Accorde durch, die nordischer Geist ihnen eingegeben hatte: während die Provencalen der Lyrik sich zuwan- den, trat hier mehr herrschend das Epische hervor. Denn wie die Provencalen die Spanier in ihren Bund aufgenommen hatten, so kamen diese Dichter unmittel- bar von der Hälfte des eilften Jahrhunderts an, nach der Eroberung von England, mit dem Volke dieses Landes in Verkehr, gaben Impulse und empfiengen welche, und dort, wo früher schon die caledonischen Bar- den gesungen hatten, wo die Poesie vielleicht nie ganz ausgestorben war, blühte sie nun von neuem in den Mynstrels auf, und es war ein neuer Grundton zu dem großen Chorgesang hinzugekommen. Und es dran- gen die Provencalen auch über die Alpen vor, und trafen in Italien auf einländische, eigenthümliche, genuine Kunst und Poesie, und vermischten sich mit ihr, und wie später die Normannen in Sizilien sich festsetzten, drangen auch die nordischen Radiationen von Süden wieder reflectirt nach Norden hinauf, und über den Trümmern der alten Zeit durchkreuzten sich alle die mannigfaltigen Bestrebungen, und sogen vom Geiste des Alterthumes ein, der noch aus den Ruinen erquik- kend und belebend dampfte, und es erklang abermal ein neuer Grundaccord, und schmiegte sich den andern bei, und lauter rauschte der Gesang einher. Auch
Accorde durch, die nordiſcher Geiſt ihnen eingegeben hatte: während die Provençalen der Lyrik ſich zuwan- den, trat hier mehr herrſchend das Epiſche hervor. Denn wie die Provençalen die Spanier in ihren Bund aufgenommen hatten, ſo kamen dieſe Dichter unmittel- bar von der Hälfte des eilften Jahrhunderts an, nach der Eroberung von England, mit dem Volke dieſes Landes in Verkehr, gaben Impulſe und empfiengen welche, und dort, wo früher ſchon die caledoniſchen Bar- den geſungen hatten, wo die Poeſie vielleicht nie ganz ausgeſtorben war, blühte ſie nun von neuem in den Mynstrels auf, und es war ein neuer Grundton zu dem großen Chorgeſang hinzugekommen. Und es dran- gen die Provençalen auch über die Alpen vor, und trafen in Italien auf einländiſche, eigenthümliche, genuine Kunſt und Poeſie, und vermiſchten ſich mit ihr, und wie ſpäter die Normannen in Sizilien ſich feſtſetzten, drangen auch die nordiſchen Radiationen von Süden wieder reflectirt nach Norden hinauf, und über den Trümmern der alten Zeit durchkreuzten ſich alle die mannigfaltigen Beſtrebungen, und ſogen vom Geiſte des Alterthumes ein, der noch aus den Ruinen erquik- kend und belebend dampfte, und es erklang abermal ein neuer Grundaccord, und ſchmiegte ſich den andern bei, und lauter rauſchte der Geſang einher. Auch
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Accorde durch, die nordiſcher Geiſt ihnen eingegeben
hatte: während die Provençalen der Lyrik ſich zuwan-
den, trat hier mehr herrſchend das Epiſche hervor.
Denn wie die Provençalen die Spanier in ihren Bund
aufgenommen hatten, ſo kamen dieſe Dichter unmittel-
bar von der Hälfte des eilften Jahrhunderts an, nach
der Eroberung von England, mit dem Volke dieſes Landes
in Verkehr, gaben Impulſe und empfiengen welche,
und dort, wo früher ſchon die caledoniſchen Bar-
den geſungen hatten, wo die Poeſie vielleicht nie ganz
ausgeſtorben war, blühte ſie nun von neuem in den
Mynstrels auf, und es war ein neuer Grundton zu
dem großen Chorgeſang hinzugekommen. Und es dran-
gen die Provençalen auch über die Alpen vor, und
trafen in Italien auf einländiſche, eigenthümliche,
genuine Kunſt und Poeſie, und vermiſchten ſich mit
ihr, und wie ſpäter die Normannen in Sizilien ſich
feſtſetzten, drangen auch die nordiſchen Radiationen
von Süden wieder reflectirt nach Norden hinauf, und
über den Trümmern der alten Zeit durchkreuzten ſich alle
die mannigfaltigen Beſtrebungen, und ſogen vom Geiſte
des Alterthumes ein, der noch aus den Ruinen erquik-
kend und belebend dampfte, und es erklang abermal
ein neuer Grundaccord, und ſchmiegte ſich den andern
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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