Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

An jenem Unrecht, das der Uebermuth der Macht
zuerst gesetzt, und das alsdann das Herkommen von
Geschlecht zu Geschlechte fortgepflanzt, habe die Zeit
übrigens selbst wieder nach und nach Recht geübt, und
die Schranken allmählich niedergerissen, die die Conve¬
nienz nach bloßer Willkühr ausgesteckt; längst schon
seyen die geistigen Güter nicht mehr der ausschließende
Besitz der Priesterschaft; an der Waffenehre hätten
alle Stände Theil genommen, und der Nährstand habe
schon seit langem nicht mehr die Verpflichtung aner¬
kannt, für die blos Zehrenden des Lebens Mühen
allein auf sich zu nehmen. Darum sey es thörigt,
jene ängstlich künstlichen Beschränkungen, die ohnehin
schon nach allen Seiten durchbrochen sind, länger bey¬
behalten zu wollen; schon der Unterschied zwischen
Stadtwirthschaft und Landwirthschaft sey nichtig; noch
nichtiger die Schranke der Innungen, da Jeder das
Recht haben müsse, jedes Gewerbe oder Gewerk trei¬
ben zu dürfen, zu dem ihm ein Geschick beywohnt;
nichtig seyen ferner die Vorrechte des Adels, die
als Solche nothwendig das Recht aufheben; nichtig
der Anspruch des Clerus auf die Freiheit der Gewissen,
da schon der Begriff desselben durch den eines äußern
einwirkenden Zwanges vernichtet sey.

Es bedürfe auch keiner Vermittlung zwischen dem
Fürsten und dem Volke, die wechselsweise sich zum
Einen haltend und zum Andern, Einem um dem An¬
dern immer nur neue Vorrechte und Begünstigungen
abdringe, und überhaupt nur auf Unkosten Beyder
Boden gewinne. Falle aber der Gegensatz zwischen
dieser habsüchtigen Aristokratie und dem Volke weg;

An jenem Unrecht, das der Uebermuth der Macht
zuerſt geſetzt, und das alsdann das Herkommen von
Geſchlecht zu Geſchlechte fortgepflanzt, habe die Zeit
übrigens ſelbſt wieder nach und nach Recht geübt, und
die Schranken allmählich niedergeriſſen, die die Conve¬
nienz nach bloßer Willkühr ausgeſteckt; längſt ſchon
ſeyen die geiſtigen Güter nicht mehr der ausſchließende
Beſitz der Prieſterſchaft; an der Waffenehre hätten
alle Stände Theil genommen, und der Nährſtand habe
ſchon ſeit langem nicht mehr die Verpflichtung aner¬
kannt, für die blos Zehrenden des Lebens Mühen
allein auf ſich zu nehmen. Darum ſey es thörigt,
jene ängſtlich künſtlichen Beſchränkungen, die ohnehin
ſchon nach allen Seiten durchbrochen ſind, länger bey¬
behalten zu wollen; ſchon der Unterſchied zwiſchen
Stadtwirthſchaft und Landwirthſchaft ſey nichtig; noch
nichtiger die Schranke der Innungen, da Jeder das
Recht haben müſſe, jedes Gewerbe oder Gewerk trei¬
ben zu dürfen, zu dem ihm ein Geſchick beywohnt;
nichtig ſeyen ferner die Vorrechte des Adels, die
als Solche nothwendig das Recht aufheben; nichtig
der Anſpruch des Clerus auf die Freiheit der Gewiſſen,
da ſchon der Begriff deſſelben durch den eines äußern
einwirkenden Zwanges vernichtet ſey.

Es bedürfe auch keiner Vermittlung zwiſchen dem
Fürſten und dem Volke, die wechſelsweiſe ſich zum
Einen haltend und zum Andern, Einem um dem An¬
dern immer nur neue Vorrechte und Begünſtigungen
abdringe, und überhaupt nur auf Unkoſten Beyder
Boden gewinne. Falle aber der Gegenſatz zwiſchen
dieſer habſüchtigen Ariſtokratie und dem Volke weg;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0183" n="175"/>
      <p>An jenem Unrecht, das der Uebermuth der Macht<lb/>
zuer&#x017F;t ge&#x017F;etzt, und das alsdann das Herkommen von<lb/>
Ge&#x017F;chlecht zu Ge&#x017F;chlechte fortgepflanzt, habe die Zeit<lb/>
übrigens &#x017F;elb&#x017F;t wieder nach und nach Recht geübt, und<lb/>
die Schranken allmählich niedergeri&#x017F;&#x017F;en, die die Conve¬<lb/>
nienz nach bloßer Willkühr ausge&#x017F;teckt; läng&#x017F;t &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;eyen die gei&#x017F;tigen Güter nicht mehr der aus&#x017F;chließende<lb/>
Be&#x017F;itz der Prie&#x017F;ter&#x017F;chaft; an der Waffenehre hätten<lb/>
alle Stände Theil genommen, und der Nähr&#x017F;tand habe<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;eit langem nicht mehr die Verpflichtung aner¬<lb/>
kannt, für die blos Zehrenden des Lebens Mühen<lb/>
allein auf &#x017F;ich zu nehmen. Darum &#x017F;ey es thörigt,<lb/>
jene äng&#x017F;tlich kün&#x017F;tlichen Be&#x017F;chränkungen, die ohnehin<lb/>
&#x017F;chon nach allen Seiten durchbrochen &#x017F;ind, länger bey¬<lb/>
behalten zu wollen; &#x017F;chon der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen<lb/>
Stadtwirth&#x017F;chaft und Landwirth&#x017F;chaft &#x017F;ey nichtig; noch<lb/>
nichtiger die Schranke der Innungen, da Jeder das<lb/>
Recht haben mü&#x017F;&#x017F;e, jedes Gewerbe oder Gewerk trei¬<lb/>
ben zu dürfen, zu dem ihm ein Ge&#x017F;chick beywohnt;<lb/>
nichtig &#x017F;eyen ferner die <hi rendition="#g">Vorrechte</hi> des Adels, die<lb/>
als Solche nothwendig das <hi rendition="#g">Recht</hi> aufheben; nichtig<lb/>
der An&#x017F;pruch des Clerus auf die Freiheit der Gewi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
da &#x017F;chon der Begriff de&#x017F;&#x017F;elben durch den eines äußern<lb/>
einwirkenden Zwanges vernichtet &#x017F;ey.</p><lb/>
      <p>Es bedürfe auch keiner Vermittlung zwi&#x017F;chen dem<lb/>
Für&#x017F;ten und dem Volke, die wech&#x017F;elswei&#x017F;e &#x017F;ich zum<lb/>
Einen haltend und zum Andern, Einem um dem An¬<lb/>
dern immer nur neue Vorrechte und Begün&#x017F;tigungen<lb/>
abdringe, und überhaupt nur auf Unko&#x017F;ten Beyder<lb/>
Boden gewinne. Falle aber der Gegen&#x017F;atz zwi&#x017F;chen<lb/>
die&#x017F;er hab&#x017F;üchtigen Ari&#x017F;tokratie und dem Volke weg;<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0183] An jenem Unrecht, das der Uebermuth der Macht zuerſt geſetzt, und das alsdann das Herkommen von Geſchlecht zu Geſchlechte fortgepflanzt, habe die Zeit übrigens ſelbſt wieder nach und nach Recht geübt, und die Schranken allmählich niedergeriſſen, die die Conve¬ nienz nach bloßer Willkühr ausgeſteckt; längſt ſchon ſeyen die geiſtigen Güter nicht mehr der ausſchließende Beſitz der Prieſterſchaft; an der Waffenehre hätten alle Stände Theil genommen, und der Nährſtand habe ſchon ſeit langem nicht mehr die Verpflichtung aner¬ kannt, für die blos Zehrenden des Lebens Mühen allein auf ſich zu nehmen. Darum ſey es thörigt, jene ängſtlich künſtlichen Beſchränkungen, die ohnehin ſchon nach allen Seiten durchbrochen ſind, länger bey¬ behalten zu wollen; ſchon der Unterſchied zwiſchen Stadtwirthſchaft und Landwirthſchaft ſey nichtig; noch nichtiger die Schranke der Innungen, da Jeder das Recht haben müſſe, jedes Gewerbe oder Gewerk trei¬ ben zu dürfen, zu dem ihm ein Geſchick beywohnt; nichtig ſeyen ferner die Vorrechte des Adels, die als Solche nothwendig das Recht aufheben; nichtig der Anſpruch des Clerus auf die Freiheit der Gewiſſen, da ſchon der Begriff deſſelben durch den eines äußern einwirkenden Zwanges vernichtet ſey. Es bedürfe auch keiner Vermittlung zwiſchen dem Fürſten und dem Volke, die wechſelsweiſe ſich zum Einen haltend und zum Andern, Einem um dem An¬ dern immer nur neue Vorrechte und Begünſtigungen abdringe, und überhaupt nur auf Unkoſten Beyder Boden gewinne. Falle aber der Gegenſatz zwiſchen dieſer habſüchtigen Ariſtokratie und dem Volke weg;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/183
Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/183>, abgerufen am 08.05.2024.