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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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De divisione rerum et qualitate.
von jenem grammatischen sehr deutlich, nach welchem
der Besitz, da solcher blos in physischer Detention be-
stehet, nur allein corporis ist, mithin nur einen Theil
von der possessione iuris civilis ausmacht. Allein die
Absicht, und der Wille, die Sache zu haben, welcher,
wie Paulus 40) sagt, gleichsam dasjenige ergänzt, was
dem natürlichen Besitze, bey welchen nur die körperliche
Gewalt vorhanden ist, noch fehlt, (quod desit naturali
possessioni, id animus implet
) bestimmt den Begriff
der Possession im Sinne des Civilrechts, und wird in
den Gesetzen affectus possidendi, affectio tenendi, oder auch
animi adfectus genennt 41). Jedoch stelle man sich unter
diesem animo possidendi nicht gerade, wie Ramos del
Manzano
glaubt 42), einen adfectum domini vor, das
heißt, eine solche Absicht, daß man die Sache als Eigen-
thümer haben und behalten wolle. Nein, vielmehr sagt
Ulpian 43): nihil commune habet proprietas cum possessio-
ne,
und die Gesetze 44) geben uns selbst genug Beyspiele
von Besitzern, qui, licet iuste possideant, non tamen
opinione domini possident,
z. B. Pfandgläubiger. Gal-
vanus
45) hat dies mit vieler Gelehrsamkeit erwiesen,
daß zum Besitz kein Eigenthum, auch nicht einmal die
Absicht, Eigenthümer zu seyn, erfordert werde, wenn

gleich
40) L. 3. §. 3. D. de acquir. vel amitt. possess.
41) L. 1. §. 3. L. 3. §. 3. L. 18. §. 3. L. 32. §. 2. L. 41.
et L. 46. D. de acquir. vel amitt. possess. L. 3. C. de acquir.
et retin. poss.
42) in den angef. Recitat. ad Tit. D. de A. vel A. P. Part. I.
§. 11--16.
43) L. 12. §. 1. D. eodem.
44) L. 13. §. 1. D. de Public. in rem Actione, L. 22. §. 1. D.
de Noxal. Action.
45) de Usufructu cap. 33. n. III. pag. 429. sqq.

De diviſione rerum et qualitate.
von jenem grammatiſchen ſehr deutlich, nach welchem
der Beſitz, da ſolcher blos in phyſiſcher Detention be-
ſtehet, nur allein corporis iſt, mithin nur einen Theil
von der poſſeſſione iuris civilis ausmacht. Allein die
Abſicht, und der Wille, die Sache zu haben, welcher,
wie Paulus 40) ſagt, gleichſam dasjenige ergaͤnzt, was
dem natuͤrlichen Beſitze, bey welchen nur die koͤrperliche
Gewalt vorhanden iſt, noch fehlt, (quod deſit naturali
poſſeſſioni, id animus implet
) beſtimmt den Begriff
der Poſſeſſion im Sinne des Civilrechts, und wird in
den Geſetzen affectus poſſidendi, affectio tenendi, oder auch
animi adfectus genennt 41). Jedoch ſtelle man ſich unter
dieſem animo poſſidendi nicht gerade, wie Ramos del
Manzano
glaubt 42), einen adfectum domini vor, das
heißt, eine ſolche Abſicht, daß man die Sache als Eigen-
thuͤmer haben und behalten wolle. Nein, vielmehr ſagt
Ulpian 43): nihil commune habet proprietas cum poſſeſſio-
ne,
und die Geſetze 44) geben uns ſelbſt genug Beyſpiele
von Beſitzern, qui, licet iuſte poſſideant, non tamen
opinione domini poſſident,
z. B. Pfandglaͤubiger. Gal-
vanus
45) hat dies mit vieler Gelehrſamkeit erwieſen,
daß zum Beſitz kein Eigenthum, auch nicht einmal die
Abſicht, Eigenthuͤmer zu ſeyn, erfordert werde, wenn

gleich
40) L. 3. §. 3. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ.
41) L. 1. §. 3. L. 3. §. 3. L. 18. §. 3. L. 32. §. 2. L. 41.
et L. 46. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 3. C. de acquir.
et retin. poſſ.
42) in den angef. Recitat. ad Tit. D. de A. vel A. P. Part. I.
§. 11—16.
43) L. 12. §. 1. D. eodem.
44) L. 13. §. 1. D. de Public. in rem Actione, L. 22. §. 1. D.
de Noxal. Action.
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[507/0521] De diviſione rerum et qualitate. von jenem grammatiſchen ſehr deutlich, nach welchem der Beſitz, da ſolcher blos in phyſiſcher Detention be- ſtehet, nur allein corporis iſt, mithin nur einen Theil von der poſſeſſione iuris civilis ausmacht. Allein die Abſicht, und der Wille, die Sache zu haben, welcher, wie Paulus 40) ſagt, gleichſam dasjenige ergaͤnzt, was dem natuͤrlichen Beſitze, bey welchen nur die koͤrperliche Gewalt vorhanden iſt, noch fehlt, (quod deſit naturali poſſeſſioni, id animus implet) beſtimmt den Begriff der Poſſeſſion im Sinne des Civilrechts, und wird in den Geſetzen affectus poſſidendi, affectio tenendi, oder auch animi adfectus genennt 41). Jedoch ſtelle man ſich unter dieſem animo poſſidendi nicht gerade, wie Ramos del Manzano glaubt 42), einen adfectum domini vor, das heißt, eine ſolche Abſicht, daß man die Sache als Eigen- thuͤmer haben und behalten wolle. Nein, vielmehr ſagt Ulpian 43): nihil commune habet proprietas cum poſſeſſio- ne, und die Geſetze 44) geben uns ſelbſt genug Beyſpiele von Beſitzern, qui, licet iuſte poſſideant, non tamen opinione domini poſſident, z. B. Pfandglaͤubiger. Gal- vanus 45) hat dies mit vieler Gelehrſamkeit erwieſen, daß zum Beſitz kein Eigenthum, auch nicht einmal die Abſicht, Eigenthuͤmer zu ſeyn, erfordert werde, wenn gleich 40) L. 3. §. 3. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. 41) L. 1. §. 3. L. 3. §. 3. L. 18. §. 3. L. 32. §. 2. L. 41. et L. 46. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 3. C. de acquir. et retin. poſſ. 42) in den angef. Recitat. ad Tit. D. de A. vel A. P. Part. I. §. 11—16. 43) L. 12. §. 1. D. eodem. 44) L. 13. §. 1. D. de Public. in rem Actione, L. 22. §. 1. D. de Noxal. Action. 45) de Uſufructu cap. 33. n. III. pag. 429. ſqq.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/521>, abgerufen am 24.11.2024.