bildern ausgenom-
men, mochten alle übrigen von uns bisher erwähnten,
noch vorhandenen, antiken Malereyen, die bessern Mo-

ten verduͤnnten, der Aquarelle vergleichbaren, bloß la-
ſirenden Farben (vornehmlich Purpur und ſchwaͤrzlich
Braun) das Werk vollendet, dem Ganzen mehr Ueber-
einſtimmung, dem Schatten groͤßere Klarheit gegeben,
und die Einwirkung einer jeden Farbe auf die benach-
barte angedeutet. Vielleicht ſind ganz zuletzt noch eini-
ge Striche des vorſtechendſten Lichts aufgeſetzt worden,
mit einem Wort, man bemerkt durchgehends, wenn
ſchon nicht die Hand eines großen Meiſters, doch die
eines fertigen Malers und in den Kunſtregeln, nach
welchen er verfahren, die herrliche Schule, worin er
ſich gebildet. Verſchiedene, obwohl nicht eben vorzuͤg-
lich bedeutende Reſte alter Malerey in den Ruinen der
Villa des Hadrian bey Tivoli, die lebensgroße Figur
der Roma im Pallaſt Barberini zu Rom, welche nach
der Meynung einiger Alterthumsforſcher aus Conſtan-
tins Zeit ſeyn ſoll, allein wie wir nach Maßgabe des
darin herrſchenden Geſchmacks glauben, fruͤher entſtan-
den iſt; ferner einige Bilder von geringem Umfang und
nicht großen Verdienſten, im Pallaſt Rospiglioſi eben-
falls zu Rom, zeigen alle dieſelbe heitere Anmut in
den Farben und ſind, ſo viel ſich aus ihren beſchraͤnk-
tern Darſtellungen wahrnehmen laͤßt, in eben der Ma-
nier, oder wenn man lieber will, unter dem Einfluß
aͤhnlicher Grundſaͤtze verfertigt, als wir kurz zuvor be-
merkt haben und deutlicher aus einander zu ſetzen be-
muͤht geweſen ſind.

Einige von den Herculaniſchen Bildern ausgenom-
men, mochten alle uͤbrigen von uns bisher erwaͤhnten,
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[105/0139] ten verduͤnnten, der Aquarelle vergleichbaren, bloß la- ſirenden Farben (vornehmlich Purpur und ſchwaͤrzlich Braun) das Werk vollendet, dem Ganzen mehr Ueber- einſtimmung, dem Schatten groͤßere Klarheit gegeben, und die Einwirkung einer jeden Farbe auf die benach- barte angedeutet. Vielleicht ſind ganz zuletzt noch eini- ge Striche des vorſtechendſten Lichts aufgeſetzt worden, mit einem Wort, man bemerkt durchgehends, wenn ſchon nicht die Hand eines großen Meiſters, doch die eines fertigen Malers und in den Kunſtregeln, nach welchen er verfahren, die herrliche Schule, worin er ſich gebildet. Verſchiedene, obwohl nicht eben vorzuͤg- lich bedeutende Reſte alter Malerey in den Ruinen der Villa des Hadrian bey Tivoli, die lebensgroße Figur der Roma im Pallaſt Barberini zu Rom, welche nach der Meynung einiger Alterthumsforſcher aus Conſtan- tins Zeit ſeyn ſoll, allein wie wir nach Maßgabe des darin herrſchenden Geſchmacks glauben, fruͤher entſtan- den iſt; ferner einige Bilder von geringem Umfang und nicht großen Verdienſten, im Pallaſt Rospiglioſi eben- falls zu Rom, zeigen alle dieſelbe heitere Anmut in den Farben und ſind, ſo viel ſich aus ihren beſchraͤnk- tern Darſtellungen wahrnehmen laͤßt, in eben der Ma- nier, oder wenn man lieber will, unter dem Einfluß aͤhnlicher Grundſaͤtze verfertigt, als wir kurz zuvor be- merkt haben und deutlicher aus einander zu ſetzen be- muͤht geweſen ſind. Einige von den Herculaniſchen Bildern ausgenom- men, mochten alle uͤbrigen von uns bisher erwaͤhnten, noch vorhandenen, antiken Malereyen, die beſſern Mo-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/139>, abgerufen am 20.04.2024.