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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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auch von der Kunst der Erfindung, der Anordnung, der
Zeichnung u. s. w. zu reden. Die folgenden Bemer-
kungen bezielen demnach vornehmlich nur:

Colorit, Ton und Harmonie,
die vom Künstler angewendeten Farben,
die Behandlung.

Obschon die Arbeit im Ganzen nur flüchtig und
skizzenhaft ist, so war der Maler dennoch mit großer
Sorgfalt um zweckmäßige Abwechselung der Farbentöne,
nach Maßgabe der verschiedenen Charaktere seiner Fi-
guren, bemüht und hat sich darin besonders tüchtig er-
wiesen. Die zarte auf der Wange der Braut glühende
Schamröthe contrastirt vortrefflich mit dem kräftigen
Ton, in welchem der Bräutigam gehalten ist. Auch
sind alle übrigen Figuren des Bildes mit feiner Kunst
so nüanzirt, wie die Bedeutung einer jeden es erfor-
dert. Nicht geringere Fertigkeit und Kenntnisse zeigte
unser alte Meister an den verschiedenen Stellen, wo
er das Durchscheinende farbiger Gewänder durch Weiß
angegeben, wo benachbarte Farben sich einander mit-
theilen; und ferner in der Wahl und Vertheilung der
den herrschenden violetten Ton des Bildes begünstigen-
den und von demselben wieder gehobenen Farben, zum
Zweck einer fröhlich harmonischen Wirkung des Ganzen.

Den Ton eigens betreffend, mögen hier zu mehrerer
Deutlichkeit noch folgende Bemerkungen Platz nehmen.

Wenn die, Neuern, vielleicht durch das Bequeme
einiger Farben in der Oelmalerey veranlaßt, den Ton
ihrer Bilder fast immer gelb gewählt, oder auch zu-

auch von der Kunſt der Erfindung, der Anordnung, der
Zeichnung u. ſ. w. zu reden. Die folgenden Bemer-
kungen bezielen demnach vornehmlich nur:

Colorit, Ton und Harmonie,
die vom Kuͤnſtler angewendeten Farben,
die Behandlung.

Obſchon die Arbeit im Ganzen nur fluͤchtig und
ſkizzenhaft iſt, ſo war der Maler dennoch mit großer
Sorgfalt um zweckmaͤßige Abwechſelung der Farbentoͤne,
nach Maßgabe der verſchiedenen Charaktere ſeiner Fi-
guren, bemuͤht und hat ſich darin beſonders tuͤchtig er-
wieſen. Die zarte auf der Wange der Braut gluͤhende
Schamroͤthe contraſtirt vortrefflich mit dem kraͤftigen
Ton, in welchem der Braͤutigam gehalten iſt. Auch
ſind alle uͤbrigen Figuren des Bildes mit feiner Kunſt
ſo nuͤanzirt, wie die Bedeutung einer jeden es erfor-
dert. Nicht geringere Fertigkeit und Kenntniſſe zeigte
unſer alte Meiſter an den verſchiedenen Stellen, wo
er das Durchſcheinende farbiger Gewaͤnder durch Weiß
angegeben, wo benachbarte Farben ſich einander mit-
theilen; und ferner in der Wahl und Vertheilung der
den herrſchenden violetten Ton des Bildes beguͤnſtigen-
den und von demſelben wieder gehobenen Farben, zum
Zweck einer froͤhlich harmoniſchen Wirkung des Ganzen.

Den Ton eigens betreffend, moͤgen hier zu mehrerer
Deutlichkeit noch folgende Bemerkungen Platz nehmen.

Wenn die, Neuern, vielleicht durch das Bequeme
einiger Farben in der Oelmalerey veranlaßt, den Ton
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[98/0132] auch von der Kunſt der Erfindung, der Anordnung, der Zeichnung u. ſ. w. zu reden. Die folgenden Bemer- kungen bezielen demnach vornehmlich nur: Colorit, Ton und Harmonie, die vom Kuͤnſtler angewendeten Farben, die Behandlung. Obſchon die Arbeit im Ganzen nur fluͤchtig und ſkizzenhaft iſt, ſo war der Maler dennoch mit großer Sorgfalt um zweckmaͤßige Abwechſelung der Farbentoͤne, nach Maßgabe der verſchiedenen Charaktere ſeiner Fi- guren, bemuͤht und hat ſich darin beſonders tuͤchtig er- wieſen. Die zarte auf der Wange der Braut gluͤhende Schamroͤthe contraſtirt vortrefflich mit dem kraͤftigen Ton, in welchem der Braͤutigam gehalten iſt. Auch ſind alle uͤbrigen Figuren des Bildes mit feiner Kunſt ſo nuͤanzirt, wie die Bedeutung einer jeden es erfor- dert. Nicht geringere Fertigkeit und Kenntniſſe zeigte unſer alte Meiſter an den verſchiedenen Stellen, wo er das Durchſcheinende farbiger Gewaͤnder durch Weiß angegeben, wo benachbarte Farben ſich einander mit- theilen; und ferner in der Wahl und Vertheilung der den herrſchenden violetten Ton des Bildes beguͤnſtigen- den und von demſelben wieder gehobenen Farben, zum Zweck einer froͤhlich harmoniſchen Wirkung des Ganzen. Den Ton eigens betreffend, moͤgen hier zu mehrerer Deutlichkeit noch folgende Bemerkungen Platz nehmen. Wenn die, Neuern, vielleicht durch das Bequeme einiger Farben in der Oelmalerey veranlaßt, den Ton ihrer Bilder faſt immer gelb gewaͤhlt, oder auch zu-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/132>, abgerufen am 26.04.2024.