den schönen Frühling sieht; sie hüpft dann auf den Weidenbaum und singet ihr Entzüken, den Hü- geln und dem Thal, und ruft, Gespielen, wachet auf! der Frühling ist izt da. Doch viel entzükter bin ich noch, denn Daphnis liebet mich, und ich ruf euch Gespielen zu, viel süsser ists als der kom- mende Frühling, wenn uns ein tugendhafter Jüng- ling liebt.
Daphnis. Schön ist es, wenn auf fernen Hü- geln, die Herden in dunkeln Büschen irren; doch schöner ists, o Chloe! wenn ein frischer Blu- men-Kranz dein dunkles Haar durchirrt; schön ist des heitern Himmels Blau, doch schöner ist dein blaues Auge, wenn es lächelnd mir winket. Ja liebe Chloe, mehr lieb ich dich als schnelle Fische den klaren Teich, mehr als die Lerche die Mor- gen-Luft.
Chloe. Da als ich im stillen Teich mich besah, ach! seufzt' ich, könnt ich dem Daphnis gefal- len! dem besten Hirten. Indess standst du ungesehn
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den ſchönen Frühling ſieht; ſie hüpft dann auf den Weidenbaum und ſinget ihr Entzüken, den Hü- geln und dem Thal, und ruft, Geſpielen, wachet auf! der Frühling iſt izt da. Doch viel entzükter bin ich noch, denn Daphnis liebet mich, und ich ruf euch Geſpielen zu, viel ſüſſer iſts als der kom- mende Frühling, wenn uns ein tugendhafter Jüng- ling liebt.
Daphnis. Schön iſt es, wenn auf fernen Hü- geln, die Herden in dunkeln Büſchen irren; doch ſchöner iſts, o Chloe! wenn ein friſcher Blu- men-Kranz dein dunkles Haar durchirrt; ſchön iſt des heitern Himmels Blau, doch ſchöner iſt dein blaues Auge, wenn es lächelnd mir winket. Ja liebe Chloe, mehr lieb ich dich als ſchnelle Fiſche den klaren Teich, mehr als die Lerche die Mor- gen-Luft.
Chloe. Da als ich im ſtillen Teich mich beſah, ach! ſeufzt’ ich, könnt ich dem Daphnis gefal- len! dem beſten Hirten. Indeſs ſtandſt du ungeſehn
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den ſchönen Frühling ſieht; ſie hüpft dann auf den
Weidenbaum und ſinget ihr Entzüken, den Hü-
geln und dem Thal, und ruft, Geſpielen, wachet
auf! der Frühling iſt izt da. Doch viel entzükter
bin ich noch, denn Daphnis liebet mich, und ich
ruf euch Geſpielen zu, viel ſüſſer iſts als der kom-
mende Frühling, wenn uns ein tugendhafter Jüng-
ling liebt.
Daphnis. Schön iſt es, wenn auf fernen Hü-
geln, die Herden in dunkeln Büſchen irren; doch
ſchöner iſts, o Chloe! wenn ein friſcher Blu-
men-Kranz dein dunkles Haar durchirrt; ſchön
iſt des heitern Himmels Blau, doch ſchöner iſt dein
blaues Auge, wenn es lächelnd mir winket. Ja
liebe Chloe, mehr lieb ich dich als ſchnelle Fiſche
den klaren Teich, mehr als die Lerche die Mor-
gen-Luft.
Chloe. Da als ich im ſtillen Teich mich beſah,
ach! ſeufzt’ ich, könnt ich dem Daphnis gefal-
len! dem beſten Hirten. Indeſs ſtandſt du ungeſehn
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/60>, abgerufen am 25.07.2024.
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