tischen Nationen immer einerley Charakter und bewegt sich beynahe in demselben Ver- lauf. Denn die geringen Unterschiede, welche des Menschen Staatswerth und Würde bezeichnen, sind bloss von des Despoten persönlicher Gemüthsart abhängig und von dessen Macht, ja öfters mehr von dieser als jener. Kann doch kein Land zum Glück gedeihen, das fortwährend dem Krieg aus- gesetzt ist, wie es von der frühsten Zeit an das Schicksal aller östlichen schwäche- ren Königreiche gewesen. Daraus folgt dass die grösste Glückseligkeit, deren die Masse unter unumschränkter Herrschaft ge- niessen kann, sich aus der Gewalt und dem Ruf ihres Monarchen herschreibe, so wie das Wohlbehagen, worin sich dessen Un- terthanen einigermassen erfreuen, wesent- lich auf den Stolz begründet ist, zu dem ein solcher Fürst sie erhebt."
"Wir dürfen daher nicht bloss an nie- drige und verkäufliche Gesinnungen denken, wenn die Schmeicheley uns auffällt, welche sie dem Fürsten erzeigen. Fühllos gegen den Werth der Freyheit, unbekannt mit allen übrigen Regierungsformen, rühmen sie
tischen Nationen immer einerley Charakter und bewegt sich beynahe in demselben Ver- lauf. Denn die geringen Unterschiede, welche des Menschen Staatswerth und Würde bezeichnen, sind bloſs von des Despoten persönlicher Gemüthsart abhängig und von dessen Macht, ja öfters mehr von dieser als jener. Kann doch kein Land zum Glück gedeihen, das fortwährend dem Krieg aus- gesetzt ist, wie es von der frühsten Zeit an das Schicksal aller östlichen schwäche- ren Königreiche gewesen. Daraus folgt daſs die gröſste Glückseligkeit, deren die Masse unter unumschränkter Herrschaft ge- nieſsen kann, sich aus der Gewalt und dem Ruf ihres Monarchen herschreibe, so wie das Wohlbehagen, worin sich dessen Un- terthanen einigermaſsen erfreuen, wesent- lich auf den Stolz begründet ist, zu dem ein solcher Fürst sie erhebt.“
„Wir dürfen daher nicht bloſs an nie- drige und verkäufliche Gesinnungen denken, wenn die Schmeicheley uns auffällt, welche sie dem Fürsten erzeigen. Fühllos gegen den Werth der Freyheit, unbekannt mit allen übrigen Regierungsformen, rühmen sie
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tischen Nationen immer einerley Charakter
und bewegt sich beynahe in demselben Ver-
lauf. Denn die geringen Unterschiede,
welche des Menschen Staatswerth und Würde
bezeichnen, sind bloſs von des Despoten
persönlicher Gemüthsart abhängig und von
dessen Macht, ja öfters mehr von dieser
als jener. Kann doch kein Land zum Glück
gedeihen, das fortwährend dem Krieg aus-
gesetzt ist, wie es von der frühsten Zeit
an das Schicksal aller östlichen schwäche-
ren Königreiche gewesen. Daraus folgt
daſs die gröſste Glückseligkeit, deren die
Masse unter unumschränkter Herrschaft ge-
nieſsen kann, sich aus der Gewalt und dem
Ruf ihres Monarchen herschreibe, so wie
das Wohlbehagen, worin sich dessen Un-
terthanen einigermaſsen erfreuen, wesent-
lich auf den Stolz begründet ist, zu dem
ein solcher Fürst sie erhebt.“
„Wir dürfen daher nicht bloſs an nie-
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/356>, abgerufen am 04.12.2024.
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