vom Thiere losgerungen haben, zum Centauren muß das rein Thierische sich hinaufgesteigert haben, in dem das Menschliche siegreich das Animalische über- ragt und bändigt, wenn irgend der Drang nach jener feinern Nahrung in ihm lebendig werden soll. Daß aber im Volke jener Drang und die Mittel zu seiner Befriedigung sich finden, beweißt eben, daß in ihm längst schon jene Umwandlung vorgegangen ist; daß es längst schon die Region der dumpfen Stupidität verlassen hat, in die seine Verhältnisse es unlösbar gefesselt zu haben scheinen; daß nun in den untersten Classen der Gesellschaft das Bessere siegreich sich offen- hart, und daß oben auf dem durch und durch sinn- lichen Körper ein menschlich Antlitz entsprossen ist, das über die wagrechte Thierlinie sich erhebend hin- aufstrebt zum Himmel, und Anderes denn das Ir- dische schon sucht und kennt.
Auf zwiefach verschiedene Weise aber hat jene in- nere im Volke wach gewordene Poesie sich im Volke sebst geäußert. Einmal im Volkslied, in dem die jugendliche Menschenstimme zuerst thierischem Gebelle entblüht, wie der Schmetterling der Chrysalide, in un- gekünstelten Intonationen die Tonleiter auf- und nie- dersteigend freudig sich versuchte, und in dem die ersten Naturaccente klangen, in die das verlangende, freudige,
vom Thiere losgerungen haben, zum Centauren muß das rein Thieriſche ſich hinaufgeſteigert haben, in dem das Menſchliche ſiegreich das Animaliſche über- ragt und bändigt, wenn irgend der Drang nach jener feinern Nahrung in ihm lebendig werden ſoll. Daß aber im Volke jener Drang und die Mittel zu ſeiner Befriedigung ſich finden, beweißt eben, daß in ihm längſt ſchon jene Umwandlung vorgegangen iſt; daß es längſt ſchon die Region der dumpfen Stupidität verlaſſen hat, in die ſeine Verhältniſſe es unlösbar gefeſſelt zu haben ſcheinen; daß nun in den unterſten Claſſen der Geſellſchaft das Beſſere ſiegreich ſich offen- hart, und daß oben auf dem durch und durch ſinn- lichen Körper ein menſchlich Antlitz entſproſſen iſt, das über die wagrechte Thierlinie ſich erhebend hin- aufſtrebt zum Himmel, und Anderes denn das Ir- diſche ſchon ſucht und kennt.
Auf zwiefach verſchiedene Weiſe aber hat jene in- nere im Volke wach gewordene Poeſie ſich im Volke ſebſt geäußert. Einmal im Volkslied, in dem die jugendliche Menſchenſtimme zuerſt thieriſchem Gebelle entblüht, wie der Schmetterling der Chryſalide, in un- gekünſtelten Intonationen die Tonleiter auf- und nie- derſteigend freudig ſich verſuchte, und in dem die erſten Naturaccente klangen, in die das verlangende, freudige,
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vom Thiere losgerungen haben, zum Centauren muß
das rein Thieriſche ſich hinaufgeſteigert haben, in
dem das Menſchliche ſiegreich das Animaliſche über-
ragt und bändigt, wenn irgend der Drang nach jener
feinern Nahrung in ihm lebendig werden ſoll. Daß
aber im Volke jener Drang und die Mittel zu ſeiner
Befriedigung ſich finden, beweißt eben, daß in ihm
längſt ſchon jene Umwandlung vorgegangen iſt; daß
es längſt ſchon die Region der dumpfen Stupidität
verlaſſen hat, in die ſeine Verhältniſſe es unlösbar
gefeſſelt zu haben ſcheinen; daß nun in den unterſten
Claſſen der Geſellſchaft das Beſſere ſiegreich ſich offen-
hart, und daß oben auf dem durch und durch ſinn-
lichen Körper ein menſchlich Antlitz entſproſſen iſt,
das über die wagrechte Thierlinie ſich erhebend hin-
aufſtrebt zum Himmel, und Anderes denn das Ir-
diſche ſchon ſucht und kennt.
Auf zwiefach verſchiedene Weiſe aber hat jene in-
nere im Volke wach gewordene Poeſie ſich im Volke
ſebſt geäußert. Einmal im Volkslied, in dem die
jugendliche Menſchenſtimme zuerſt thieriſchem Gebelle
entblüht, wie der Schmetterling der Chryſalide, in un-
gekünſtelten Intonationen die Tonleiter auf- und nie-
derſteigend freudig ſich verſuchte, und in dem die erſten
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/32>, abgerufen am 24.11.2024.
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