unfreundliche Natur sich wahren muß, drängt der innere verschlossene Geist die Fühlhörner hinaus in die weite freye Umgebung, und es ist rührend zu se- hen, wie er um sich tastend, und Alles umher begrei- fend, und nach allen Richtungen sich windend, nach Weltanschauung ringt, und auch sich ergötzen mögte in dem freundlichen Strahl, der die Seele aller Crea- turen ist. Es ist daher ein anderer Hunger und ein anderer Durst, als jener blos sinnliche, der hier sich im Volke regt; nicht nach körperlicher Speise sehnt er sich, damit er in Leibliches sie wandle, sondern nach dem höheren Geiste lüstert ihn, den der Genius ausgegossen aus seiner Schaale in die rohe Materie, und der als ihre Seele sie sich nun zugestaltet hat. In die Tiefe zieht das Thier im Menschen die Lei- besnahrung zu sich nieder, und wiederkäuend und assimilirend die Lebenslymphe erstarkt es, und gewinnt Breite und Raum auf Erden; aber der Gott im Menschen mag nur den feinsten Wohlgeruch der Dinge, den zarten Duft, der aus ihnen unbegreiflich und un- sichtbar athmet, er nährt sich nur mit den Lebens- geistern, die im Innersten der Wesen verborgen woh- nen, die er dann einsaugt mit allen Nerven, und sich aneignet als eines höheren Himmels Speise, und in der Aneignung selbst verklärt. Dieser Geist muß sich
unfreundliche Natur ſich wahren muß, drängt der innere verſchloſſene Geiſt die Fühlhörner hinaus in die weite freye Umgebung, und es iſt rührend zu ſe- hen, wie er um ſich taſtend, und Alles umher begrei- fend, und nach allen Richtungen ſich windend, nach Weltanſchauung ringt, und auch ſich ergötzen mögte in dem freundlichen Strahl, der die Seele aller Crea- turen iſt. Es iſt daher ein anderer Hunger und ein anderer Durſt, als jener blos ſinnliche, der hier ſich im Volke regt; nicht nach körperlicher Speiſe ſehnt er ſich, damit er in Leibliches ſie wandle, ſondern nach dem höheren Geiſte lüſtert ihn, den der Genius ausgegoſſen aus ſeiner Schaale in die rohe Materie, und der als ihre Seele ſie ſich nun zugeſtaltet hat. In die Tiefe zieht das Thier im Menſchen die Lei- besnahrung zu ſich nieder, und wiederkäuend und aſſimilirend die Lebenslymphe erſtarkt es, und gewinnt Breite und Raum auf Erden; aber der Gott im Menſchen mag nur den feinſten Wohlgeruch der Dinge, den zarten Duft, der aus ihnen unbegreiflich und un- ſichtbar athmet, er nährt ſich nur mit den Lebens- geiſtern, die im Innerſten der Weſen verborgen woh- nen, die er dann einſaugt mit allen Nerven, und ſich aneignet als eines höheren Himmels Speiſe, und in der Aneignung ſelbſt verklärt. Dieſer Geiſt muß ſich
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unfreundliche Natur ſich wahren muß, drängt der
innere verſchloſſene Geiſt die Fühlhörner hinaus in
die weite freye Umgebung, und es iſt rührend zu ſe-
hen, wie er um ſich taſtend, und Alles umher begrei-
fend, und nach allen Richtungen ſich windend, nach
Weltanſchauung ringt, und auch ſich ergötzen mögte
in dem freundlichen Strahl, der die Seele aller Crea-
turen iſt. Es iſt daher ein anderer Hunger und ein
anderer Durſt, als jener blos ſinnliche, der hier ſich
im Volke regt; nicht nach körperlicher Speiſe ſehnt
er ſich, damit er in Leibliches ſie wandle, ſondern
nach dem höheren Geiſte lüſtert ihn, den der Genius
ausgegoſſen aus ſeiner Schaale in die rohe Materie,
und der als ihre Seele ſie ſich nun zugeſtaltet hat.
In die Tiefe zieht das Thier im Menſchen die Lei-
besnahrung zu ſich nieder, und wiederkäuend und
aſſimilirend die Lebenslymphe erſtarkt es, und gewinnt
Breite und Raum auf Erden; aber der Gott im
Menſchen mag nur den feinſten Wohlgeruch der Dinge,
den zarten Duft, der aus ihnen unbegreiflich und un-
ſichtbar athmet, er nährt ſich nur mit den Lebens-
geiſtern, die im Innerſten der Weſen verborgen woh-
nen, die er dann einſaugt mit allen Nerven, und ſich
aneignet als eines höheren Himmels Speiſe, und in
der Aneignung ſelbſt verklärt. Dieſer Geiſt muß ſich
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/31>, abgerufen am 24.11.2024.
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