und machest sie wanken; von beyden Ufern steht das fette Gras mit Blumen vermischt, sie biegen sich herüber, und dein klares Wasser fliesst durch ihr buntes Gewölb und glänzet im vielfärbichten Wiederschein. Ich will izt durch den kleinen Hain des wankenden Grases hinsehn; wie glän- zet das manigfaltige Grün, von der Sonne be- schienen! sie streuen schwebende Schatten eins auf das andere hin; schlanke Kräuter durchirren das Gras mit zarten Aesten und manigfaltigem Laub, oder sie steigen darüber empor, und tragen wankende Blumen. Aber du blaue Viole, du Bild des Weisen, du stehst bescheiden niedrig im Gras, und streust Gerüche umher, indess dass Geruch- lose Blumen hoch über das Gras empor stehn, und pralerisch winken. Fliegende Würmchens verfolgen sich unten im Gras, bald verliert sie mein Aug im grünen Schatten, dann schwärmen sie wieder im Sonnenschein, oder sie fliegen zu Schaaren empor und tanzen höher in der glänzen- den Luft.
und macheſt ſie wanken; von beyden Ufern ſteht das fette Gras mit Blumen vermiſcht, ſie biegen ſich herüber, und dein klares Waſſer flieſst durch ihr buntes Gewölb und glänzet im vielfärbichten Wiederſchein. Ich will izt durch den kleinen Hain des wankenden Graſes hinſehn; wie glän- zet das manigfaltige Grün, von der Sonne be- ſchienen! ſie ſtreuen ſchwebende Schatten eins auf das andere hin; ſchlanke Kräuter durchirren das Gras mit zarten Aeſten und manigfaltigem Laub, oder ſie ſteigen darüber empor, und tragen wankende Blumen. Aber du blaue Viole, du Bild des Weiſen, du ſtehſt beſcheiden niedrig im Gras, und ſtreuſt Gerüche umher, indeſs daſs Geruch- loſe Blumen hoch über das Gras empor ſtehn, und praleriſch winken. Fliegende Würmchens verfolgen ſich unten im Gras, bald verliert ſie mein Aug im grünen Schatten, dann ſchwärmen ſie wieder im Sonnenſchein, oder ſie fliegen zu Schaaren empor und tanzen höher in der glänzen- den Luft.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0119"n="114"/>
und macheſt ſie wanken; von beyden Ufern ſteht<lb/>
das fette Gras mit Blumen vermiſcht, ſie biegen<lb/>ſich herüber, und dein klares Waſſer flieſst durch<lb/>
ihr buntes Gewölb und glänzet im vielfärbichten<lb/>
Wiederſchein. Ich will izt durch den kleinen<lb/>
Hain des wankenden Graſes hinſehn; wie glän-<lb/>
zet das manigfaltige Grün, von der Sonne be-<lb/>ſchienen! ſie ſtreuen ſchwebende Schatten eins<lb/>
auf das andere hin; ſchlanke Kräuter durchirren<lb/>
das Gras mit zarten Aeſten und manigfaltigem<lb/>
Laub, oder ſie ſteigen darüber empor, und tragen<lb/>
wankende Blumen. Aber du blaue Viole, du Bild<lb/>
des Weiſen, du ſtehſt beſcheiden niedrig im Gras,<lb/>
und ſtreuſt Gerüche umher, indeſs daſs Geruch-<lb/>
loſe Blumen hoch über das Gras empor ſtehn,<lb/>
und praleriſch winken. Fliegende Würmchens<lb/>
verfolgen ſich unten im Gras, bald verliert ſie<lb/>
mein Aug im grünen Schatten, dann ſchwärmen<lb/>ſie wieder im Sonnenſchein, oder ſie fliegen zu<lb/>
Schaaren empor und tanzen höher in der glänzen-<lb/>
den Luft.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[114/0119]
und macheſt ſie wanken; von beyden Ufern ſteht
das fette Gras mit Blumen vermiſcht, ſie biegen
ſich herüber, und dein klares Waſſer flieſst durch
ihr buntes Gewölb und glänzet im vielfärbichten
Wiederſchein. Ich will izt durch den kleinen
Hain des wankenden Graſes hinſehn; wie glän-
zet das manigfaltige Grün, von der Sonne be-
ſchienen! ſie ſtreuen ſchwebende Schatten eins
auf das andere hin; ſchlanke Kräuter durchirren
das Gras mit zarten Aeſten und manigfaltigem
Laub, oder ſie ſteigen darüber empor, und tragen
wankende Blumen. Aber du blaue Viole, du Bild
des Weiſen, du ſtehſt beſcheiden niedrig im Gras,
und ſtreuſt Gerüche umher, indeſs daſs Geruch-
loſe Blumen hoch über das Gras empor ſtehn,
und praleriſch winken. Fliegende Würmchens
verfolgen ſich unten im Gras, bald verliert ſie
mein Aug im grünen Schatten, dann ſchwärmen
ſie wieder im Sonnenſchein, oder ſie fliegen zu
Schaaren empor und tanzen höher in der glänzen-
den Luft.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/119>, abgerufen am 04.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.