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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 4. Tit. §. 107. u. 108.
§. 107. und 108.
In wie fern können Privilegien wiederruffen werden?

Hiernächst kann nun auch der Grund von dem Ver-
lust des verliehenen Privilegiums in dem Willen des
Gesetzgebers
anzutreffen seyn, indem er das Privi-
legium wiederruft. In wie fern aber Privilegien
wiederruffen werden können? ist sehr streitig. Einige
räumen dem Landesherrn hierin ein freyes unumschränk-
tes Recht ein 76). Andere 77) machen einen Unterschied
zwischen Privilegien, die lediglich ihren Grund in der
Gnade des Regenten haben, und solchen, die auf einem
Vertrage beruhen, wodurch sich der Privilegirte anhei-
schig gemacht hat, dagegen etwas wieder zu leisten. Sie
behaupten, daß zwar letztere nicht ohne eine besondere und
gerechte Ursach, erstere aber nach Gefallen widerrufen
werden könnten. Denn die Gnade eines Regenten habe
keine bestimmte Grenzen. Allein dieser Grund ist so we-
nig überzeugend, als wenn andere Rechtsgelehrten sagen,
gratiöse Privilegien hätten die Natur eines Precariums 78).
Denn indem der Regent ein Privilegium aufhebt, ertheilt
er keine Gnade. Also finden hier allerdings Grenzen

statt
76) Io. Guil. gadendam Diss. de legibus praesertim speciali-
bus seu privilegiis, quatenus mutari aut revocari iure possint.
Erlangae
1743. Allein kuhn in Dissert. de privilegii con-
ventionalis irrevocabilitate Heidelberg
1760. hat diese irrige
Meinung in ihrer ganzen Blöße dargestellt.
77) Ausser Hellfeld hegt diese Meinung unter andern auch
Quistorp in der angeführten Abhandlung S. 102. u. ff.
78) Z. B. hartleben Spec. XIII. med. 6. welchen aber Hr.
Reg. Rath Eichmann in den Erklärungen des bürgerli-
chen Rechts 2. Th. S. 151. gründlich widerlegt hat.
1. Buch. 4. Tit. §. 107. u. 108.
§. 107. und 108.
In wie fern koͤnnen Privilegien wiederruffen werden?

Hiernaͤchſt kann nun auch der Grund von dem Ver-
luſt des verliehenen Privilegiums in dem Willen des
Geſetzgebers
anzutreffen ſeyn, indem er das Privi-
legium wiederruft. In wie fern aber Privilegien
wiederruffen werden koͤnnen? iſt ſehr ſtreitig. Einige
raͤumen dem Landesherrn hierin ein freyes unumſchraͤnk-
tes Recht ein 76). Andere 77) machen einen Unterſchied
zwiſchen Privilegien, die lediglich ihren Grund in der
Gnade des Regenten haben, und ſolchen, die auf einem
Vertrage beruhen, wodurch ſich der Privilegirte anhei-
ſchig gemacht hat, dagegen etwas wieder zu leiſten. Sie
behaupten, daß zwar letztere nicht ohne eine beſondere und
gerechte Urſach, erſtere aber nach Gefallen widerrufen
werden koͤnnten. Denn die Gnade eines Regenten habe
keine beſtimmte Grenzen. Allein dieſer Grund iſt ſo we-
nig uͤberzeugend, als wenn andere Rechtsgelehrten ſagen,
gratioͤſe Privilegien haͤtten die Natur eines Precariums 78).
Denn indem der Regent ein Privilegium aufhebt, ertheilt
er keine Gnade. Alſo finden hier allerdings Grenzen

ſtatt
76) Io. Guil. gadendam Diſſ. de legibus praeſertim ſpeciali-
bus ſeu privilegiis, quatenus mutari aut revocari iure poſſint.
Erlangae
1743. Allein kuhn in Diſſert. de privilegii con-
ventionalis irrevocabilitate Heidelberg
1760. hat dieſe irrige
Meinung in ihrer ganzen Bloͤße dargeſtellt.
77) Auſſer Hellfeld hegt dieſe Meinung unter andern auch
Quiſtorp in der angefuͤhrten Abhandlung S. 102. u. ff.
78) Z. B. hartleben Spec. XIII. med. 6. welchen aber Hr.
Reg. Rath Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerli-
chen Rechts 2. Th. S. 151. gruͤndlich widerlegt hat.
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[30/0044] 1. Buch. 4. Tit. §. 107. u. 108. §. 107. und 108. In wie fern koͤnnen Privilegien wiederruffen werden? Hiernaͤchſt kann nun auch der Grund von dem Ver- luſt des verliehenen Privilegiums in dem Willen des Geſetzgebers anzutreffen ſeyn, indem er das Privi- legium wiederruft. In wie fern aber Privilegien wiederruffen werden koͤnnen? iſt ſehr ſtreitig. Einige raͤumen dem Landesherrn hierin ein freyes unumſchraͤnk- tes Recht ein 76). Andere 77) machen einen Unterſchied zwiſchen Privilegien, die lediglich ihren Grund in der Gnade des Regenten haben, und ſolchen, die auf einem Vertrage beruhen, wodurch ſich der Privilegirte anhei- ſchig gemacht hat, dagegen etwas wieder zu leiſten. Sie behaupten, daß zwar letztere nicht ohne eine beſondere und gerechte Urſach, erſtere aber nach Gefallen widerrufen werden koͤnnten. Denn die Gnade eines Regenten habe keine beſtimmte Grenzen. Allein dieſer Grund iſt ſo we- nig uͤberzeugend, als wenn andere Rechtsgelehrten ſagen, gratioͤſe Privilegien haͤtten die Natur eines Precariums 78). Denn indem der Regent ein Privilegium aufhebt, ertheilt er keine Gnade. Alſo finden hier allerdings Grenzen ſtatt 76) Io. Guil. gadendam Diſſ. de legibus praeſertim ſpeciali- bus ſeu privilegiis, quatenus mutari aut revocari iure poſſint. Erlangae 1743. Allein kuhn in Diſſert. de privilegii con- ventionalis irrevocabilitate Heidelberg 1760. hat dieſe irrige Meinung in ihrer ganzen Bloͤße dargeſtellt. 77) Auſſer Hellfeld hegt dieſe Meinung unter andern auch Quiſtorp in der angefuͤhrten Abhandlung S. 102. u. ff. 78) Z. B. hartleben Spec. XIII. med. 6. welchen aber Hr. Reg. Rath Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerli- chen Rechts 2. Th. S. 151. gruͤndlich widerlegt hat.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/44>, abgerufen am 24.11.2024.