Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.1. Buch. 8. Tit. §. 179. gleich Harmenopulus und die griechischen Scholiastendie Stelle des Paulus in der L. 3. §. 1. D. de acquir. vel amitt. possess. adipiscimur possessionem corpore et ani- mo irrig von einem animo sive affectu domini verstan- den haben. Zwar sagt Paulus an einem andern Ort 46), daß zuweilen das Wort possessio auch eine Proprietät, ein Eigenthum anzeige, allein das geschiehet nur abusive bey privat und letzten Willensverordnungen, bey denen, wie Marcellus 47) sagt, nicht immer die gelehrten wissen- schaftlichen Wortbedeutungen zum Grunde zu legen sind, weil die Erfahrung lehrt, daß die Testirer zuweilen statt der eigentlichen Benennungen und Worte ungewöhnliche Ausdrücke und Bedeutungen gebrauchen. Wie sorgfältig aber die römischen Juristen die detentionem cum ammo sibi habendi coniunctam von der Proprietät unterschie- den haben, siehet man unter andern noch besonders aus einer Stelle des Javolenus L. 115. D. de Verbor. Significat. wo es heißt: Possessio ab agro iuris proprieta- te differt. Quidquid enim adprehendimus, cuius proprietas ad nos non pertinet, aut nec potest pertinere, hoc pos- sessionem appellamus 48). So wäre also nun der oben gege- 46) L. 78. D. de Verbor. Significat. Interdum proprietatem quoque verbum possessionis significat: sicut in eo, qui posses- siones suas legasset, responsum est. 47) L. 69. §. 1. D. de legat III Non enim in causa testa- mentorum ad definitionem utique descendendum est, cum ple- rumque abusive loquantur, nec propriis nominibus ac vocabu- lis semper utantur. 48) Wie nach und nach der Besitz von der Proprietät und an-
dern Rechten unterschieden worden; und was insonderheit die Ursache gewesen, weswegen die Rechtsgelehrten so sorgfälti. ge Bestimmungen über den Besitz allein machten, hat cupe- rus in den angef. Observat. select. de natura possessionis Part. I. Cap. I. sehr gelehrt und vortreflich ausgeführt. 1. Buch. 8. Tit. §. 179. gleich Harmenopulus und die griechiſchen Scholiaſtendie Stelle des Paulus in der L. 3. §. 1. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. adipiſcimur poſſeſſionem corpore et ani- mo irrig von einem animo ſive affectu domini verſtan- den haben. Zwar ſagt Paulus an einem andern Ort 46), daß zuweilen das Wort poſſeſſio auch eine Proprietaͤt, ein Eigenthum anzeige, allein das geſchiehet nur abuſive bey privat und letzten Willensverordnungen, bey denen, wie Marcellus 47) ſagt, nicht immer die gelehrten wiſſen- ſchaftlichen Wortbedeutungen zum Grunde zu legen ſind, weil die Erfahrung lehrt, daß die Teſtirer zuweilen ſtatt der eigentlichen Benennungen und Worte ungewoͤhnliche Ausdruͤcke und Bedeutungen gebrauchen. Wie ſorgfaͤltig aber die roͤmiſchen Juriſten die detentionem cum ammo ſibi habendi coniunctam von der Proprietaͤt unterſchie- den haben, ſiehet man unter andern noch beſonders aus einer Stelle des Javolenus L. 115. D. de Verbor. Significat. wo es heißt: Poſſeſſio ab agro iuris proprieta- te differt. Quidquid enim adprehendimus, cuius proprietas ad nos non pertinet, aut nec poteſt pertinere, hoc pos- sessionem appellamus 48). So waͤre alſo nun der oben gege- 46) L. 78. D. de Verbor. Significat. Interdum proprietatem quoque verbum poſſeſſionis ſignificat: ſicut in eo, qui poſſeſ- ſiones ſuas legaſſet, reſponſum eſt. 47) L. 69. §. 1. D. de legat III Non enim in cauſa teſta- mentorum ad definitionem utique deſcendendum eſt, cum ple- rumque abuſive loquantur, nec propriis nominibus ac vocabu- lis ſemper utantur. 48) Wie nach und nach der Beſitz von der Proprietaͤt und an-
dern Rechten unterſchieden worden; und was inſonderheit die Urſache geweſen, weswegen die Rechtsgelehrten ſo ſorgfaͤlti. ge Beſtimmungen uͤber den Beſitz allein machten, hat cupe- rus in den angef. Obſervat. ſelect. de natura poſſeſſionis Part. I. Cap. I. ſehr gelehrt und vortreflich ausgefuͤhrt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0522" n="508"/><fw place="top" type="header">1. Buch. 8. Tit. §. 179.</fw><lb/> gleich <hi rendition="#fr">Harmenopulus</hi> und die griechiſchen Scholiaſten<lb/> die Stelle des <hi rendition="#fr">Paulus</hi> in der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 3. §. 1. <hi rendition="#i">D. de acquir.<lb/> vel amitt. poſſeſſ.</hi> adipiſcimur poſſeſſionem <hi rendition="#i">corpore</hi> et <hi rendition="#i">ani-<lb/> mo</hi></hi> irrig von einem <hi rendition="#aq">animo ſive affectu domini</hi> verſtan-<lb/> den haben. Zwar ſagt <hi rendition="#fr">Paulus</hi> an einem andern Ort <note place="foot" n="46)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 78. <hi rendition="#i">D. de Verbor. Significat.</hi> Interdum proprietatem<lb/> quoque verbum <hi rendition="#i">poſſeſſionis</hi> ſignificat: ſicut in eo, qui poſſeſ-<lb/> ſiones ſuas legaſſet, reſponſum eſt.</hi></note>,<lb/> daß zuweilen das Wort <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">poſſeſſio</hi></hi> auch eine Proprietaͤt, ein<lb/> Eigenthum anzeige, allein das geſchiehet nur <hi rendition="#aq">abuſive</hi><lb/> bey privat und letzten Willensverordnungen, bey denen,<lb/> wie <hi rendition="#fr">Marcellus</hi> <note place="foot" n="47)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 69. §. 1. <hi rendition="#i">D. de legat III</hi> Non enim in <hi rendition="#i">cauſa teſta-<lb/> mentorum</hi> ad <hi rendition="#i">definitionem</hi> utique deſcendendum eſt, cum ple-<lb/> rumque <hi rendition="#i">abuſive</hi> loquantur, nec propriis nominibus ac vocabu-<lb/> lis ſemper utantur.</hi></note> ſagt, nicht immer die gelehrten wiſſen-<lb/> ſchaftlichen Wortbedeutungen zum Grunde zu legen ſind,<lb/> weil die Erfahrung lehrt, daß die Teſtirer zuweilen ſtatt<lb/> der eigentlichen Benennungen und Worte ungewoͤhnliche<lb/> Ausdruͤcke und Bedeutungen gebrauchen. Wie ſorgfaͤltig<lb/> aber die roͤmiſchen Juriſten die <hi rendition="#aq">detentionem cum ammo<lb/> ſibi habendi coniunctam</hi> von der Proprietaͤt unterſchie-<lb/> den haben, ſiehet man unter andern noch beſonders aus<lb/> einer Stelle des <hi rendition="#fr">Javolenus</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 115. <hi rendition="#i">D. de Verbor.<lb/> Significat.</hi></hi> wo es heißt: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Poſſeſſio</hi> ab agro iuris proprieta-<lb/> te differt. <hi rendition="#i">Quidquid enim adprehendimus, cuius proprietas<lb/> ad nos non pertinet, aut nec poteſt pertinere,</hi> hoc <hi rendition="#k">pos-<lb/> sessionem</hi> appellamus</hi> <note place="foot" n="48)">Wie nach und nach der Beſitz von der Proprietaͤt und an-<lb/> dern Rechten unterſchieden worden; und was inſonderheit die<lb/> Urſache geweſen, weswegen die Rechtsgelehrten ſo ſorgfaͤlti.<lb/> ge Beſtimmungen uͤber den Beſitz allein machten, hat <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">cupe-<lb/> rus</hi></hi> in den angef. <hi rendition="#aq">Obſervat. ſelect. de natura poſſeſſionis Part. I.<lb/> Cap. I.</hi> ſehr gelehrt und vortreflich ausgefuͤhrt.</note>. So waͤre alſo nun der oben<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gege-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [508/0522]
1. Buch. 8. Tit. §. 179.
gleich Harmenopulus und die griechiſchen Scholiaſten
die Stelle des Paulus in der L. 3. §. 1. D. de acquir.
vel amitt. poſſeſſ. adipiſcimur poſſeſſionem corpore et ani-
mo irrig von einem animo ſive affectu domini verſtan-
den haben. Zwar ſagt Paulus an einem andern Ort 46),
daß zuweilen das Wort poſſeſſio auch eine Proprietaͤt, ein
Eigenthum anzeige, allein das geſchiehet nur abuſive
bey privat und letzten Willensverordnungen, bey denen,
wie Marcellus 47) ſagt, nicht immer die gelehrten wiſſen-
ſchaftlichen Wortbedeutungen zum Grunde zu legen ſind,
weil die Erfahrung lehrt, daß die Teſtirer zuweilen ſtatt
der eigentlichen Benennungen und Worte ungewoͤhnliche
Ausdruͤcke und Bedeutungen gebrauchen. Wie ſorgfaͤltig
aber die roͤmiſchen Juriſten die detentionem cum ammo
ſibi habendi coniunctam von der Proprietaͤt unterſchie-
den haben, ſiehet man unter andern noch beſonders aus
einer Stelle des Javolenus L. 115. D. de Verbor.
Significat. wo es heißt: Poſſeſſio ab agro iuris proprieta-
te differt. Quidquid enim adprehendimus, cuius proprietas
ad nos non pertinet, aut nec poteſt pertinere, hoc pos-
sessionem appellamus 48). So waͤre alſo nun der oben
gege-
46) L. 78. D. de Verbor. Significat. Interdum proprietatem
quoque verbum poſſeſſionis ſignificat: ſicut in eo, qui poſſeſ-
ſiones ſuas legaſſet, reſponſum eſt.
47) L. 69. §. 1. D. de legat III Non enim in cauſa teſta-
mentorum ad definitionem utique deſcendendum eſt, cum ple-
rumque abuſive loquantur, nec propriis nominibus ac vocabu-
lis ſemper utantur.
48) Wie nach und nach der Beſitz von der Proprietaͤt und an-
dern Rechten unterſchieden worden; und was inſonderheit die
Urſache geweſen, weswegen die Rechtsgelehrten ſo ſorgfaͤlti.
ge Beſtimmungen uͤber den Beſitz allein machten, hat cupe-
rus in den angef. Obſervat. ſelect. de natura poſſeſſionis Part. I.
Cap. I. ſehr gelehrt und vortreflich ausgefuͤhrt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |