Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Seyd willkommen, liebliche Blümchens umher;
gestern waret ihr Knospen, izt stehet ihr offen da;
euch grüssen die lieblichen Morgenlüfte, und die
summenden Bienchen, und der bunte Schmetter-
ling, er flattert froh um euch her, und trinket
euern Thau? So sang sie, oft unterbrochen, rund
umherspähend, denn die Stimme hatte den Ge-
sang wieder begleitet.

Izt stund sie schüchtern auf, nein, ich habe
mich nicht betrogen, jeden Ton hat die Stimme
begleitet. So sprach sie, als der Jüngling aus
dem Gebüsche hervor trat, mit Blumen bekränzt,
die Leyer unter dem Arm. Lächelnd nahm er des
schüchtern Mädchens Hand; O du schönes Mäd-
chen! sprach sein sanftlächelnder Mund mit lieb-
licher Stimme, kein beflügelter Bewohner des
Hains hat deinen Gesang nachgesungen; Ich war
es, der deinen Gesang mit diesen Saiten begleitete.
Alle Morgen gieng ich in den Hain, deinen Ge-
sang zu hören, und dann gieng ich einsam tief in

G

Seyd willkommen, liebliche Blümchens umher;
geſtern waret ihr Knoſpen, izt ſtehet ihr offen da;
euch grüſſen die lieblichen Morgenlüfte, und die
ſummenden Bienchen, und der bunte Schmetter-
ling, er flattert froh um euch her, und trinket
euern Thau? So ſang ſie, oft unterbrochen, rund
umherſpähend, denn die Stimme hatte den Ge-
ſang wieder begleitet.

Izt ſtund ſie ſchüchtern auf, nein, ich habe
mich nicht betrogen, jeden Ton hat die Stimme
begleitet. So ſprach ſie, als der Jüngling aus
dem Gebüſche hervor trat, mit Blumen bekränzt,
die Leyer unter dem Arm. Lächelnd nahm er des
ſchüchtern Mädchens Hand; O du ſchönes Mäd-
chen! ſprach ſein ſanftlächelnder Mund mit lieb-
licher Stimme, kein beflügelter Bewohner des
Hains hat deinen Geſang nachgeſungen; Ich war
es, der deinen Geſang mit dieſen Saiten begleitete.
Alle Morgen gieng ich in den Hain, deinen Ge-
ſang zu hören, und dann gieng ich einſam tief in

G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0102" n="97"/>
Seyd willkommen, liebliche Blümchens umher;<lb/>
ge&#x017F;tern waret ihr Kno&#x017F;pen, izt &#x017F;tehet ihr offen da;<lb/>
euch grü&#x017F;&#x017F;en die lieblichen Morgenlüfte, und die<lb/>
&#x017F;ummenden Bienchen, und der bunte Schmetter-<lb/>
ling, er flattert froh um euch her, und trinket<lb/>
euern Thau? So &#x017F;ang &#x017F;ie, oft unterbrochen, rund<lb/>
umher&#x017F;pähend, denn die Stimme hatte den Ge-<lb/>
&#x017F;ang wieder begleitet.</p><lb/>
        <p>Izt &#x017F;tund &#x017F;ie &#x017F;chüchtern auf, nein, ich habe<lb/>
mich nicht betrogen, jeden Ton hat die Stimme<lb/>
begleitet. So &#x017F;prach &#x017F;ie, als der Jüngling aus<lb/>
dem Gebü&#x017F;che hervor trat, mit Blumen bekränzt,<lb/>
die Leyer unter dem Arm. Lächelnd nahm er des<lb/>
&#x017F;chüchtern Mädchens Hand; O du &#x017F;chönes Mäd-<lb/>
chen! &#x017F;prach &#x017F;ein &#x017F;anftlächelnder Mund mit lieb-<lb/>
licher Stimme, kein beflügelter Bewohner des<lb/>
Hains hat deinen Ge&#x017F;ang nachge&#x017F;ungen; Ich war<lb/>
es, der deinen Ge&#x017F;ang mit die&#x017F;en Saiten begleitete.<lb/>
Alle Morgen gieng ich in den Hain, deinen Ge-<lb/>
&#x017F;ang zu hören, und dann gieng ich ein&#x017F;am tief in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0102] Seyd willkommen, liebliche Blümchens umher; geſtern waret ihr Knoſpen, izt ſtehet ihr offen da; euch grüſſen die lieblichen Morgenlüfte, und die ſummenden Bienchen, und der bunte Schmetter- ling, er flattert froh um euch her, und trinket euern Thau? So ſang ſie, oft unterbrochen, rund umherſpähend, denn die Stimme hatte den Ge- ſang wieder begleitet. Izt ſtund ſie ſchüchtern auf, nein, ich habe mich nicht betrogen, jeden Ton hat die Stimme begleitet. So ſprach ſie, als der Jüngling aus dem Gebüſche hervor trat, mit Blumen bekränzt, die Leyer unter dem Arm. Lächelnd nahm er des ſchüchtern Mädchens Hand; O du ſchönes Mäd- chen! ſprach ſein ſanftlächelnder Mund mit lieb- licher Stimme, kein beflügelter Bewohner des Hains hat deinen Geſang nachgeſungen; Ich war es, der deinen Geſang mit dieſen Saiten begleitete. Alle Morgen gieng ich in den Hain, deinen Ge- ſang zu hören, und dann gieng ich einſam tief in G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/102
Zitationshilfe: [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/102>, abgerufen am 21.11.2024.