Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.de Iustitia et Iure. keit 49)? und legt nicht ferner das Römische Recht 50)einem Ehemann die vollkommene Verbindlichkeit auf, seine verstorbene Ehefrau, auch wenn sie kein Heiraths- guth eingebracht hat, auf seine Kosten beerdigen zu lassen? da doch die Pflicht der Beerdigung an sich nur unerzwingliche Pflicht der Menschenliebe ist. Es giebt noch mehrere Fälle, wo Liebespflicht an sich als klag- bare Schuldigkeit vorgeschrieben worden; dahin gehört zum Beispiel, daß der Vater seiner heirathenden Toch- ter einen seinem Vermögen angemessenen Brautschaz mitgeben muß 51); und dergleichen mehr 52). Es ver- stehet sich jedoch von selbst, daß dasjenige, was an sich nur Liebespflicht seyn würde, durch die bürgerliche Ge- setze wirklich vorgeschrieben seyn müsse, wenn es als Zwangspflicht zu behandeln seyn soll. Denn ein ande- res ist freylich in denen Fällen zu behaupten, wo auch die Civilgesetze eine Liebespflicht nur als solche empfeh- len, 49) Daher ist die Tutel ein munus publicum, d. i. eine Beschwerde, eine Pflicht, die jeder Bürger, dem eine Vormundschaft aufgetragen wird, zum Besten des Staats übernehmen muß, wenn er nicht eine rechtmäsige Ent- schuldigung für sich anzuführen vermag. 50) L. 28. D. de religios. Zwar scheinen die Worte: ne iniuria eius (sc. mariti) videretur, quondam uxorem eius insepultam relinqui, eine nur unvollkommene Ver- bindlichkeit dem ersten Ansehen nach anzuzeigen, allein die vorhergehende Worte, maritum, in quantum facere po- test, pro hoc conveniri posse, benehmen allen Zweifel. 51) L. 19. D. de ritu nuptiar. L. fin. Cod. de dotis promiss. 52) Mehrere Beispiele hat Richter in der beym Helfeld angef. Diss. de obligatione imperfecta ex honestate iuris eivilis auctoritate perfecta. Lips. 1751. Siehe auch Christ. Henr. breuning Spec. de civili obligatione et actione ex praeceptis honestatis. Lipsiae 1768. C 4
de Iuſtitia et Iure. keit 49)? und legt nicht ferner das Roͤmiſche Recht 50)einem Ehemann die vollkommene Verbindlichkeit auf, ſeine verſtorbene Ehefrau, auch wenn ſie kein Heiraths- guth eingebracht hat, auf ſeine Koſten beerdigen zu laſſen? da doch die Pflicht der Beerdigung an ſich nur unerzwingliche Pflicht der Menſchenliebe iſt. Es giebt noch mehrere Faͤlle, wo Liebespflicht an ſich als klag- bare Schuldigkeit vorgeſchrieben worden; dahin gehoͤrt zum Beiſpiel, daß der Vater ſeiner heirathenden Toch- ter einen ſeinem Vermoͤgen angemeſſenen Brautſchaz mitgeben muß 51); und dergleichen mehr 52). Es ver- ſtehet ſich jedoch von ſelbſt, daß dasjenige, was an ſich nur Liebespflicht ſeyn wuͤrde, durch die buͤrgerliche Ge- ſetze wirklich vorgeſchrieben ſeyn muͤſſe, wenn es als Zwangspflicht zu behandeln ſeyn ſoll. Denn ein ande- res iſt freylich in denen Faͤllen zu behaupten, wo auch die Civilgeſetze eine Liebespflicht nur als ſolche empfeh- len, 49) Daher iſt die Tutel ein munus publicum, d. i. eine Beſchwerde, eine Pflicht, die jeder Buͤrger, dem eine Vormundſchaft aufgetragen wird, zum Beſten des Staats uͤbernehmen muß, wenn er nicht eine rechtmaͤſige Ent- ſchuldigung fuͤr ſich anzufuͤhren vermag. 50) L. 28. D. de religioſ. Zwar ſcheinen die Worte: ne iniuria eius (ſc. mariti) videretur, quondam uxorem eius inſepultam relinqui, eine nur unvollkommene Ver- bindlichkeit dem erſten Anſehen nach anzuzeigen, allein die vorhergehende Worte, maritum, in quantum facere po- teſt, pro hoc conveniri poſſe, benehmen allen Zweifel. 51) L. 19. D. de ritu nuptiar. L. fin. Cod. de dotis promiſſ. 52) Mehrere Beiſpiele hat Richter in der beym Helfeld angef. Diſſ. de obligatione imperfecta ex honeſtate iuris eivilis auctoritate perfecta. Lipſ. 1751. Siehe auch Chriſt. Henr. breuning Spec. de civili obligatione et actione ex praeceptis honeſtatis. Lipſiae 1768. C 4
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keit 49)? und legt nicht ferner das Roͤmiſche Recht 50)
einem Ehemann die vollkommene Verbindlichkeit auf,
ſeine verſtorbene Ehefrau, auch wenn ſie kein Heiraths-
guth eingebracht hat, auf ſeine Koſten beerdigen zu
laſſen? da doch die Pflicht der Beerdigung an ſich nur
unerzwingliche Pflicht der Menſchenliebe iſt. Es giebt
noch mehrere Faͤlle, wo Liebespflicht an ſich als klag-
bare Schuldigkeit vorgeſchrieben worden; dahin gehoͤrt
zum Beiſpiel, daß der Vater ſeiner heirathenden Toch-
ter einen ſeinem Vermoͤgen angemeſſenen Brautſchaz
mitgeben muß 51); und dergleichen mehr 52). Es ver-
ſtehet ſich jedoch von ſelbſt, daß dasjenige, was an ſich
nur Liebespflicht ſeyn wuͤrde, durch die buͤrgerliche Ge-
ſetze wirklich vorgeſchrieben ſeyn muͤſſe, wenn es als
Zwangspflicht zu behandeln ſeyn ſoll. Denn ein ande-
res iſt freylich in denen Faͤllen zu behaupten, wo auch
die Civilgeſetze eine Liebespflicht nur als ſolche empfeh-
len,
49) Daher iſt die Tutel ein munus publicum, d. i. eine
Beſchwerde, eine Pflicht, die jeder Buͤrger, dem eine
Vormundſchaft aufgetragen wird, zum Beſten des Staats
uͤbernehmen muß, wenn er nicht eine rechtmaͤſige Ent-
ſchuldigung fuͤr ſich anzufuͤhren vermag.
50) L. 28. D. de religioſ. Zwar ſcheinen die Worte: ne
iniuria eius (ſc. mariti) videretur, quondam uxorem
eius inſepultam relinqui, eine nur unvollkommene Ver-
bindlichkeit dem erſten Anſehen nach anzuzeigen, allein die
vorhergehende Worte, maritum, in quantum facere po-
teſt, pro hoc conveniri poſſe, benehmen allen Zweifel.
51) L. 19. D. de ritu nuptiar. L. fin. Cod. de dotis promiſſ.
52) Mehrere Beiſpiele hat Richter in der beym Helfeld
angef. Diſſ. de obligatione imperfecta ex honeſtate iuris
eivilis auctoritate perfecta. Lipſ. 1751. Siehe auch Chriſt.
Henr. breuning Spec. de civili obligatione et
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