Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf die Stimmung der Nation mußten diese
Vorgänge den allerwidrigsten Einfluß üben. Bey der hef¬
tigen Spannung der Gemüther fehlte gerade noch ein
so unbegreiflicher Mißgriff, um die allgemeine Empö¬
rung aller Herzen, denen an der Ehre des Vaterlan¬
des gelegen ist, zu vollenden, und Unwille, Haß,
Verachtung, Mißtrauen, und alle bösen Leidenschaft
ten, die schon vorher nur all zu viele Nahrung in
den Ereignissen gefunden, bis auf einen Grad hin¬
aufzutreiben, daß ein vor vier Jahren noch mit spie¬
lender Hand zu lösendes Problem, die Anordnung
unserer öffentlichen Angelegenheiten, jetzt beynahe gänz¬
lich für menschliche Kräfte unauflöslich zu werden
droht. Eine Conferenz der Minister, die unter die¬
sen Umständen in Carlsbad abgehalten wurde, sollte
nun Rath schaffen, wo Rath theuer worden, und
zum erstenmale verlangten die Umstände gebieterisch
von den Diplomaten, die seither Alles auf negative
Weise abgethan, positive Maaßregeln, auf die niemand
eingerichtet ist. Oesterreich schien besonders mit Eifer
die Versammlung zu betreiben; es hatte geglaubt, der
Ruhe zu pflegen, wenn es dem unruhigen Reiche sich
entzöge, aber so wohlfeilen Kaufes, blos den Gewinn
einstreichend, kömmt keiner von einer historisch gewor¬
denen Verbindung los; nachdem es über dem Ver¬
suche all seine Popularität eingebüßt, ist nun die rechte
Unruhe ihm erst herangekommen.

Unaufhörlich sitzt die Geschichte zu Gericht, jetzt nach¬
dem die Franzosen gezüchtigt sind, werden andere Sün¬
den heimgesucht, und mit Angst und Nöthen abge¬
büßt.

Auf die Stimmung der Nation mußten dieſe
Vorgänge den allerwidrigſten Einfluß üben. Bey der hef¬
tigen Spannung der Gemüther fehlte gerade noch ein
ſo unbegreiflicher Mißgriff, um die allgemeine Empö¬
rung aller Herzen, denen an der Ehre des Vaterlan¬
des gelegen iſt, zu vollenden, und Unwille, Haß,
Verachtung, Mißtrauen, und alle böſen Leidenſchaft
ten, die ſchon vorher nur all zu viele Nahrung in
den Ereigniſſen gefunden, bis auf einen Grad hin¬
aufzutreiben, daß ein vor vier Jahren noch mit ſpie¬
lender Hand zu löſendes Problem, die Anordnung
unſerer öffentlichen Angelegenheiten, jetzt beynahe gänz¬
lich für menſchliche Kräfte unauflöslich zu werden
droht. Eine Conferenz der Miniſter, die unter die¬
ſen Umſtänden in Carlsbad abgehalten wurde, ſollte
nun Rath ſchaffen, wo Rath theuer worden, und
zum erſtenmale verlangten die Umſtände gebieteriſch
von den Diplomaten, die ſeither Alles auf negative
Weiſe abgethan, poſitive Maaßregeln, auf die niemand
eingerichtet iſt. Oeſterreich ſchien beſonders mit Eifer
die Verſammlung zu betreiben; es hatte geglaubt, der
Ruhe zu pflegen, wenn es dem unruhigen Reiche ſich
entzöge, aber ſo wohlfeilen Kaufes, blos den Gewinn
einſtreichend, kömmt keiner von einer hiſtoriſch gewor¬
denen Verbindung los; nachdem es über dem Ver¬
ſuche all ſeine Popularität eingebüßt, iſt nun die rechte
Unruhe ihm erſt herangekommen.

Unaufhörlich ſitzt die Geſchichte zu Gericht, jetzt nach¬
dem die Franzoſen gezüchtigt ſind, werden andere Sün¬
den heimgeſucht, und mit Angſt und Nöthen abge¬
büßt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0129" n="121"/>
      <p>Auf die Stimmung der Nation mußten die&#x017F;e<lb/>
Vorgänge den allerwidrig&#x017F;ten Einfluß üben. Bey der hef¬<lb/>
tigen Spannung der Gemüther fehlte gerade noch ein<lb/>
&#x017F;o unbegreiflicher Mißgriff, um die allgemeine Empö¬<lb/>
rung aller Herzen, denen an der Ehre des Vaterlan¬<lb/>
des gelegen i&#x017F;t, zu vollenden, und Unwille, Haß,<lb/>
Verachtung, Mißtrauen, und alle bö&#x017F;en Leiden&#x017F;chaft<lb/>
ten, die &#x017F;chon vorher nur all zu viele Nahrung in<lb/>
den Ereigni&#x017F;&#x017F;en gefunden, bis auf einen Grad hin¬<lb/>
aufzutreiben, daß ein vor vier Jahren noch mit &#x017F;pie¬<lb/>
lender Hand zu lö&#x017F;endes Problem, die Anordnung<lb/>
un&#x017F;erer öffentlichen Angelegenheiten, jetzt beynahe gänz¬<lb/>
lich für men&#x017F;chliche Kräfte unauflöslich zu werden<lb/>
droht. Eine Conferenz der Mini&#x017F;ter, die unter die¬<lb/>
&#x017F;en Um&#x017F;tänden in Carlsbad abgehalten wurde, &#x017F;ollte<lb/>
nun Rath &#x017F;chaffen, wo Rath theuer worden, und<lb/>
zum er&#x017F;tenmale verlangten die Um&#x017F;tände gebieteri&#x017F;ch<lb/>
von den Diplomaten, die &#x017F;either Alles auf negative<lb/>
Wei&#x017F;e abgethan, po&#x017F;itive Maaßregeln, auf die niemand<lb/>
eingerichtet i&#x017F;t. Oe&#x017F;terreich &#x017F;chien be&#x017F;onders mit Eifer<lb/>
die Ver&#x017F;ammlung zu betreiben; es hatte geglaubt, der<lb/>
Ruhe zu pflegen, wenn es dem unruhigen Reiche &#x017F;ich<lb/>
entzöge, aber &#x017F;o wohlfeilen Kaufes, blos den Gewinn<lb/>
ein&#x017F;treichend, kömmt keiner von einer hi&#x017F;tori&#x017F;ch gewor¬<lb/>
denen Verbindung los; nachdem es über dem Ver¬<lb/>
&#x017F;uche all &#x017F;eine Popularität eingebüßt, i&#x017F;t nun die rechte<lb/>
Unruhe ihm er&#x017F;t herangekommen.</p><lb/>
      <p>Unaufhörlich &#x017F;itzt die Ge&#x017F;chichte zu Gericht, jetzt nach¬<lb/>
dem die Franzo&#x017F;en gezüchtigt &#x017F;ind, werden andere Sün¬<lb/>
den heimge&#x017F;ucht, und mit Ang&#x017F;t und Nöthen abge¬<lb/>
büßt.</p><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0129] Auf die Stimmung der Nation mußten dieſe Vorgänge den allerwidrigſten Einfluß üben. Bey der hef¬ tigen Spannung der Gemüther fehlte gerade noch ein ſo unbegreiflicher Mißgriff, um die allgemeine Empö¬ rung aller Herzen, denen an der Ehre des Vaterlan¬ des gelegen iſt, zu vollenden, und Unwille, Haß, Verachtung, Mißtrauen, und alle böſen Leidenſchaft ten, die ſchon vorher nur all zu viele Nahrung in den Ereigniſſen gefunden, bis auf einen Grad hin¬ aufzutreiben, daß ein vor vier Jahren noch mit ſpie¬ lender Hand zu löſendes Problem, die Anordnung unſerer öffentlichen Angelegenheiten, jetzt beynahe gänz¬ lich für menſchliche Kräfte unauflöslich zu werden droht. Eine Conferenz der Miniſter, die unter die¬ ſen Umſtänden in Carlsbad abgehalten wurde, ſollte nun Rath ſchaffen, wo Rath theuer worden, und zum erſtenmale verlangten die Umſtände gebieteriſch von den Diplomaten, die ſeither Alles auf negative Weiſe abgethan, poſitive Maaßregeln, auf die niemand eingerichtet iſt. Oeſterreich ſchien beſonders mit Eifer die Verſammlung zu betreiben; es hatte geglaubt, der Ruhe zu pflegen, wenn es dem unruhigen Reiche ſich entzöge, aber ſo wohlfeilen Kaufes, blos den Gewinn einſtreichend, kömmt keiner von einer hiſtoriſch gewor¬ denen Verbindung los; nachdem es über dem Ver¬ ſuche all ſeine Popularität eingebüßt, iſt nun die rechte Unruhe ihm erſt herangekommen. Unaufhörlich ſitzt die Geſchichte zu Gericht, jetzt nach¬ dem die Franzoſen gezüchtigt ſind, werden andere Sün¬ den heimgeſucht, und mit Angſt und Nöthen abge¬ büßt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/129
Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/129>, abgerufen am 04.05.2024.