Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.die Autorität schon längst zu einer krankhaften Lebens¬ Darum ist es ganz im Geiste dieser nun wirklich Aber dann auch soll man vor Allem nicht vergessen, die Autorität ſchon längſt zu einer krankhaften Lebens¬ Darum iſt es ganz im Geiſte dieſer nun wirklich Aber dann auch ſoll man vor Allem nicht vergeſſen, <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0205" n="197"/> die Autorität ſchon längſt zu einer krankhaften Lebens¬<lb/> kraft herabgeſunken, und nahe daran geweſen, dem<lb/> Automatiſchen anheim zu fallen.</p><lb/> <p>Darum iſt es ganz im Geiſte dieſer nun wirklich<lb/> ſich emanzipirenden Zeit, daß ſie im Gefühle ihrer<lb/> Noth und im Verſtändniß, wo ihre Stärke und wo<lb/> die Schwäche, vorläufig von nichts als dem ſinnlich<lb/> Greifbaren hören will; und es iſt begreiflich, woher<lb/> ihr die Neigung kömmt, in den Verfaſſungen Maſchi¬<lb/> nen zu bauen nach den Geſetzen des Hebels und der<lb/> ſchiefen Ebne, worin der Grundbeſitz als ziehen¬<lb/> des Gewicht, das Geld als treibende Feder die bewe¬<lb/> genden Kräfte bilden; die Beamten, Räder und Ge¬<lb/> triebe, die Kammer den Pendul machen ſoll, der alle<lb/> Bewegungen regulirt; der Fürſt den Zeiger, der die<lb/> Zeit anzeigen muß. Nicht iſt dieſe Neigung zum Pon¬<lb/> derabeln auf dem Puncte, wohin die Sache jetzt ge¬<lb/> diehen, zu tadeln; jede Zeit ſoll handeln in dem Geiſte,<lb/> der ſie beſeelt, und da der bildende Proteus jetzt ein<lb/> Mechanicus geworden, der politiſche Planetarien zim¬<lb/> mert, ſo ſoll man ihn eben nicht durch hartnäckigen<lb/> Widerſpruch im Werke irren.</p><lb/> <p>Aber dann auch ſoll man vor Allem nicht vergeſſen,<lb/> daß wie man in der äußern Mechanik die Naturge¬<lb/> ſetze als unverbrüchlich längſt ſich gefallen läßt; und<lb/> ihnen zuwider zu handeln für eine Thorheit hält, ſo<lb/> auch in der geiſtig politiſchen die ethiſchen Geſetze,<lb/> die auf gleicher Höhe mit jenen phyſiſchen ſtehen, und<lb/> gleich unerbittlich jede Uebertretung ahnden, aner¬<lb/> kenne. So ſicher und unbedingt wie die phyſiſchen<lb/> Sätze: daß bey ungleichen Hebelarmen im Gleichge¬<lb/> wichte die Laſten ſich umgekehrt wie die Längen der<lb/> Arme verhalten müſſen; daß beym Falle der Körper<lb/> die Räume wie die Quadrate der Fallzeiten ſich ver¬<lb/> halten, für die Natur Geltung haben, ſo für die Gei¬<lb/> ſterwelt die moraliſchen Geſetze: daß Rechte und Pflich¬<lb/> ten, Freyheit und Gehorſam, Geben und Nehmen<lb/> wechſelſeitig ſich bedingen; daß jede Gewaltthat eine<lb/> Entgegengeſetzte herausfordert und jedes Aeußerſte ein<lb/> Aeußerſtes zum Gegenſtreite; daß, das Unterlaſſen<lb/></p> </body> </text> </TEI> [197/0205]
die Autorität ſchon längſt zu einer krankhaften Lebens¬
kraft herabgeſunken, und nahe daran geweſen, dem
Automatiſchen anheim zu fallen.
Darum iſt es ganz im Geiſte dieſer nun wirklich
ſich emanzipirenden Zeit, daß ſie im Gefühle ihrer
Noth und im Verſtändniß, wo ihre Stärke und wo
die Schwäche, vorläufig von nichts als dem ſinnlich
Greifbaren hören will; und es iſt begreiflich, woher
ihr die Neigung kömmt, in den Verfaſſungen Maſchi¬
nen zu bauen nach den Geſetzen des Hebels und der
ſchiefen Ebne, worin der Grundbeſitz als ziehen¬
des Gewicht, das Geld als treibende Feder die bewe¬
genden Kräfte bilden; die Beamten, Räder und Ge¬
triebe, die Kammer den Pendul machen ſoll, der alle
Bewegungen regulirt; der Fürſt den Zeiger, der die
Zeit anzeigen muß. Nicht iſt dieſe Neigung zum Pon¬
derabeln auf dem Puncte, wohin die Sache jetzt ge¬
diehen, zu tadeln; jede Zeit ſoll handeln in dem Geiſte,
der ſie beſeelt, und da der bildende Proteus jetzt ein
Mechanicus geworden, der politiſche Planetarien zim¬
mert, ſo ſoll man ihn eben nicht durch hartnäckigen
Widerſpruch im Werke irren.
Aber dann auch ſoll man vor Allem nicht vergeſſen,
daß wie man in der äußern Mechanik die Naturge¬
ſetze als unverbrüchlich längſt ſich gefallen läßt; und
ihnen zuwider zu handeln für eine Thorheit hält, ſo
auch in der geiſtig politiſchen die ethiſchen Geſetze,
die auf gleicher Höhe mit jenen phyſiſchen ſtehen, und
gleich unerbittlich jede Uebertretung ahnden, aner¬
kenne. So ſicher und unbedingt wie die phyſiſchen
Sätze: daß bey ungleichen Hebelarmen im Gleichge¬
wichte die Laſten ſich umgekehrt wie die Längen der
Arme verhalten müſſen; daß beym Falle der Körper
die Räume wie die Quadrate der Fallzeiten ſich ver¬
halten, für die Natur Geltung haben, ſo für die Gei¬
ſterwelt die moraliſchen Geſetze: daß Rechte und Pflich¬
ten, Freyheit und Gehorſam, Geben und Nehmen
wechſelſeitig ſich bedingen; daß jede Gewaltthat eine
Entgegengeſetzte herausfordert und jedes Aeußerſte ein
Aeußerſtes zum Gegenſtreite; daß, das Unterlaſſen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |