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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 3. Tit.
rung einer rechtlichen Gewohnheit erfordert werde, als
zur Verjährung nöthig ist. Dies ist auch die Meinung
unsers Herrn Autors. Allein denkt man der Sache et-
was genauer nach, so wird man bald einsehen, daß die
Analogie von der Verjährungszeit hier ganz unanwend-
bar sey. Was hat doch die Verjährung, die eines Theils
als Strafe der Nachläßigkeit eingeführt worden, und an-
dern Theils nur auf Sachen und Rechte einzelner Pri-
vatpersonen sich beziehet, mit einer gesetzlichen Gewohn-
heit gemein, die als eine verbindliche Regel für viele auf-
gestellet wird? Doch vielleicht wird man sagen, es kom-
me hier nicht auf den Begriff, sondern nur auf die Zeit
der Verjährung an. Gut; ist denn aber damit der
Schwierigkeit abgeholfen? Wer weiß nicht, wie sehr ver-
schieden die gesetzlich bestimmte Zeit der Präscription sey?
Gesetzt nun also, die Päbste hätten in den deshalb ange-
führten Stellen zur Begründung einer rechtlichen Ge-
wohnheit den Ablauf einer gesetzlichen Verjährungsfrist
im Ernst gemeinet, soll dieses von einer zehen- oder zwan-
zig- oder dreysig- oder vierzigjährigen oder einer noch
längern Zeit zu verstehen sey? Kein Wunder, wenn wir
daher auch hierin eine so große Verschiedenheit der Mei-
nungen gewahr werden 99)? Ich meines Theils bin voll-

kommen
99) Einige erfordern zur Begründung eines Gewohnheitsrechts
eine Zeit von 10 oder 20 Jahren, weil diese den Raum einer
langen Zeit beschränken; dies behaupten donellus in
Commentar. iur. civ. Lib. l. c. 10. berger Oeconom. iuris
Lib. I. T. I. §. 19. n. 3. schilter Ex. 2. §. 19. von dem
busch
in der oben angef. Diss. cap. III. §. 38. Andere eine
Zeit von 30 oder 40 Jahren, wie gibert Corp. iur. canon.
S. 87. Hr. geh. Justizrath boehmer Princip. iur. canon.
Lib. II. Sect. III. Tit.
5. §. 232. Noch andere, und zwar äl-
tere

1. Buch. 3. Tit.
rung einer rechtlichen Gewohnheit erfordert werde, als
zur Verjaͤhrung noͤthig iſt. Dies iſt auch die Meinung
unſers Herrn Autors. Allein denkt man der Sache et-
was genauer nach, ſo wird man bald einſehen, daß die
Analogie von der Verjaͤhrungszeit hier ganz unanwend-
bar ſey. Was hat doch die Verjaͤhrung, die eines Theils
als Strafe der Nachlaͤßigkeit eingefuͤhrt worden, und an-
dern Theils nur auf Sachen und Rechte einzelner Pri-
vatperſonen ſich beziehet, mit einer geſetzlichen Gewohn-
heit gemein, die als eine verbindliche Regel fuͤr viele auf-
geſtellet wird? Doch vielleicht wird man ſagen, es kom-
me hier nicht auf den Begriff, ſondern nur auf die Zeit
der Verjaͤhrung an. Gut; iſt denn aber damit der
Schwierigkeit abgeholfen? Wer weiß nicht, wie ſehr ver-
ſchieden die geſetzlich beſtimmte Zeit der Praͤſcription ſey?
Geſetzt nun alſo, die Paͤbſte haͤtten in den deshalb ange-
fuͤhrten Stellen zur Begruͤndung einer rechtlichen Ge-
wohnheit den Ablauf einer geſetzlichen Verjaͤhrungsfriſt
im Ernſt gemeinet, ſoll dieſes von einer zehen- oder zwan-
zig- oder dreyſig- oder vierzigjaͤhrigen oder einer noch
laͤngern Zeit zu verſtehen ſey? Kein Wunder, wenn wir
daher auch hierin eine ſo große Verſchiedenheit der Mei-
nungen gewahr werden 99)? Ich meines Theils bin voll-

kommen
99) Einige erfordern zur Begruͤndung eines Gewohnheitsrechts
eine Zeit von 10 oder 20 Jahren, weil dieſe den Raum einer
langen Zeit beſchraͤnken; dies behaupten donellus in
Commentar. iur. civ. Lib. l. c. 10. berger Oeconom. iuris
Lib. I. T. I. §. 19. n. 3. schilter Ex. 2. §. 19. von dem
busch
in der oben angef. Diſſ. cap. III. §. 38. Andere eine
Zeit von 30 oder 40 Jahren, wie gibert Corp. iur. canon.
S. 87. Hr. geh. Juſtizrath boehmer Princip. iur. canon.
Lib. II. Sect. III. Tit.
5. §. 232. Noch andere, und zwar aͤl-
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[452/0472] 1. Buch. 3. Tit. rung einer rechtlichen Gewohnheit erfordert werde, als zur Verjaͤhrung noͤthig iſt. Dies iſt auch die Meinung unſers Herrn Autors. Allein denkt man der Sache et- was genauer nach, ſo wird man bald einſehen, daß die Analogie von der Verjaͤhrungszeit hier ganz unanwend- bar ſey. Was hat doch die Verjaͤhrung, die eines Theils als Strafe der Nachlaͤßigkeit eingefuͤhrt worden, und an- dern Theils nur auf Sachen und Rechte einzelner Pri- vatperſonen ſich beziehet, mit einer geſetzlichen Gewohn- heit gemein, die als eine verbindliche Regel fuͤr viele auf- geſtellet wird? Doch vielleicht wird man ſagen, es kom- me hier nicht auf den Begriff, ſondern nur auf die Zeit der Verjaͤhrung an. Gut; iſt denn aber damit der Schwierigkeit abgeholfen? Wer weiß nicht, wie ſehr ver- ſchieden die geſetzlich beſtimmte Zeit der Praͤſcription ſey? Geſetzt nun alſo, die Paͤbſte haͤtten in den deshalb ange- fuͤhrten Stellen zur Begruͤndung einer rechtlichen Ge- wohnheit den Ablauf einer geſetzlichen Verjaͤhrungsfriſt im Ernſt gemeinet, ſoll dieſes von einer zehen- oder zwan- zig- oder dreyſig- oder vierzigjaͤhrigen oder einer noch laͤngern Zeit zu verſtehen ſey? Kein Wunder, wenn wir daher auch hierin eine ſo große Verſchiedenheit der Mei- nungen gewahr werden 99)? Ich meines Theils bin voll- kommen 99) Einige erfordern zur Begruͤndung eines Gewohnheitsrechts eine Zeit von 10 oder 20 Jahren, weil dieſe den Raum einer langen Zeit beſchraͤnken; dies behaupten donellus in Commentar. iur. civ. Lib. l. c. 10. berger Oeconom. iuris Lib. I. T. I. §. 19. n. 3. schilter Ex. 2. §. 19. von dem busch in der oben angef. Diſſ. cap. III. §. 38. Andere eine Zeit von 30 oder 40 Jahren, wie gibert Corp. iur. canon. S. 87. Hr. geh. Juſtizrath boehmer Princip. iur. canon. Lib. II. Sect. III. Tit. 5. §. 232. Noch andere, und zwar aͤl- tere

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/472>, abgerufen am 22.11.2024.