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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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sigen schirmten die alte Asenburg, innen regte sich das
bunte Leben; du aber hast die Pforten aufgebrochen,
die Thürme mit Pulvers Gewalt gesprengt, die Mauern
dem Grunde gleich geschleift, und die Materialien
zum häuslichen Gebrauch verwandt, daß das Reich
ein offen Dorf geworden, von Zöllnern gehütet; den
gestickten Kaisermantel aber, der alle umfieng, haben
deine Lehnsträger zerstückt, und indem sie mit den
Lappen ihre Blößen angeputzt, prunken sie damit wie
Negerfürsten im fremden Staat, den sie mit der
Freyheit ihrer Untergebenen sich erkauft.

Sieh! reichlich habe ich aus der Ersparniß von
Jahrhunderten die Kirche und den Staat dotirt, daß
sie auf Erden ein Organ und mit ihm irdischen Be¬
stand gefunden; auch den Kriegsstand, die Gemeinde,
ja selbst die Innung hab ich unabhängig ausgestattet;
all den unermeßlichen Besitz hast du in wenig Jah¬
ren in alle Winde hinausgetrieben; die Ideen von
ihrer realen Basis abgeschieden, irren nun geistergleich
als wesenlose Schatten in der Gesellschaft um, vom
Winde der Meinung, in deren Abhängigkeit sie gege¬
ben sind, hin- und hergepeitscht; und für alles das
hast du im ganzen Umfange des Reiches nicht ein
Denkmal gegründet, das auf die Nachwelt käme.

Deinen Vorwitz hast du ins Reich des Glaubens
hineingetragen, und göttliche Dinge messend mit mensch¬
lichem Maaßstab, sie ins Irdische herabgezogen; der
einfache ungefärbte Strahl der Wahrheit hat in dem
trüben Mittel in viele Farben sich gebrochen und ver¬
finstert, und das sonst in sich Geeinte hat schnell in
unversöhnliche Partheyen sich geschieden.

ſigen ſchirmten die alte Aſenburg, innen regte ſich das
bunte Leben; du aber haſt die Pforten aufgebrochen,
die Thürme mit Pulvers Gewalt geſprengt, die Mauern
dem Grunde gleich geſchleift, und die Materialien
zum häuslichen Gebrauch verwandt, daß das Reich
ein offen Dorf geworden, von Zöllnern gehütet; den
geſtickten Kaiſermantel aber, der alle umfieng, haben
deine Lehnsträger zerſtückt, und indem ſie mit den
Lappen ihre Blößen angeputzt, prunken ſie damit wie
Negerfürſten im fremden Staat, den ſie mit der
Freyheit ihrer Untergebenen ſich erkauft.

Sieh! reichlich habe ich aus der Erſparniß von
Jahrhunderten die Kirche und den Staat dotirt, daß
ſie auf Erden ein Organ und mit ihm irdiſchen Be¬
ſtand gefunden; auch den Kriegsſtand, die Gemeinde,
ja ſelbſt die Innung hab ich unabhängig ausgeſtattet;
all den unermeßlichen Beſitz haſt du in wenig Jah¬
ren in alle Winde hinausgetrieben; die Ideen von
ihrer realen Baſis abgeſchieden, irren nun geiſtergleich
als weſenloſe Schatten in der Geſellſchaft um, vom
Winde der Meinung, in deren Abhängigkeit ſie gege¬
ben ſind, hin- und hergepeitſcht; und für alles das
haſt du im ganzen Umfange des Reiches nicht ein
Denkmal gegründet, das auf die Nachwelt käme.

Deinen Vorwitz haſt du ins Reich des Glaubens
hineingetragen, und göttliche Dinge meſſend mit menſch¬
lichem Maaßſtab, ſie ins Irdiſche herabgezogen; der
einfache ungefärbte Strahl der Wahrheit hat in dem
trüben Mittel in viele Farben ſich gebrochen und ver¬
finſtert, und das ſonſt in ſich Geeinte hat ſchnell in
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[137/0145] ſigen ſchirmten die alte Aſenburg, innen regte ſich das bunte Leben; du aber haſt die Pforten aufgebrochen, die Thürme mit Pulvers Gewalt geſprengt, die Mauern dem Grunde gleich geſchleift, und die Materialien zum häuslichen Gebrauch verwandt, daß das Reich ein offen Dorf geworden, von Zöllnern gehütet; den geſtickten Kaiſermantel aber, der alle umfieng, haben deine Lehnsträger zerſtückt, und indem ſie mit den Lappen ihre Blößen angeputzt, prunken ſie damit wie Negerfürſten im fremden Staat, den ſie mit der Freyheit ihrer Untergebenen ſich erkauft. Sieh! reichlich habe ich aus der Erſparniß von Jahrhunderten die Kirche und den Staat dotirt, daß ſie auf Erden ein Organ und mit ihm irdiſchen Be¬ ſtand gefunden; auch den Kriegsſtand, die Gemeinde, ja ſelbſt die Innung hab ich unabhängig ausgeſtattet; all den unermeßlichen Beſitz haſt du in wenig Jah¬ ren in alle Winde hinausgetrieben; die Ideen von ihrer realen Baſis abgeſchieden, irren nun geiſtergleich als weſenloſe Schatten in der Geſellſchaft um, vom Winde der Meinung, in deren Abhängigkeit ſie gege¬ ben ſind, hin- und hergepeitſcht; und für alles das haſt du im ganzen Umfange des Reiches nicht ein Denkmal gegründet, das auf die Nachwelt käme. Deinen Vorwitz haſt du ins Reich des Glaubens hineingetragen, und göttliche Dinge meſſend mit menſch¬ lichem Maaßſtab, ſie ins Irdiſche herabgezogen; der einfache ungefärbte Strahl der Wahrheit hat in dem trüben Mittel in viele Farben ſich gebrochen und ver¬ finſtert, und das ſonſt in ſich Geeinte hat ſchnell in unverſöhnliche Partheyen ſich geſchieden.

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/145>, abgerufen am 25.11.2024.