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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.

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jede mit dem gleichen Bestreben, da ist kein müs-
siger Bürger; sie schwärmen umher, von Blume
zu Blume, und verbergen nachsuchend die kleinen
haarichten Häupter in den Kelchen der Blumen,
oder sie graben sich mühsam hinein, in die noch
nicht offenen Blumen, die Blume schliesset sich
wieder, und verbirgt den kleinen Räuber, der die
Schäze ihr raubt, die sie vielleicht erst Morgen,
der kommenden Sonne und dem glänzenden Thau
entfaltet hätte.

Dort auf die hohe Klee-Blume sezt sich ein
kleiner Schmetterling, er schwingt seine bunten
Flügel; auf ihrem glänzenden Silber stehn kleine
purpurne Fleken, und ein goldner Saum verliert
sich am End der Flügel ins Grüne; Da sizt er
prächtig und puzt den kleinen Busch der silberneu
Federn auf seinem kleinen Haupt. Schöner
Schmetterling! biege die Blume zum Bach hin, und
sieh da deine schöne Gestalt; dann gleichst du der
schönen Belinde, die beym Spiegel vergisst, dass

jede mit dem gleichen Beſtreben, da iſt kein müſ-
ſiger Bürger; ſie ſchwärmen umher, von Blume
zu Blume, und verbergen nachſuchend die kleinen
haarichten Häupter in den Kelchen der Blumen,
oder ſie graben ſich mühſam hinein, in die noch
nicht offenen Blumen, die Blume ſchlieſſet ſich
wieder, und verbirgt den kleinen Räuber, der die
Schäze ihr raubt, die ſie vielleicht erſt Morgen,
der kommenden Sonne und dem glänzenden Thau
entfaltet hätte.

Dort auf die hohe Klee-Blume ſezt ſich ein
kleiner Schmetterling, er ſchwingt ſeine bunten
Flügel; auf ihrem glänzenden Silber ſtehn kleine
purpurne Fleken, und ein goldner Saum verliert
ſich am End der Flügel ins Grüne; Da ſizt er
prächtig und puzt den kleinen Buſch der ſilberneu
Federn auf ſeinem kleinen Haupt. Schöner
Schmetterling! biege die Blume zum Bach hin, und
ſieh da deine ſchöne Geſtalt; dann gleichſt du der
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[116/0121] jede mit dem gleichen Beſtreben, da iſt kein müſ- ſiger Bürger; ſie ſchwärmen umher, von Blume zu Blume, und verbergen nachſuchend die kleinen haarichten Häupter in den Kelchen der Blumen, oder ſie graben ſich mühſam hinein, in die noch nicht offenen Blumen, die Blume ſchlieſſet ſich wieder, und verbirgt den kleinen Räuber, der die Schäze ihr raubt, die ſie vielleicht erſt Morgen, der kommenden Sonne und dem glänzenden Thau entfaltet hätte. Dort auf die hohe Klee-Blume ſezt ſich ein kleiner Schmetterling, er ſchwingt ſeine bunten Flügel; auf ihrem glänzenden Silber ſtehn kleine purpurne Fleken, und ein goldner Saum verliert ſich am End der Flügel ins Grüne; Da ſizt er prächtig und puzt den kleinen Buſch der ſilberneu Federn auf ſeinem kleinen Haupt. Schöner Schmetterling! biege die Blume zum Bach hin, und ſieh da deine ſchöne Geſtalt; dann gleichſt du der ſchönen Belinde, die beym Spiegel vergiſst, daſs

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Zitationshilfe: [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/121>, abgerufen am 10.05.2024.