auf dem rechten Wege ruhig hingingen und im Einzelnen Beobachtungen und Gedanken überliefert haben, die wir nicht besser anstellen können, nicht richtiger fassen werden.
Von demjenigen nun, der die Geschichte ir- gend eines Wissens überliefern will, können wir mit Recht verlangen, daß er uns Nachricht gebe, wie die Phänomene nach und nach bekannt gewor- den, was man darüber phantasirt, gewähnt, ge- meynt und gedacht habe. Dieses alles im Zusam- menhange vorzutragen, hat große Schwierigkeiten, und eine Geschichte zu schreiben ist immer eine be- denkliche Sache. Denn bey dem redlichsten Vor- satz kommt man in Gefahr unredlich zu seyn; ja wer eine solche Darstellung unternimmt erklärt zum voraus, daß er manches ins Licht, manches in Schatten setzen werde.
Und doch hat sich der Verfasser auf eine solche Arbeit lange gefreut. Da aber meist nur der
auf dem rechten Wege ruhig hingingen und im Einzelnen Beobachtungen und Gedanken uͤberliefert haben, die wir nicht beſſer anſtellen koͤnnen, nicht richtiger faſſen werden.
Von demjenigen nun, der die Geſchichte ir- gend eines Wiſſens uͤberliefern will, koͤnnen wir mit Recht verlangen, daß er uns Nachricht gebe, wie die Phaͤnomene nach und nach bekannt gewor- den, was man daruͤber phantaſirt, gewaͤhnt, ge- meynt und gedacht habe. Dieſes alles im Zuſam- menhange vorzutragen, hat große Schwierigkeiten, und eine Geſchichte zu ſchreiben iſt immer eine be- denkliche Sache. Denn bey dem redlichſten Vor- ſatz kommt man in Gefahr unredlich zu ſeyn; ja wer eine ſolche Darſtellung unternimmt erklaͤrt zum voraus, daß er manches ins Licht, manches in Schatten ſetzen werde.
Und doch hat ſich der Verfaſſer auf eine ſolche Arbeit lange gefreut. Da aber meiſt nur der
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[XXI/0027]
auf dem rechten Wege ruhig hingingen und im
Einzelnen Beobachtungen und Gedanken uͤberliefert
haben, die wir nicht beſſer anſtellen koͤnnen, nicht
richtiger faſſen werden.
Von demjenigen nun, der die Geſchichte ir-
gend eines Wiſſens uͤberliefern will, koͤnnen wir
mit Recht verlangen, daß er uns Nachricht gebe,
wie die Phaͤnomene nach und nach bekannt gewor-
den, was man daruͤber phantaſirt, gewaͤhnt, ge-
meynt und gedacht habe. Dieſes alles im Zuſam-
menhange vorzutragen, hat große Schwierigkeiten,
und eine Geſchichte zu ſchreiben iſt immer eine be-
denkliche Sache. Denn bey dem redlichſten Vor-
ſatz kommt man in Gefahr unredlich zu ſeyn; ja
wer eine ſolche Darſtellung unternimmt erklaͤrt zum
voraus, daß er manches ins Licht, manches in
Schatten ſetzen werde.
Und doch hat ſich der Verfaſſer auf eine ſolche
Arbeit lange gefreut. Da aber meiſt nur der
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. XXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/27>, abgerufen am 22.12.2024.
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