Gewöhnlicher ist es, daß heutiges Tages Kinder durch Anstellung einer eigenen Haushaltung, und die Töchter insonderheit durch ihre Verheyra- thung aus der väterlichen Gewalt gehen. Thoma- sius35) nennt diese Art der Befreyung von der väterli- chen Gewalt eine Quasi-Emancipation. Allein richti- ger wird sie zu denenjenigen modis gerechnet, welche aus gesetzlicher Vorschrift auch wider des Vaters Willen desselben Gewalt aufheben. 36). Denn mit der bürgerli- chen Volljährigkeit erlangt der Sohn das Recht, als ein freyes Glied des Staats aufgenommen zu werden. Die Gesetze vermuthen alsdann, daß die Eltern demselben allen Unterricht ertheilet haben, dessen er, zur Verwal- tung seines Vermögens, und zu seinem Fortkommen bedarf. Sobald er dazu eine schickliche Gelegenheit fin- det, so ist kein Grund mehr vorhanden, die väterliche Gewalt noch weiter hinauszusetzen; ja es liegt vielmehr selbst dem Staate daran daß die Vormundschaft seiner Bürger nicht ohne Noth verlängert, und nicht dadurch der Betriebsamkeit, der Freyheit im Handel und Wan- del, unnöthige Fesseln angelegt werden. Man kann da- her mit Recht behaupten, daß die Befreyung der Söhne von der väterlichen Gewalt durch Errichtung einer eige- nen Wirthschaft dem Rechte der Vernunft eben so ge- mäß sey 37), als sie in der That eine herrschende Sitte aller europäischen Nationen ist 38). Die römischen Ge-
setzgeber
35)thomasius in Diss. de quasi emancipatione Germanorum. Halae 1703.
36) Hr. Prof. Weber in den angeführten Reflexionen §. 20. S. 74.
37) Hr. v. Globig in der angef. Preißschrift S. 119.
38) Dieß hat grupen in Disceptat. forens. Cap. II. membr. 2. pag. 91. sqq. mit vieler Gelehrsamkeit erwiesen.
1. Buch. 7. Tit. §. 161.
Gewoͤhnlicher iſt es, daß heutiges Tages Kinder durch Anſtellung einer eigenen Haushaltung, und die Toͤchter inſonderheit durch ihre Verheyra- thung aus der vaͤterlichen Gewalt gehen. Thoma- ſius35) nennt dieſe Art der Befreyung von der vaͤterli- chen Gewalt eine Quaſi-Emancipation. Allein richti- ger wird ſie zu denenjenigen modis gerechnet, welche aus geſetzlicher Vorſchrift auch wider des Vaters Willen deſſelben Gewalt aufheben. 36). Denn mit der buͤrgerli- chen Volljaͤhrigkeit erlangt der Sohn das Recht, als ein freyes Glied des Staats aufgenommen zu werden. Die Geſetze vermuthen alsdann, daß die Eltern demſelben allen Unterricht ertheilet haben, deſſen er, zur Verwal- tung ſeines Vermoͤgens, und zu ſeinem Fortkommen bedarf. Sobald er dazu eine ſchickliche Gelegenheit fin- det, ſo iſt kein Grund mehr vorhanden, die vaͤterliche Gewalt noch weiter hinauszuſetzen; ja es liegt vielmehr ſelbſt dem Staate daran daß die Vormundſchaft ſeiner Buͤrger nicht ohne Noth verlaͤngert, und nicht dadurch der Betriebſamkeit, der Freyheit im Handel und Wan- del, unnoͤthige Feſſeln angelegt werden. Man kann da- her mit Recht behaupten, daß die Befreyung der Soͤhne von der vaͤterlichen Gewalt durch Errichtung einer eige- nen Wirthſchaft dem Rechte der Vernunft eben ſo ge- maͤß ſey 37), als ſie in der That eine herrſchende Sitte aller europaͤiſchen Nationen iſt 38). Die roͤmiſchen Ge-
ſetzgeber
35)thomasius in Diſſ. de quaſi emancipatione Germanorum. Halae 1703.
36) Hr. Prof. Weber in den angefuͤhrten Reflexionen §. 20. S. 74.
37) Hr. v. Globig in der angef. Preißſchrift S. 119.
38) Dieß hat grupen in Diſceptat. forens. Cap. II. membr. 2. pag. 91. ſqq. mit vieler Gelehrſamkeit erwieſen.
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1. Buch. 7. Tit. §. 161.
Gewoͤhnlicher iſt es, daß heutiges Tages Kinder
durch Anſtellung einer eigenen Haushaltung,
und die Toͤchter inſonderheit durch ihre Verheyra-
thung aus der vaͤterlichen Gewalt gehen. Thoma-
ſius 35) nennt dieſe Art der Befreyung von der vaͤterli-
chen Gewalt eine Quaſi-Emancipation. Allein richti-
ger wird ſie zu denenjenigen modis gerechnet, welche
aus geſetzlicher Vorſchrift auch wider des Vaters Willen
deſſelben Gewalt aufheben. 36). Denn mit der buͤrgerli-
chen Volljaͤhrigkeit erlangt der Sohn das Recht, als ein
freyes Glied des Staats aufgenommen zu werden. Die
Geſetze vermuthen alsdann, daß die Eltern demſelben
allen Unterricht ertheilet haben, deſſen er, zur Verwal-
tung ſeines Vermoͤgens, und zu ſeinem Fortkommen
bedarf. Sobald er dazu eine ſchickliche Gelegenheit fin-
det, ſo iſt kein Grund mehr vorhanden, die vaͤterliche
Gewalt noch weiter hinauszuſetzen; ja es liegt vielmehr
ſelbſt dem Staate daran daß die Vormundſchaft ſeiner
Buͤrger nicht ohne Noth verlaͤngert, und nicht dadurch
der Betriebſamkeit, der Freyheit im Handel und Wan-
del, unnoͤthige Feſſeln angelegt werden. Man kann da-
her mit Recht behaupten, daß die Befreyung der Soͤhne
von der vaͤterlichen Gewalt durch Errichtung einer eige-
nen Wirthſchaft dem Rechte der Vernunft eben ſo ge-
maͤß ſey 37), als ſie in der That eine herrſchende Sitte
aller europaͤiſchen Nationen iſt 38). Die roͤmiſchen Ge-
ſetzgeber
35) thomasius in Diſſ. de quaſi emancipatione Germanorum.
Halae 1703.
36) Hr. Prof. Weber in den angefuͤhrten Reflexionen §. 20.
S. 74.
37) Hr. v. Globig in der angef. Preißſchrift S. 119.
38) Dieß hat grupen in Diſceptat. forens. Cap. II. membr. 2.
pag. 91. ſqq. mit vieler Gelehrſamkeit erwieſen.
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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/394>, abgerufen am 25.11.2024.
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