Cid's Schlachtruf dem Kriegsgeschrei voran, und wieder tiefe Stille und durch die Ruhe Lautenton und der Romanze wunderbarer, gedämpfter Schall, gleich unterirdischer Wasser Rauschen; dann wieder Glocken- ruf und Hymnenfeyer, orientalisch Liebesschmachten und Gegirre unter Brunnenrieseln, und wieder Lanzen- sausen, Todtenklage, Siegsgeschrei. So war das Leben diesem Volke eine große Schule, es hatte ein herrlich, göttlich Heldenthum im Kampfe mit den Hei- den sich errungen, damit trat es in sich vollendet in den Völkerkreis, und es klangen die Gesänge mit den Gesängen der Provencalen in eins zusammen; es waren versunken für die Kunst die Pyrenäen, und die Castilianer, und Catalonen und die Arragonier, Alle bildeten sie mit jenen südfranzösischen Dichtern nur einen Chor; und es war ein Leben nur in ihnen und eine Harmonie und ein Wetteifer; und das Reich der Poesie war wie der Kirche Reich nicht an die politischen Gränzen gebunden, sondern reichte hoch oben durch die Lüfte und das Firmament über alle Völker her. Auch im Norden hatte derselbe Geist gezündet, jenseits der Loire in der Rormandie und Bretagne war ein eigner Dichterstamm, die Trouveurs, hervorgegangen; und es klangen in ihnen die Töne der südlichen Sänger weiter, aber durch die Töne rauschten hörbar andere
Cid’s Schlachtruf dem Kriegsgeſchrei voran, und wieder tiefe Stille und durch die Ruhe Lautenton und der Romanze wunderbarer, gedämpfter Schall, gleich unterirdiſcher Waſſer Rauſchen; dann wieder Glocken- ruf und Hymnenfeyer, orientaliſch Liebesſchmachten und Gegirre unter Brunnenrieſeln, und wieder Lanzen- ſauſen, Todtenklage, Siegsgeſchrei. So war das Leben dieſem Volke eine große Schule, es hatte ein herrlich, göttlich Heldenthum im Kampfe mit den Hei- den ſich errungen, damit trat es in ſich vollendet in den Völkerkreis, und es klangen die Geſänge mit den Geſängen der Provençalen in eins zuſammen; es waren verſunken für die Kunſt die Pyrenäen, und die Caſtilianer, und Catalonen und die Arragonier, Alle bildeten ſie mit jenen ſüdfranzöſiſchen Dichtern nur einen Chor; und es war ein Leben nur in ihnen und eine Harmonie und ein Wetteifer; und das Reich der Poeſie war wie der Kirche Reich nicht an die politiſchen Gränzen gebunden, ſondern reichte hoch oben durch die Lüfte und das Firmament über alle Völker her. Auch im Norden hatte derſelbe Geiſt gezündet, jenſeits der Loire in der Rormandie und Bretagne war ein eigner Dichterſtamm, die Trouveurs, hervorgegangen; und es klangen in ihnen die Töne der ſüdlichen Sänger weiter, aber durch die Töne rauſchten hörbar andere
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Cid’s Schlachtruf dem Kriegsgeſchrei voran, und
wieder tiefe Stille und durch die Ruhe Lautenton und
der Romanze wunderbarer, gedämpfter Schall, gleich
unterirdiſcher Waſſer Rauſchen; dann wieder Glocken-
ruf und Hymnenfeyer, orientaliſch Liebesſchmachten
und Gegirre unter Brunnenrieſeln, und wieder Lanzen-
ſauſen, Todtenklage, Siegsgeſchrei. So war das
Leben dieſem Volke eine große Schule, es hatte ein
herrlich, göttlich Heldenthum im Kampfe mit den Hei-
den ſich errungen, damit trat es in ſich vollendet in
den Völkerkreis, und es klangen die Geſänge mit den
Geſängen der Provençalen in eins zuſammen; es
waren verſunken für die Kunſt die Pyrenäen, und die
Caſtilianer, und Catalonen und die Arragonier, Alle
bildeten ſie mit jenen ſüdfranzöſiſchen Dichtern nur
einen Chor; und es war ein Leben nur in ihnen und
eine Harmonie und ein Wetteifer; und das Reich der
Poeſie war wie der Kirche Reich nicht an die politiſchen
Gränzen gebunden, ſondern reichte hoch oben durch
die Lüfte und das Firmament über alle Völker her.
Auch im Norden hatte derſelbe Geiſt gezündet, jenſeits
der Loire in der Rormandie und Bretagne war ein
eigner Dichterſtamm, die Trouveurs, hervorgegangen;
und es klangen in ihnen die Töne der ſüdlichen Sänger
weiter, aber durch die Töne rauſchten hörbar andere
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/303>, abgerufen am 22.11.2024.
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