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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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durch die seltsamsten Galerien, Hallen und Gänge.
Alle Beschädigungen, es sey von Feindes Hand,
oder durch die Gewalt der Zeit, wurden gleich
wieder hergestellt. Man zog, wie es nöthig ward,
tiefere Gräben, erhöhte die Mauern, und ließ es
nicht an Thürmen, Erkern und Schießscharten
fehlen. Diese Sorgfalt, diese Bemühungen brach-
ten ein Vorurtheil von dem hohen Werthe der Fe-
stung hervor und erhielten's, obgleich Bau- und
Befestigungskunst die Zeit über sehr gestiegen wa-
ren, und man sich in andern Fällen viel bessere
Wohnungen und Waffenplätze einzurichten gelernt
hatte. Vorzüglich aber hielt man die alte Burg
in Ehren, weil sie niemals eingenommen worden,
weil sie so manchen Angriff abgeschlagen, manche
Befehdung vereitelt und sich immer als Jungfrau
gehalten hatte. Dieser Name, dieser Ruf dau-
ert noch bis jetzt. Niemanden fällt es auf, daß der
alte Bau unbewohnbar geworden. Immer wird
von seiner vortrefflichen Dauer, von seiner köstli-
chen Einrichtung gesprochen. Pilger wallfahrten

I. **

durch die ſeltſamſten Galerien, Hallen und Gaͤnge.
Alle Beſchaͤdigungen, es ſey von Feindes Hand,
oder durch die Gewalt der Zeit, wurden gleich
wieder hergeſtellt. Man zog, wie es noͤthig ward,
tiefere Graͤben, erhoͤhte die Mauern, und ließ es
nicht an Thuͤrmen, Erkern und Schießſcharten
fehlen. Dieſe Sorgfalt, dieſe Bemuͤhungen brach-
ten ein Vorurtheil von dem hohen Werthe der Fe-
ſtung hervor und erhielten’s, obgleich Bau- und
Befeſtigungskunſt die Zeit uͤber ſehr geſtiegen wa-
ren, und man ſich in andern Faͤllen viel beſſere
Wohnungen und Waffenplaͤtze einzurichten gelernt
hatte. Vorzuͤglich aber hielt man die alte Burg
in Ehren, weil ſie niemals eingenommen worden,
weil ſie ſo manchen Angriff abgeſchlagen, manche
Befehdung vereitelt und ſich immer als Jungfrau
gehalten hatte. Dieſer Name, dieſer Ruf dau-
ert noch bis jetzt. Niemanden faͤllt es auf, daß der
alte Bau unbewohnbar geworden. Immer wird
von ſeiner vortrefflichen Dauer, von ſeiner koͤſtli-
chen Einrichtung geſprochen. Pilger wallfahrten

I. **
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[XVII/0023] durch die ſeltſamſten Galerien, Hallen und Gaͤnge. Alle Beſchaͤdigungen, es ſey von Feindes Hand, oder durch die Gewalt der Zeit, wurden gleich wieder hergeſtellt. Man zog, wie es noͤthig ward, tiefere Graͤben, erhoͤhte die Mauern, und ließ es nicht an Thuͤrmen, Erkern und Schießſcharten fehlen. Dieſe Sorgfalt, dieſe Bemuͤhungen brach- ten ein Vorurtheil von dem hohen Werthe der Fe- ſtung hervor und erhielten’s, obgleich Bau- und Befeſtigungskunſt die Zeit uͤber ſehr geſtiegen wa- ren, und man ſich in andern Faͤllen viel beſſere Wohnungen und Waffenplaͤtze einzurichten gelernt hatte. Vorzuͤglich aber hielt man die alte Burg in Ehren, weil ſie niemals eingenommen worden, weil ſie ſo manchen Angriff abgeſchlagen, manche Befehdung vereitelt und ſich immer als Jungfrau gehalten hatte. Dieſer Name, dieſer Ruf dau- ert noch bis jetzt. Niemanden faͤllt es auf, daß der alte Bau unbewohnbar geworden. Immer wird von ſeiner vortrefflichen Dauer, von ſeiner koͤſtli- chen Einrichtung geſprochen. Pilger wallfahrten I. **

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/23>, abgerufen am 23.04.2024.