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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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bis zu den Heymathlosen gleichfalls sieben scharfbe¬
zeichnete Stufen niederlaufen.

Indem aber die spätere Zeit eine Vertretung dieser
verschiedenen Stände, als Wächterin der Territorial¬
macht, beyzugeben angefangen, hat auch bey dieser die
Idee zum Grunde gelegen, dem Nährstand und dem
Wehrstand den Lehrstand als dritten Vermittler, beyzu¬
fügen, damit wenn Rechte und Interessen mit der
Gewalt und den Ansprüchen in einen für die Zweyheit
völlig unauflöslichen Streit geriethen, die dritte ver¬
söhnende Macht nicht fehlen möge, die den Einen
durch ihre Würde, den Andern durch die Kirchengemein¬
schaft und alles Menschliche verwandt, unpartheyisch
schlichten könne zwischen den streitenden Partheyen

Die neuere Zeit, ausgehend von den vielfäl¬
tigen Gebrechen, die bei der Ausführung dieser Ideen
in der Wirklichkeit sich kund gegeben, hat eine andere
Lehre aufgestellt. Dies Gerüste der verschiedenen
Stände, ursprünglich durch die Gewalt und die Ueber¬
vortheilung der Einfalt durch List gegründet, seye an
sich nichtig und verderblich; und dies Ansteigen durch
Potenzen, wenn es auch für die Natur eine Geltung
habe, sey für die Gesellschaft, die aus völlig gleich¬
artigen Elementen bestehe, gänzlich unstatthaft, und
könne für ihre Entwickelung nur einen nachtheiligen
Einfluß äußern. Wie daß Christenthum den Grund¬
satz der völligen Gleichheit aller Menschen vor Gott
festgesetzt, so müsse auch vor dem Staate und dem
Gesetze dieselbe Gleichheit gelten; indem was geistig
wahr sey, ewig nicht leiblich im Realen sich selbst
widersprechend als unwahr sich befinden könne.

bis zu den Heymathloſen gleichfalls ſieben ſcharfbe¬
zeichnete Stufen niederlaufen.

Indem aber die ſpätere Zeit eine Vertretung dieſer
verſchiedenen Stände, als Wächterin der Territorial¬
macht, beyzugeben angefangen, hat auch bey dieſer die
Idee zum Grunde gelegen, dem Nährſtand und dem
Wehrſtand den Lehrſtand als dritten Vermittler, beyzu¬
fügen, damit wenn Rechte und Intereſſen mit der
Gewalt und den Anſprüchen in einen für die Zweyheit
völlig unauflöslichen Streit geriethen, die dritte ver¬
ſöhnende Macht nicht fehlen möge, die den Einen
durch ihre Würde, den Andern durch die Kirchengemein¬
ſchaft und alles Menſchliche verwandt, unpartheyiſch
ſchlichten könne zwiſchen den ſtreitenden Partheyen

Die neuere Zeit, ausgehend von den vielfäl¬
tigen Gebrechen, die bei der Ausführung dieſer Ideen
in der Wirklichkeit ſich kund gegeben, hat eine andere
Lehre aufgeſtellt. Dies Gerüſte der verſchiedenen
Stände, urſprünglich durch die Gewalt und die Ueber¬
vortheilung der Einfalt durch Liſt gegründet, ſeye an
ſich nichtig und verderblich; und dies Anſteigen durch
Potenzen, wenn es auch für die Natur eine Geltung
habe, ſey für die Geſellſchaft, die aus völlig gleich¬
artigen Elementen beſtehe, gänzlich unſtatthaft, und
könne für ihre Entwickelung nur einen nachtheiligen
Einfluß äußern. Wie daß Chriſtenthum den Grund¬
ſatz der völligen Gleichheit aller Menſchen vor Gott
feſtgeſetzt, ſo müſſe auch vor dem Staate und dem
Geſetze dieſelbe Gleichheit gelten; indem was geiſtig
wahr ſey, ewig nicht leiblich im Realen ſich ſelbſt
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[174/0182] bis zu den Heymathloſen gleichfalls ſieben ſcharfbe¬ zeichnete Stufen niederlaufen. Indem aber die ſpätere Zeit eine Vertretung dieſer verſchiedenen Stände, als Wächterin der Territorial¬ macht, beyzugeben angefangen, hat auch bey dieſer die Idee zum Grunde gelegen, dem Nährſtand und dem Wehrſtand den Lehrſtand als dritten Vermittler, beyzu¬ fügen, damit wenn Rechte und Intereſſen mit der Gewalt und den Anſprüchen in einen für die Zweyheit völlig unauflöslichen Streit geriethen, die dritte ver¬ ſöhnende Macht nicht fehlen möge, die den Einen durch ihre Würde, den Andern durch die Kirchengemein¬ ſchaft und alles Menſchliche verwandt, unpartheyiſch ſchlichten könne zwiſchen den ſtreitenden Partheyen Die neuere Zeit, ausgehend von den vielfäl¬ tigen Gebrechen, die bei der Ausführung dieſer Ideen in der Wirklichkeit ſich kund gegeben, hat eine andere Lehre aufgeſtellt. Dies Gerüſte der verſchiedenen Stände, urſprünglich durch die Gewalt und die Ueber¬ vortheilung der Einfalt durch Liſt gegründet, ſeye an ſich nichtig und verderblich; und dies Anſteigen durch Potenzen, wenn es auch für die Natur eine Geltung habe, ſey für die Geſellſchaft, die aus völlig gleich¬ artigen Elementen beſtehe, gänzlich unſtatthaft, und könne für ihre Entwickelung nur einen nachtheiligen Einfluß äußern. Wie daß Chriſtenthum den Grund¬ ſatz der völligen Gleichheit aller Menſchen vor Gott feſtgeſetzt, ſo müſſe auch vor dem Staate und dem Geſetze dieſelbe Gleichheit gelten; indem was geiſtig wahr ſey, ewig nicht leiblich im Realen ſich ſelbſt widerſprechend als unwahr ſich befinden könne.

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/182>, abgerufen am 27.11.2024.