Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. len, nicht aber befehlsweise vorschreiben, wovon wir un-ter andern in L. 1. §. 3. D. de peric. et comm. rei vend. und L. 12. D. de administr. tutor. Beispiele finden. Wenn aber dergleichen mehr anrathende und empfehlen- de Bestimmung in den Gesetzen nicht angetroffen wird; so ist billig anzunehmen, daß der Gesetzgeber durch sei- ne Vorschriften perfecte zu verbinden die Absicht ge- habt habe. Da es inzwischen doch immer nur Ausnah- me von der Regel bleibt, wenn eine Liebespflicht an sich durch gesetzliche Vorschrift in Zwangspflicht übergehet, so leitet uns die Natur der Sache auf folgende zwey Grundsätze, welche der Richter billig nie ausser Acht zu lassen hat. I. Was an sich nur Liebespflicht seyn wür- de, gehört nur lediglich in den besondern Fällen, welche die Gesetze ausdrücklich genennt haben, vor das äussere forum; in allen übrigen Fällen darf der Richter die Gränzen nicht überschreiten, welche der Römische Rechts- gelehrte Paulus ihm vorzeichnet 53): etsi honeste, ex liberalitate tamen fit, quae servanda arbitrio est. Es muß daher II. bey Anwendung der bürgerlichen Ge- setze, welche uns Verbindlichkeiten auflegen, die an sich zu denen nicht erzwinglichen gehören, allemal auf die Verhältnisse, welche die gesetzliche Sanction im Allgemei- nen dabey voraussetzet, insbesondere aber auf die Art der Wirkung, welche solchen Verbindlichkeiten ausdrücklich beygelegt ist, genaue Rücksicht genommen, und keine weitere Ausdehnung gestattet werden. Diesen Grund- sätzen zu Folge lässet sich daher mit Grunde nicht be- haupten, daß der Vater, um eines der obigen Beispiele hier zur Erläuterung wieder zu gebrauchen, auch alsdann schuldig sey, seiner heirathenden Tochter aus seinem Vermögen einen Brautschaz mitzugeben, wenn jene zu- längliche eigne Mittel besitzet. Eben daraus folgt auch, daß 53) L. 12. §. 3. D. de administr. et peric. tutor.
1. Buch. 1. Tit. len, nicht aber befehlsweiſe vorſchreiben, wovon wir un-ter andern in L. 1. §. 3. D. de peric. et comm. rei vend. und L. 12. D. de adminiſtr. tutor. Beiſpiele finden. Wenn aber dergleichen mehr anrathende und empfehlen- de Beſtimmung in den Geſetzen nicht angetroffen wird; ſo iſt billig anzunehmen, daß der Geſetzgeber durch ſei- ne Vorſchriften perfecte zu verbinden die Abſicht ge- habt habe. Da es inzwiſchen doch immer nur Ausnah- me von der Regel bleibt, wenn eine Liebespflicht an ſich durch geſetzliche Vorſchrift in Zwangspflicht uͤbergehet, ſo leitet uns die Natur der Sache auf folgende zwey Grundſaͤtze, welche der Richter billig nie auſſer Acht zu laſſen hat. I. Was an ſich nur Liebespflicht ſeyn wuͤr- de, gehoͤrt nur lediglich in den beſondern Faͤllen, welche die Geſetze ausdruͤcklich genennt haben, vor das aͤuſſere forum; in allen uͤbrigen Faͤllen darf der Richter die Graͤnzen nicht uͤberſchreiten, welche der Roͤmiſche Rechts- gelehrte Paulus ihm vorzeichnet 53): etſi honeſte, ex liberalitate tamen fit, quae ſervanda arbitrio eſt. Es muß daher II. bey Anwendung der buͤrgerlichen Ge- ſetze, welche uns Verbindlichkeiten auflegen, die an ſich zu denen nicht erzwinglichen gehoͤren, allemal auf die Verhaͤltniſſe, welche die geſetzliche Sanction im Allgemei- nen dabey vorausſetzet, insbeſondere aber auf die Art der Wirkung, welche ſolchen Verbindlichkeiten ausdruͤcklich beygelegt iſt, genaue Ruͤckſicht genommen, und keine weitere Ausdehnung geſtattet werden. Dieſen Grund- ſaͤtzen zu Folge laͤſſet ſich daher mit Grunde nicht be- haupten, daß der Vater, um eines der obigen Beiſpiele hier zur Erlaͤuterung wieder zu gebrauchen, auch alsdann ſchuldig ſey, ſeiner heirathenden Tochter aus ſeinem Vermoͤgen einen Brautſchaz mitzugeben, wenn jene zu- laͤngliche eigne Mittel beſitzet. Eben daraus folgt auch, daß 53) L. 12. §. 3. D. de adminiſtr. et peric. tutor.
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1. Buch. 1. Tit.
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und L. 12. D. de adminiſtr. tutor. Beiſpiele finden.
Wenn aber dergleichen mehr anrathende und empfehlen-
de Beſtimmung in den Geſetzen nicht angetroffen wird;
ſo iſt billig anzunehmen, daß der Geſetzgeber durch ſei-
ne Vorſchriften perfecte zu verbinden die Abſicht ge-
habt habe. Da es inzwiſchen doch immer nur Ausnah-
me von der Regel bleibt, wenn eine Liebespflicht an ſich
durch geſetzliche Vorſchrift in Zwangspflicht uͤbergehet,
ſo leitet uns die Natur der Sache auf folgende zwey
Grundſaͤtze, welche der Richter billig nie auſſer Acht zu
laſſen hat. I. Was an ſich nur Liebespflicht ſeyn wuͤr-
de, gehoͤrt nur lediglich in den beſondern Faͤllen, welche
die Geſetze ausdruͤcklich genennt haben, vor das aͤuſſere
forum; in allen uͤbrigen Faͤllen darf der Richter die
Graͤnzen nicht uͤberſchreiten, welche der Roͤmiſche Rechts-
gelehrte Paulus ihm vorzeichnet 53): etſi honeſte, ex
liberalitate tamen fit, quae ſervanda arbitrio eſt.
Es muß daher II. bey Anwendung der buͤrgerlichen Ge-
ſetze, welche uns Verbindlichkeiten auflegen, die an ſich
zu denen nicht erzwinglichen gehoͤren, allemal auf die
Verhaͤltniſſe, welche die geſetzliche Sanction im Allgemei-
nen dabey vorausſetzet, insbeſondere aber auf die Art der
Wirkung, welche ſolchen Verbindlichkeiten ausdruͤcklich
beygelegt iſt, genaue Ruͤckſicht genommen, und keine
weitere Ausdehnung geſtattet werden. Dieſen Grund-
ſaͤtzen zu Folge laͤſſet ſich daher mit Grunde nicht be-
haupten, daß der Vater, um eines der obigen Beiſpiele
hier zur Erlaͤuterung wieder zu gebrauchen, auch alsdann
ſchuldig ſey, ſeiner heirathenden Tochter aus ſeinem
Vermoͤgen einen Brautſchaz mitzugeben, wenn jene zu-
laͤngliche eigne Mittel beſitzet. Eben daraus folgt auch,
daß
53) L. 12. §. 3. D. de adminiſtr. et peric. tutor.
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