aber durch einen verstärkten Boden so schwer, dass der ununterrichtete Gast den Wein verschüttet, wo nicht gar den Be- cher, zu höchster Belustigung des Herrn und der Eingeweihten, fallen lässt. Und so trinkt man im Kreise herum, bis einer, unfähig länger sich auf den Füssen zu hal- ten, weggeführt wird, oder zur rechten Zeit hinwegschleicht. Beym Abschied wird dem Kaiser keine Ehrerbietung erzeigt, ei- ner verliert sich nach dem andern, bis zu- letzt der Herrscher allein bleibt, einer me- lancholischen Musik noch eine Zeitlang zu- hört und sich endlich auch zur Ruhe be- giebt. Noch seltsamere Geschichten wer- den aus dem Harem erzählt, wo die Frauen ihren Beherrscher kitzeln, sich mit ihm balgen, ihn auf den Teppich zu bringen su- chen, wobey er sich, unter grossem Geläch- ter, nur mit Schimpfreden zu helfen und zu rächen sucht.
Indem wir nun dergleichen lustige Din- ge von den innern Unterhaltungen des Kai- serlichen Harems vernehmen, so dürfen wir nicht denken, dass der Fürst und sein Staats- Divan müssig oder nachlässig geblieben.
aber durch einen verstärkten Boden so schwer, daſs der ununterrichtete Gast den Wein verschüttet, wo nicht gar den Be- cher, zu höchster Belustigung des Herrn und der Eingeweihten, fallen läſst. Und so trinkt man im Kreise herum, bis einer, unfähig länger sich auf den Füſsen zu hal- ten, weggeführt wird, oder zur rechten Zeit hinwegschleicht. Beym Abschied wird dem Kaiser keine Ehrerbietung erzeigt, ei- ner verliert sich nach dem andern, bis zu- letzt der Herrscher allein bleibt, einer me- lancholischen Musik noch eine Zeitlang zu- hört und sich endlich auch zur Ruhe be- giebt. Noch seltsamere Geschichten wer- den aus dem Harem erzählt, wo die Frauen ihren Beherrscher kitzeln, sich mit ihm balgen, ihn auf den Teppich zu bringen su- chen, wobey er sich, unter groſsem Geläch- ter, nur mit Schimpfreden zu helfen und zu rächen sucht.
Indem wir nun dergleichen lustige Din- ge von den innern Unterhaltungen des Kai- serlichen Harems vernehmen, so dürfen wir nicht denken, daſs der Fürst und sein Staats- Divan müssig oder nachlässig geblieben.
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[475[477]/0487]
aber durch einen verstärkten Boden so
schwer, daſs der ununterrichtete Gast den
Wein verschüttet, wo nicht gar den Be-
cher, zu höchster Belustigung des Herrn
und der Eingeweihten, fallen läſst. Und
so trinkt man im Kreise herum, bis einer,
unfähig länger sich auf den Füſsen zu hal-
ten, weggeführt wird, oder zur rechten
Zeit hinwegschleicht. Beym Abschied wird
dem Kaiser keine Ehrerbietung erzeigt, ei-
ner verliert sich nach dem andern, bis zu-
letzt der Herrscher allein bleibt, einer me-
lancholischen Musik noch eine Zeitlang zu-
hört und sich endlich auch zur Ruhe be-
giebt. Noch seltsamere Geschichten wer-
den aus dem Harem erzählt, wo die Frauen
ihren Beherrscher kitzeln, sich mit ihm
balgen, ihn auf den Teppich zu bringen su-
chen, wobey er sich, unter groſsem Geläch-
ter, nur mit Schimpfreden zu helfen und
zu rächen sucht.
Indem wir nun dergleichen lustige Din-
ge von den innern Unterhaltungen des Kai-
serlichen Harems vernehmen, so dürfen wir
nicht denken, daſs der Fürst und sein Staats-
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 475[477]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/487>, abgerufen am 22.11.2024.
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