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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.

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und machest sie wanken; von beyden Ufern steht
das fette Gras mit Blumen vermischt, sie biegen
sich herüber, und dein klares Wasser fliesst durch
ihr buntes Gewölb und glänzet im vielfärbichten
Wiederschein. Ich will izt durch den kleinen
Hain des wankenden Grases hinsehn; wie glän-
zet das manigfaltige Grün, von der Sonne be-
schienen! sie streuen schwebende Schatten eins
auf das andere hin; schlanke Kräuter durchirren
das Gras mit zarten Aesten und manigfaltigem
Laub, oder sie steigen darüber empor, und tragen
wankende Blumen. Aber du blaue Viole, du Bild
des Weisen, du stehst bescheiden niedrig im Gras,
und streust Gerüche umher, indess dass Geruch-
lose Blumen hoch über das Gras empor stehn,
und pralerisch winken. Fliegende Würmchens
verfolgen sich unten im Gras, bald verliert sie
mein Aug im grünen Schatten, dann schwärmen
sie wieder im Sonnenschein, oder sie fliegen zu
Schaaren empor und tanzen höher in der glänzen-
den Luft.

und macheſt ſie wanken; von beyden Ufern ſteht
das fette Gras mit Blumen vermiſcht, ſie biegen
ſich herüber, und dein klares Waſſer flieſst durch
ihr buntes Gewölb und glänzet im vielfärbichten
Wiederſchein. Ich will izt durch den kleinen
Hain des wankenden Graſes hinſehn; wie glän-
zet das manigfaltige Grün, von der Sonne be-
ſchienen! ſie ſtreuen ſchwebende Schatten eins
auf das andere hin; ſchlanke Kräuter durchirren
das Gras mit zarten Aeſten und manigfaltigem
Laub, oder ſie ſteigen darüber empor, und tragen
wankende Blumen. Aber du blaue Viole, du Bild
des Weiſen, du ſtehſt beſcheiden niedrig im Gras,
und ſtreuſt Gerüche umher, indeſs daſs Geruch-
loſe Blumen hoch über das Gras empor ſtehn,
und praleriſch winken. Fliegende Würmchens
verfolgen ſich unten im Gras, bald verliert ſie
mein Aug im grünen Schatten, dann ſchwärmen
ſie wieder im Sonnenſchein, oder ſie fliegen zu
Schaaren empor und tanzen höher in der glänzen-
den Luft.

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[114/0119] und macheſt ſie wanken; von beyden Ufern ſteht das fette Gras mit Blumen vermiſcht, ſie biegen ſich herüber, und dein klares Waſſer flieſst durch ihr buntes Gewölb und glänzet im vielfärbichten Wiederſchein. Ich will izt durch den kleinen Hain des wankenden Graſes hinſehn; wie glän- zet das manigfaltige Grün, von der Sonne be- ſchienen! ſie ſtreuen ſchwebende Schatten eins auf das andere hin; ſchlanke Kräuter durchirren das Gras mit zarten Aeſten und manigfaltigem Laub, oder ſie ſteigen darüber empor, und tragen wankende Blumen. Aber du blaue Viole, du Bild des Weiſen, du ſtehſt beſcheiden niedrig im Gras, und ſtreuſt Gerüche umher, indeſs daſs Geruch- loſe Blumen hoch über das Gras empor ſtehn, und praleriſch winken. Fliegende Würmchens verfolgen ſich unten im Gras, bald verliert ſie mein Aug im grünen Schatten, dann ſchwärmen ſie wieder im Sonnenſchein, oder ſie fliegen zu Schaaren empor und tanzen höher in der glänzen- den Luft.

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Zitationshilfe: [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/119>, abgerufen am 09.05.2024.