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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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die Plinius eben den spätern Künstlern über die An-
wendung mehrerer Farben machen will. Apelles selbst
hat sicherlich sein Elfenbeinschwarz um größerer Kraft
willen, und um allenfalls die übrigen schwarzen Far-
ben durch noch tiefere Schwärze abschattiren zu kön-
nen, gebraucht, und nicht etwa darum, weil es
zur Mischung in den Fleischtinten am bequemsten
war, wie ein jeder neuerer Maler wohl aus Erfahrung
weiß.

Warum aber vom Plinius unter jenen vier Far-
ben das Blau nicht erwähnt wird, erklärt sich vielleicht
durch die Stelle, wo derselbe vom Atrament oder von
schwarzen Farben spricht, am besten. Er meldet näm-
lich, die gebrannten Hefen von gutem Wein gäben
nach der Behauptung einiger Maler eine Schwärze,
welche dem Indicum nahe käme, und Indicum selbst
wird von ihm an die schwarzen Farben angeschlossen.
Aus einer folgenden Stelle geht aber hervor, daß un-
ter Indicum schwerlich etwas andres als der wirkliche
Indigo, und also blaue Farbe, gemeynt seyn kann;
die denn auch in Gouach- und Leimfarben noch immer
gebraucht wird. Das Blau von Waid, Vitrum, war
wenigstens zur Zeit des Plinius ebenfalls bekannt. Man
verfälschte damals das Indicum damit. Eben so ha-
ben die Alten das Bergblau, und zu Alexanders Zeiten
sicherlich auch den Lapis Lazuli gekannt. Dieses ist es,
was wir über eine allerdings schwierige und vielfacher,
nur nicht wörtlicher, Auslegung fähige Stelle anzu-
merken für schicklich erachtet haben.

die Plinius eben den ſpaͤtern Kuͤnſtlern uͤber die An-
wendung mehrerer Farben machen will. Apelles ſelbſt
hat ſicherlich ſein Elfenbeinſchwarz um groͤßerer Kraft
willen, und um allenfalls die uͤbrigen ſchwarzen Far-
ben durch noch tiefere Schwaͤrze abſchattiren zu koͤn-
nen, gebraucht, und nicht etwa darum, weil es
zur Miſchung in den Fleiſchtinten am bequemſten
war, wie ein jeder neuerer Maler wohl aus Erfahrung
weiß.

Warum aber vom Plinius unter jenen vier Far-
ben das Blau nicht erwaͤhnt wird, erklaͤrt ſich vielleicht
durch die Stelle, wo derſelbe vom Atrament oder von
ſchwarzen Farben ſpricht, am beſten. Er meldet naͤm-
lich, die gebrannten Hefen von gutem Wein gaͤben
nach der Behauptung einiger Maler eine Schwaͤrze,
welche dem Indicum nahe kaͤme, und Indicum ſelbſt
wird von ihm an die ſchwarzen Farben angeſchloſſen.
Aus einer folgenden Stelle geht aber hervor, daß un-
ter Indicum ſchwerlich etwas andres als der wirkliche
Indigo, und alſo blaue Farbe, gemeynt ſeyn kann;
die denn auch in Gouach- und Leimfarben noch immer
gebraucht wird. Das Blau von Waid, Vitrum, war
wenigſtens zur Zeit des Plinius ebenfalls bekannt. Man
verfaͤlſchte damals das Indicum damit. Eben ſo ha-
ben die Alten das Bergblau, und zu Alexanders Zeiten
ſicherlich auch den Lapis Lazuli gekannt. Dieſes iſt es,
was wir uͤber eine allerdings ſchwierige und vielfacher,
nur nicht woͤrtlicher, Auslegung faͤhige Stelle anzu-
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[92/0126] die Plinius eben den ſpaͤtern Kuͤnſtlern uͤber die An- wendung mehrerer Farben machen will. Apelles ſelbſt hat ſicherlich ſein Elfenbeinſchwarz um groͤßerer Kraft willen, und um allenfalls die uͤbrigen ſchwarzen Far- ben durch noch tiefere Schwaͤrze abſchattiren zu koͤn- nen, gebraucht, und nicht etwa darum, weil es zur Miſchung in den Fleiſchtinten am bequemſten war, wie ein jeder neuerer Maler wohl aus Erfahrung weiß. Warum aber vom Plinius unter jenen vier Far- ben das Blau nicht erwaͤhnt wird, erklaͤrt ſich vielleicht durch die Stelle, wo derſelbe vom Atrament oder von ſchwarzen Farben ſpricht, am beſten. Er meldet naͤm- lich, die gebrannten Hefen von gutem Wein gaͤben nach der Behauptung einiger Maler eine Schwaͤrze, welche dem Indicum nahe kaͤme, und Indicum ſelbſt wird von ihm an die ſchwarzen Farben angeſchloſſen. Aus einer folgenden Stelle geht aber hervor, daß un- ter Indicum ſchwerlich etwas andres als der wirkliche Indigo, und alſo blaue Farbe, gemeynt ſeyn kann; die denn auch in Gouach- und Leimfarben noch immer gebraucht wird. Das Blau von Waid, Vitrum, war wenigſtens zur Zeit des Plinius ebenfalls bekannt. Man verfaͤlſchte damals das Indicum damit. Eben ſo ha- ben die Alten das Bergblau, und zu Alexanders Zeiten ſicherlich auch den Lapis Lazuli gekannt. Dieſes iſt es, was wir uͤber eine allerdings ſchwierige und vielfacher, nur nicht woͤrtlicher, Auslegung faͤhige Stelle anzu- merken fuͤr ſchicklich erachtet haben.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/126>, abgerufen am 23.04.2024.