Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

durch den oft schwermüthigen Inhalt ihrer Bilder, auf
einen ganz andren Weg gelenkt wurden.

In Betreff der Harmonie, oder mit andern Wor-
ten, der künstlichen Stellung und Vertheilung der
Farben, sind die Alten, wie wir uns in der Folge zu
zeigen bemühen werden, solchen Regeln gefolgt, die
ihnen mehrere Mannigfaltigkeit und größern Spiel-
raum erlaubten, als die Neuern bey ihrer Weise zu
denken und zu malen gehabt haben.

Die antiken Gemälde, welche zu Rom in den
Ruinen der Bäder des Titus noch an Ort und Stelle
übrig sind; andere bessere, die vor etwa dreyßig Jah-
ren in der Villa Negroni ausgegraben und seither nach
England gebracht worden; ferner die berühmte aldo-
brandinische Hochzeit, welche schon im siebzehnten Jahr-
hundert entdeckt und noch jetzt in Rom befindlich ist,
sind ohne Zweifel sämmtlich zeitverwandt mit den Ma-
lereyen aus Herculanum und Pompeji. Wenigstens ent-
sprechen ihre Eigenschaften und Vorzüge einander der-
gestalt, daß wenn wir hier noch einiges Nähere über
das Colorit, über Anwendung und Austheilung der
Farben, wie auch über die Behandlung in der eben
erwähnten aldobrandinischen Hochzeit beybringen, sol-
ches als von allen den noch vorhandenen antiken Ge-
malden besserer Art wird gelten können.

Beabsichtigter Kürze wegen müssen wir annehmen,
unseren Lesern sey die Darstellung der aldobrandini-
schen Hochzeit schon bekannt, und so unterlassen wir

II. 7

durch den oft ſchwermuͤthigen Inhalt ihrer Bilder, auf
einen ganz andren Weg gelenkt wurden.

In Betreff der Harmonie, oder mit andern Wor-
ten, der kuͤnſtlichen Stellung und Vertheilung der
Farben, ſind die Alten, wie wir uns in der Folge zu
zeigen bemuͤhen werden, ſolchen Regeln gefolgt, die
ihnen mehrere Mannigfaltigkeit und groͤßern Spiel-
raum erlaubten, als die Neuern bey ihrer Weiſe zu
denken und zu malen gehabt haben.

Die antiken Gemaͤlde, welche zu Rom in den
Ruinen der Baͤder des Titus noch an Ort und Stelle
uͤbrig ſind; andere beſſere, die vor etwa dreyßig Jah-
ren in der Villa Negroni ausgegraben und ſeither nach
England gebracht worden; ferner die beruͤhmte aldo-
brandiniſche Hochzeit, welche ſchon im ſiebzehnten Jahr-
hundert entdeckt und noch jetzt in Rom befindlich iſt,
ſind ohne Zweifel ſaͤmmtlich zeitverwandt mit den Ma-
lereyen aus Herculanum und Pompeji. Wenigſtens ent-
ſprechen ihre Eigenſchaften und Vorzuͤge einander der-
geſtalt, daß wenn wir hier noch einiges Naͤhere uͤber
das Colorit, uͤber Anwendung und Austheilung der
Farben, wie auch uͤber die Behandlung in der eben
erwaͤhnten aldobrandiniſchen Hochzeit beybringen, ſol-
ches als von allen den noch vorhandenen antiken Ge-
malden beſſerer Art wird gelten koͤnnen.

Beabſichtigter Kuͤrze wegen muͤſſen wir annehmen,
unſeren Leſern ſey die Darſtellung der aldobrandini-
ſchen Hochzeit ſchon bekannt, und ſo unterlaſſen wir

II. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0131" n="97"/>
durch den oft &#x017F;chwermu&#x0364;thigen Inhalt ihrer Bilder, auf<lb/>
einen ganz andren Weg gelenkt wurden.</p><lb/>
          <p>In Betreff der Harmonie, oder mit andern Wor-<lb/>
ten, der ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Stellung und Vertheilung der<lb/>
Farben, &#x017F;ind die Alten, wie wir uns in der Folge zu<lb/>
zeigen bemu&#x0364;hen werden, &#x017F;olchen Regeln gefolgt, die<lb/>
ihnen mehrere Mannigfaltigkeit und gro&#x0364;ßern Spiel-<lb/>
raum erlaubten, als die Neuern bey ihrer Wei&#x017F;e zu<lb/>
denken und zu malen gehabt haben.</p><lb/>
          <p>Die antiken Gema&#x0364;lde, welche zu Rom in den<lb/>
Ruinen der Ba&#x0364;der des Titus noch an Ort und Stelle<lb/>
u&#x0364;brig &#x017F;ind; andere be&#x017F;&#x017F;ere, die vor etwa dreyßig Jah-<lb/>
ren in der Villa Negroni ausgegraben und &#x017F;either nach<lb/>
England gebracht worden; ferner die beru&#x0364;hmte aldo-<lb/>
brandini&#x017F;che Hochzeit, welche &#x017F;chon im &#x017F;iebzehnten Jahr-<lb/>
hundert entdeckt und noch jetzt in Rom befindlich i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;ind ohne Zweifel &#x017F;a&#x0364;mmtlich zeitverwandt mit den Ma-<lb/>
lereyen aus Herculanum und Pompeji. Wenig&#x017F;tens ent-<lb/>
&#x017F;prechen ihre Eigen&#x017F;chaften und Vorzu&#x0364;ge einander der-<lb/>
ge&#x017F;talt, daß wenn wir hier noch einiges Na&#x0364;here u&#x0364;ber<lb/>
das Colorit, u&#x0364;ber Anwendung und Austheilung der<lb/>
Farben, wie auch u&#x0364;ber die Behandlung in der eben<lb/>
erwa&#x0364;hnten aldobrandini&#x017F;chen Hochzeit beybringen, &#x017F;ol-<lb/>
ches als von allen den noch vorhandenen antiken Ge-<lb/>
malden be&#x017F;&#x017F;erer Art wird gelten ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Beab&#x017F;ichtigter Ku&#x0364;rze wegen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir annehmen,<lb/>
un&#x017F;eren Le&#x017F;ern &#x017F;ey die Dar&#x017F;tellung der aldobrandini-<lb/>
&#x017F;chen Hochzeit &#x017F;chon bekannt, und &#x017F;o unterla&#x017F;&#x017F;en wir<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II.</hi> 7</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0131] durch den oft ſchwermuͤthigen Inhalt ihrer Bilder, auf einen ganz andren Weg gelenkt wurden. In Betreff der Harmonie, oder mit andern Wor- ten, der kuͤnſtlichen Stellung und Vertheilung der Farben, ſind die Alten, wie wir uns in der Folge zu zeigen bemuͤhen werden, ſolchen Regeln gefolgt, die ihnen mehrere Mannigfaltigkeit und groͤßern Spiel- raum erlaubten, als die Neuern bey ihrer Weiſe zu denken und zu malen gehabt haben. Die antiken Gemaͤlde, welche zu Rom in den Ruinen der Baͤder des Titus noch an Ort und Stelle uͤbrig ſind; andere beſſere, die vor etwa dreyßig Jah- ren in der Villa Negroni ausgegraben und ſeither nach England gebracht worden; ferner die beruͤhmte aldo- brandiniſche Hochzeit, welche ſchon im ſiebzehnten Jahr- hundert entdeckt und noch jetzt in Rom befindlich iſt, ſind ohne Zweifel ſaͤmmtlich zeitverwandt mit den Ma- lereyen aus Herculanum und Pompeji. Wenigſtens ent- ſprechen ihre Eigenſchaften und Vorzuͤge einander der- geſtalt, daß wenn wir hier noch einiges Naͤhere uͤber das Colorit, uͤber Anwendung und Austheilung der Farben, wie auch uͤber die Behandlung in der eben erwaͤhnten aldobrandiniſchen Hochzeit beybringen, ſol- ches als von allen den noch vorhandenen antiken Ge- malden beſſerer Art wird gelten koͤnnen. Beabſichtigter Kuͤrze wegen muͤſſen wir annehmen, unſeren Leſern ſey die Darſtellung der aldobrandini- ſchen Hochzeit ſchon bekannt, und ſo unterlaſſen wir II. 7

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/131
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/131>, abgerufen am 24.04.2024.