Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

alle Fehler wieder aus. Was aber diese Probe besteht,
was Allen zusagt, Individuen und Geschlechtern,
was Allen, eine widerhaltende, kräftige Nahrung
giebt, wie Brod, das muß nothwendig Brodeskraft in
sich besitzen, und lebensstärkend seyn. Wenn daher
auch der Zufall bei der Wahl dieser Schriften gewal-
tet zu haben scheint, indem man dem Volke sie gebo-
ten, bey der Aufnahme hat er keineswegs vorgeherrscht;
ein großes fortdauerndes Bedürfniß muß im Volk
bestehen, dem jede Einzelne für sich zusagt, und
das daher fortdauernd sie erhält: nur gerade das
Schlechte mag durch den Zufall oben schwimmend
eine Weile erhalten werden, muß aber nothwendig auch
über lang oder kurz von ihm zerrieben werden. Und
dies Bedürfniß ist gerade das unvertilgbar der mensch-
lichen Ratur eingepflanzte Streben, zu sättigen den
Geist mit Gedanken, und mit Empfindungen das Ge-
müth; ein Streben, das gerade am überraschendsten
auf dieser Stufe siegreich sich offenbart, wo es schei-
nen sollte, als ob der dunkle sinnliche Trieb, und die
Lust, die mit seiner glücklichen Befriedigung verbun-
den ist, alle die Kräfte fesseln müßte, deren Spiel-
raum in Regionen fällt, wo das körperliche Bedürf-
niß nichts zu suchen hat. Aber durchbrechend durch
die feste Corallenrinde, in der das Leben gegen die

alle Fehler wieder aus. Was aber dieſe Probe beſteht,
was Allen zuſagt, Individuen und Geſchlechtern,
was Allen, eine widerhaltende, kräftige Nahrung
giebt, wie Brod, das muß nothwendig Brodeskraft in
ſich beſitzen, und lebensſtärkend ſeyn. Wenn daher
auch der Zufall bei der Wahl dieſer Schriften gewal-
tet zu haben ſcheint, indem man dem Volke ſie gebo-
ten, bey der Aufnahme hat er keineswegs vorgeherrſcht;
ein großes fortdauerndes Bedürfniß muß im Volk
beſtehen, dem jede Einzelne für ſich zuſagt, und
das daher fortdauernd ſie erhält: nur gerade das
Schlechte mag durch den Zufall oben ſchwimmend
eine Weile erhalten werden, muß aber nothwendig auch
über lang oder kurz von ihm zerrieben werden. Und
dies Bedürfniß iſt gerade das unvertilgbar der menſch-
lichen Ratur eingepflanzte Streben, zu ſättigen den
Geiſt mit Gedanken, und mit Empfindungen das Ge-
müth; ein Streben, das gerade am überraſchendſten
auf dieſer Stufe ſiegreich ſich offenbart, wo es ſchei-
nen ſollte, als ob der dunkle ſinnliche Trieb, und die
Luſt, die mit ſeiner glücklichen Befriedigung verbun-
den iſt, alle die Kräfte feſſeln müßte, deren Spiel-
raum in Regionen fällt, wo das körperliche Bedürf-
niß nichts zu ſuchen hat. Aber durchbrechend durch
die feſte Corallenrinde, in der das Leben gegen die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0030" n="12"/>
alle Fehler wieder aus. Was aber die&#x017F;e Probe be&#x017F;teht,<lb/>
was Allen zu&#x017F;agt, Individuen und Ge&#x017F;chlechtern,<lb/>
was Allen, eine widerhaltende, kräftige Nahrung<lb/>
giebt, wie Brod, das muß nothwendig Brodeskraft in<lb/>
&#x017F;ich be&#x017F;itzen, und lebens&#x017F;tärkend &#x017F;eyn. Wenn daher<lb/>
auch der Zufall bei der Wahl die&#x017F;er Schriften gewal-<lb/>
tet zu haben &#x017F;cheint, indem man dem Volke &#x017F;ie gebo-<lb/>
ten, bey der Aufnahme hat er keineswegs vorgeherr&#x017F;cht;<lb/>
ein großes fortdauerndes Bedürfniß muß im Volk<lb/>
be&#x017F;tehen, dem jede Einzelne für &#x017F;ich zu&#x017F;agt, und<lb/>
das daher fortdauernd &#x017F;ie erhält: nur gerade das<lb/>
Schlechte mag durch den Zufall oben &#x017F;chwimmend<lb/>
eine Weile erhalten werden, muß aber nothwendig auch<lb/>
über lang oder kurz von ihm zerrieben werden. Und<lb/>
dies Bedürfniß i&#x017F;t gerade das unvertilgbar der men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Ratur eingepflanzte Streben, zu &#x017F;ättigen den<lb/>
Gei&#x017F;t mit Gedanken, und mit Empfindungen das Ge-<lb/>
müth; ein Streben, das gerade am überra&#x017F;chend&#x017F;ten<lb/>
auf die&#x017F;er Stufe &#x017F;iegreich &#x017F;ich offenbart, wo es &#x017F;chei-<lb/>
nen &#x017F;ollte, als ob der dunkle &#x017F;innliche Trieb, und die<lb/>
Lu&#x017F;t, die mit &#x017F;einer glücklichen Befriedigung verbun-<lb/>
den i&#x017F;t, alle die Kräfte fe&#x017F;&#x017F;eln müßte, deren Spiel-<lb/>
raum in Regionen fällt, wo das körperliche Bedürf-<lb/>
niß nichts zu &#x017F;uchen hat. Aber durchbrechend durch<lb/>
die fe&#x017F;te Corallenrinde, in der das Leben gegen die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0030] alle Fehler wieder aus. Was aber dieſe Probe beſteht, was Allen zuſagt, Individuen und Geſchlechtern, was Allen, eine widerhaltende, kräftige Nahrung giebt, wie Brod, das muß nothwendig Brodeskraft in ſich beſitzen, und lebensſtärkend ſeyn. Wenn daher auch der Zufall bei der Wahl dieſer Schriften gewal- tet zu haben ſcheint, indem man dem Volke ſie gebo- ten, bey der Aufnahme hat er keineswegs vorgeherrſcht; ein großes fortdauerndes Bedürfniß muß im Volk beſtehen, dem jede Einzelne für ſich zuſagt, und das daher fortdauernd ſie erhält: nur gerade das Schlechte mag durch den Zufall oben ſchwimmend eine Weile erhalten werden, muß aber nothwendig auch über lang oder kurz von ihm zerrieben werden. Und dies Bedürfniß iſt gerade das unvertilgbar der menſch- lichen Ratur eingepflanzte Streben, zu ſättigen den Geiſt mit Gedanken, und mit Empfindungen das Ge- müth; ein Streben, das gerade am überraſchendſten auf dieſer Stufe ſiegreich ſich offenbart, wo es ſchei- nen ſollte, als ob der dunkle ſinnliche Trieb, und die Luſt, die mit ſeiner glücklichen Befriedigung verbun- den iſt, alle die Kräfte feſſeln müßte, deren Spiel- raum in Regionen fällt, wo das körperliche Bedürf- niß nichts zu ſuchen hat. Aber durchbrechend durch die feſte Corallenrinde, in der das Leben gegen die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/30
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/30>, abgerufen am 24.11.2024.