vielleicht zu heftig und leidenschaftlich scheinen möch- te; so erlaube man uns hier ein heiteres Gleich- niß, um jenen ernsteren Stoff vorzubereiten, und jene lebhafte Behandlung einigermaßen zu entschul- digen.
Wir vergleichen die Newtonische Farbentheorie mit einer alten Burg, welche von dem Erbauer anfangs mit jugendlicher Uebereilung angelegt, nach dem Bedürfniß der Zeit und Umstände jedoch nach und nach von ihm erweitert und ausgestattet, nicht weniger bey Anlaß von Fehden und Feindseligkei- ten immer mehr befestigt und gesichert worden.
So verfuhren auch seine Nachfolger und Er- ben. Man war genöthigt, das Gebäude zu ver- größern, hier daneben, hier daran, dort hin- aus zu bauen; genöthigt durch die Vermehrung innerer Bedürfnisse, durch die Zudringlichkeit äuße- rer Widersacher und durch manche Zufälligkeiten.
Alle diese fremdartigen Theile und Zuthaten mußten wieder in Verbindung gebracht werden
vielleicht zu heftig und leidenſchaftlich ſcheinen moͤch- te; ſo erlaube man uns hier ein heiteres Gleich- niß, um jenen ernſteren Stoff vorzubereiten, und jene lebhafte Behandlung einigermaßen zu entſchul- digen.
Wir vergleichen die Newtoniſche Farbentheorie mit einer alten Burg, welche von dem Erbauer anfangs mit jugendlicher Uebereilung angelegt, nach dem Beduͤrfniß der Zeit und Umſtaͤnde jedoch nach und nach von ihm erweitert und ausgeſtattet, nicht weniger bey Anlaß von Fehden und Feindſeligkei- ten immer mehr befeſtigt und geſichert worden.
So verfuhren auch ſeine Nachfolger und Er- ben. Man war genoͤthigt, das Gebaͤude zu ver- groͤßern, hier daneben, hier daran, dort hin- aus zu bauen; genoͤthigt durch die Vermehrung innerer Beduͤrfniſſe, durch die Zudringlichkeit aͤuße- rer Widerſacher und durch manche Zufaͤlligkeiten.
Alle dieſe fremdartigen Theile und Zuthaten mußten wieder in Verbindung gebracht werden
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[XVI/0022]
vielleicht zu heftig und leidenſchaftlich ſcheinen moͤch-
te; ſo erlaube man uns hier ein heiteres Gleich-
niß, um jenen ernſteren Stoff vorzubereiten, und
jene lebhafte Behandlung einigermaßen zu entſchul-
digen.
Wir vergleichen die Newtoniſche Farbentheorie
mit einer alten Burg, welche von dem Erbauer
anfangs mit jugendlicher Uebereilung angelegt, nach
dem Beduͤrfniß der Zeit und Umſtaͤnde jedoch nach
und nach von ihm erweitert und ausgeſtattet, nicht
weniger bey Anlaß von Fehden und Feindſeligkei-
ten immer mehr befeſtigt und geſichert worden.
So verfuhren auch ſeine Nachfolger und Er-
ben. Man war genoͤthigt, das Gebaͤude zu ver-
groͤßern, hier daneben, hier daran, dort hin-
aus zu bauen; genoͤthigt durch die Vermehrung
innerer Beduͤrfniſſe, durch die Zudringlichkeit aͤuße-
rer Widerſacher und durch manche Zufaͤlligkeiten.
Alle dieſe fremdartigen Theile und Zuthaten
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. XVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/22>, abgerufen am 25.04.2024.
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