den Hain, die Lieder auf den Saiten zu singen, und glaube Mädchen, mich hats ein Gott im Hain gelehrt. Der flüchtige Blik des Mädchens streifte oft schüchtern über den Jüngling hin und ruhete dann auf den Saiten. O schönes Mädchen! fuhr der Jüngling fort, indem sein Auge schmachtend sie anblikte, wie wär ich entzükt, wenn du mir vergönntest, mit dir in den Hain zu gehn, an deiner Seite sizend, deinen Gesang mit diesen Sai- ten zu folgen! Izt sah das Mädchen auf. Jüng- ling, so sprach es, froh bin ich, wenn dein Sai- tenspiel meine Lieder begleitet; lieblicher wird es seyn als der Widerhall, und izt komm mit mir unter mein schattichtes Dach, denn die Mittags- Sonne brennet schon, ich will in meinem düster- nen Schatten süsse Früchte zum Mittagmahl dir auftischen, und frische süsse Milch.
Izt gieng der Jüngling mit dem Mädchen unter das Dach, und sie lehrten die Jünglinge und die Mäd- chens den Gesang und das Saitenspiel. Erst lange
den Hain, die Lieder auf den Saiten zu ſingen, und glaube Mädchen, mich hats ein Gott im Hain gelehrt. Der flüchtige Blik des Mädchens ſtreifte oft ſchüchtern über den Jüngling hin und ruhete dann auf den Saiten. O ſchönes Mädchen! fuhr der Jüngling fort, indem ſein Auge ſchmachtend ſie anblikte, wie wär ich entzükt, wenn du mir vergönnteſt, mit dir in den Hain zu gehn, an deiner Seite ſizend, deinen Geſang mit dieſen Sai- ten zu folgen! Izt ſah das Mädchen auf. Jüng- ling, ſo ſprach es, froh bin ich, wenn dein Sai- tenſpiel meine Lieder begleitet; lieblicher wird es ſeyn als der Widerhall, und izt komm mit mir unter mein ſchattichtes Dach, denn die Mittags- Sonne brennet ſchon, ich will in meinem düſter- nen Schatten ſüſſe Früchte zum Mittagmahl dir auftiſchen, und friſche ſüſſe Milch.
Izt gieng der Jüngling mit dem Mädchen unter das Dach, und ſie lehrten die Jünglinge und die Mäd- chens den Geſang und das Saitenſpiel. Erſt lange
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den Hain, die Lieder auf den Saiten zu ſingen,
und glaube Mädchen, mich hats ein Gott im Hain
gelehrt. Der flüchtige Blik des Mädchens ſtreifte
oft ſchüchtern über den Jüngling hin und ruhete
dann auf den Saiten. O ſchönes Mädchen! fuhr
der Jüngling fort, indem ſein Auge ſchmachtend
ſie anblikte, wie wär ich entzükt, wenn du mir
vergönnteſt, mit dir in den Hain zu gehn, an
deiner Seite ſizend, deinen Geſang mit dieſen Sai-
ten zu folgen! Izt ſah das Mädchen auf. Jüng-
ling, ſo ſprach es, froh bin ich, wenn dein Sai-
tenſpiel meine Lieder begleitet; lieblicher wird
es ſeyn als der Widerhall, und izt komm mit mir
unter mein ſchattichtes Dach, denn die Mittags-
Sonne brennet ſchon, ich will in meinem düſter-
nen Schatten ſüſſe Früchte zum Mittagmahl dir
auftiſchen, und friſche ſüſſe Milch.
Izt gieng der Jüngling mit dem Mädchen unter das
Dach, und ſie lehrten die Jünglinge und die Mäd-
chens den Geſang und das Saitenſpiel. Erſt lange
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/103>, abgerufen am 25.07.2024.
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