ihren eigenen Zustand, worin es ihnen we- der an Sicherheit ermangelt noch an Beha- gen, und sind nicht allein willig, sondern stolz sich vor einem erhöhten Manne zu de- müthigen, wenn sie in der Grösse seiner Macht Zuflucht finden und Schutz gegen grösseres unterdrückendes Uebel."
Gleichfalls lässt sich ein deutscher Re- censent geist- und kenntnissreich also ver- nehmen:
"Der Verfasser, allerdings Bewunderer des hohen Schwungs der Panegyriker dieses Zeitraums, tadelt zugleich mit Recht die sich im Ueberschwung der Lobpreisungen vergeudende Kraft edler Gemüther, und die Erniedrigung der Charakterwürde, welche diess gewöhnlich zur Folge hat. Allein es muss gleichwohl bemerkt werden dass in dem, in vielfachem Schmucke reicher Voll- endung aufgeführten, Kunstgebäude eines ächt poetischen Volkes panegyrische Dich- tung eben so wesentlich ist, als die satyri- sche, mit welcher sie nur den Gegensatz bildet, dessen Auflösung sich sodann ent- weder in der moralischen Dichtung, der ruhigen Richterin menschlicher Vorzüge
ihren eigenen Zustand, worin es ihnen we- der an Sicherheit ermangelt noch an Beha- gen, und sind nicht allein willig, sondern stolz sich vor einem erhöhten Manne zu de- müthigen, wenn sie in der Gröſse seiner Macht Zuflucht finden und Schutz gegen gröſseres unterdrückendes Uebel.“
Gleichfalls läſst sich ein deutscher Re- censent geist- und kenntniſsreich also ver- nehmen:
„Der Verfasser, allerdings Bewunderer des hohen Schwungs der Panegyriker dieses Zeitraums, tadelt zugleich mit Recht die sich im Ueberschwung der Lobpreisungen vergeudende Kraft edler Gemüther, und die Erniedrigung der Charakterwürde, welche dieſs gewöhnlich zur Folge hat. Allein es muſs gleichwohl bemerkt werden daſs in dem, in vielfachem Schmucke reicher Voll- endung aufgeführten, Kunstgebäude eines ächt poetischen Volkes panegyrische Dich- tung eben so wesentlich ist, als die satyri- sche, mit welcher sie nur den Gegensatz bildet, dessen Auflösung sich sodann ent- weder in der moralischen Dichtung, der ruhigen Richterin menschlicher Vorzüge
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ihren eigenen Zustand, worin es ihnen we-
der an Sicherheit ermangelt noch an Beha-
gen, und sind nicht allein willig, sondern
stolz sich vor einem erhöhten Manne zu de-
müthigen, wenn sie in der Gröſse seiner
Macht Zuflucht finden und Schutz gegen
gröſseres unterdrückendes Uebel.“
Gleichfalls läſst sich ein deutscher Re-
censent geist- und kenntniſsreich also ver-
nehmen:
„Der Verfasser, allerdings Bewunderer
des hohen Schwungs der Panegyriker dieses
Zeitraums, tadelt zugleich mit Recht die
sich im Ueberschwung der Lobpreisungen
vergeudende Kraft edler Gemüther, und die
Erniedrigung der Charakterwürde, welche
dieſs gewöhnlich zur Folge hat. Allein es
muſs gleichwohl bemerkt werden daſs in
dem, in vielfachem Schmucke reicher Voll-
endung aufgeführten, Kunstgebäude eines
ächt poetischen Volkes panegyrische Dich-
tung eben so wesentlich ist, als die satyri-
sche, mit welcher sie nur den Gegensatz
bildet, dessen Auflösung sich sodann ent-
weder in der moralischen Dichtung, der
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/357>, abgerufen am 04.12.2024.
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