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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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bemerklich, daß wir ja noch nicht einmal entschieden
erklärt, was denn Farbe sey? Dieser Frage möch-
ten wir gar gern hier abermals ausweichen und
uns auf unsere Ausführung berufen, wo wir um-
ständlich gezeigt, wie sie erscheine. Denn es bleibt
uns auch hier nichts übrig, als zu wiederholen:
die Farbe sey die gesetzmäßige Natur in Bezug auf
den Sinn des Auges. Auch hier müssen wir an-
nehmen, daß Jemand diesen Sinn habe, daß Je-
mand die Einwirkung der Natur auf diesen Sinn
kenne: denn mit dem Blinden läßt sich nicht von
der Farbe reden.

Damit wir aber nicht gar zu ängstlich eine Er-
klärung zu vermeiden scheinen, so möchten wir das
erstgesagte folgendermaßen umschreiben. Die Farbe
sey ein elementares Naturphänomen für den Sinn
des Auges, das sich, wie die übrigen alle, durch
Trennung und Gegensatz, durch Mischung und
Vereinigung, durch Erhöhung und Neutralisation,
durch Mittheilung und Vertheilung und so weiter
manifestirt, und unter diesen allgemeinen Natur-
formeln am besten angeschaut und begriffen werden
kann.

Diese Art sich die Sache vorzustellen, können
wir Niemand aufdringen. Wer sie bequem findet,

bemerklich, daß wir ja noch nicht einmal entſchieden
erklaͤrt, was denn Farbe ſey? Dieſer Frage moͤch-
ten wir gar gern hier abermals ausweichen und
uns auf unſere Ausfuͤhrung berufen, wo wir um-
ſtaͤndlich gezeigt, wie ſie erſcheine. Denn es bleibt
uns auch hier nichts uͤbrig, als zu wiederholen:
die Farbe ſey die geſetzmaͤßige Natur in Bezug auf
den Sinn des Auges. Auch hier muͤſſen wir an-
nehmen, daß Jemand dieſen Sinn habe, daß Je-
mand die Einwirkung der Natur auf dieſen Sinn
kenne: denn mit dem Blinden laͤßt ſich nicht von
der Farbe reden.

Damit wir aber nicht gar zu aͤngſtlich eine Er-
klaͤrung zu vermeiden ſcheinen, ſo moͤchten wir das
erſtgeſagte folgendermaßen umſchreiben. Die Farbe
ſey ein elementares Naturphaͤnomen fuͤr den Sinn
des Auges, das ſich, wie die uͤbrigen alle, durch
Trennung und Gegenſatz, durch Miſchung und
Vereinigung, durch Erhoͤhung und Neutraliſation,
durch Mittheilung und Vertheilung und ſo weiter
manifeſtirt, und unter dieſen allgemeinen Natur-
formeln am beſten angeſchaut und begriffen werden
kann.

Dieſe Art ſich die Sache vorzuſtellen, koͤnnen
wir Niemand aufdringen. Wer ſie bequem findet,

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[XXXIX/0045] bemerklich, daß wir ja noch nicht einmal entſchieden erklaͤrt, was denn Farbe ſey? Dieſer Frage moͤch- ten wir gar gern hier abermals ausweichen und uns auf unſere Ausfuͤhrung berufen, wo wir um- ſtaͤndlich gezeigt, wie ſie erſcheine. Denn es bleibt uns auch hier nichts uͤbrig, als zu wiederholen: die Farbe ſey die geſetzmaͤßige Natur in Bezug auf den Sinn des Auges. Auch hier muͤſſen wir an- nehmen, daß Jemand dieſen Sinn habe, daß Je- mand die Einwirkung der Natur auf dieſen Sinn kenne: denn mit dem Blinden laͤßt ſich nicht von der Farbe reden. Damit wir aber nicht gar zu aͤngſtlich eine Er- klaͤrung zu vermeiden ſcheinen, ſo moͤchten wir das erſtgeſagte folgendermaßen umſchreiben. Die Farbe ſey ein elementares Naturphaͤnomen fuͤr den Sinn des Auges, das ſich, wie die uͤbrigen alle, durch Trennung und Gegenſatz, durch Miſchung und Vereinigung, durch Erhoͤhung und Neutraliſation, durch Mittheilung und Vertheilung und ſo weiter manifeſtirt, und unter dieſen allgemeinen Natur- formeln am beſten angeſchaut und begriffen werden kann. Dieſe Art ſich die Sache vorzuſtellen, koͤnnen wir Niemand aufdringen. Wer ſie bequem findet,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. XXXIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/45>, abgerufen am 26.11.2024.