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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.

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zween längern Stäbe, und spannte zwischen den
zween längern, Saiten an die kürzern fest; izt
hub seine Hand an zu spielen, und da bemerkt' er
die liebliche Verschiedenheit der Töne, der schwä-
chern und stärkern Saiten, dann band er sie wie-
der los und ordnete verschiednere Saiten, in eine
harmonischere Reihe, und izt hub er an zu spielen
und für Freude zu hüpfen.

Izt gieng der Jüngling, so oft der Morgen kam,
die neue Kunst zu üben in den dichten Hain, und
suchte zu den Liedern, die er von dem Mädchen
im Hain gehorchet hatte, harmonisch begleitende
Töne auf seinen Saiten. Aber man sagt, er habe
lang umsonst gesucht, und viele Töne haben den
Gesang nicht begleiten wollen, aber ein Gott sey
im Hain ihm erschienen, und habe die Saiten der
Leyer harmonisch geordnet und seine Lieder ihm
vorgespielt. Bey jedem Morgenroth sucht' er izt
das Mädchen im Hain, und lernte neue Lieder und
gieng dann an die Quelle zurük, auf seiner Leyer
sie nachzuspielen.

zween längern Stäbe, und ſpannte zwiſchen den
zween längern, Saiten an die kürzern feſt; izt
hub ſeine Hand an zu ſpielen, und da bemerkt' er
die liebliche Verſchiedenheit der Töne, der ſchwä-
chern und ſtärkern Saiten, dann band er ſie wie-
der los und ordnete verſchiednere Saiten, in eine
harmoniſchere Reihe, und izt hub er an zu ſpielen
und für Freude zu hüpfen.

Izt gieng der Jüngling, ſo oft der Morgen kam,
die neue Kunſt zu üben in den dichten Hain, und
ſuchte zu den Liedern, die er von dem Mädchen
im Hain gehorchet hatte, harmoniſch begleitende
Töne auf ſeinen Saiten. Aber man ſagt, er habe
lang umſonſt geſucht, und viele Töne haben den
Geſang nicht begleiten wollen, aber ein Gott ſey
im Hain ihm erſchienen, und habe die Saiten der
Leyer harmoniſch geordnet und ſeine Lieder ihm
vorgeſpielt. Bey jedem Morgenroth ſucht' er izt
das Mädchen im Hain, und lernte neue Lieder und
gieng dann an die Quelle zurük, auf ſeiner Leyer
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[95/0100] zween längern Stäbe, und ſpannte zwiſchen den zween längern, Saiten an die kürzern feſt; izt hub ſeine Hand an zu ſpielen, und da bemerkt' er die liebliche Verſchiedenheit der Töne, der ſchwä- chern und ſtärkern Saiten, dann band er ſie wie- der los und ordnete verſchiednere Saiten, in eine harmoniſchere Reihe, und izt hub er an zu ſpielen und für Freude zu hüpfen. Izt gieng der Jüngling, ſo oft der Morgen kam, die neue Kunſt zu üben in den dichten Hain, und ſuchte zu den Liedern, die er von dem Mädchen im Hain gehorchet hatte, harmoniſch begleitende Töne auf ſeinen Saiten. Aber man ſagt, er habe lang umſonſt geſucht, und viele Töne haben den Geſang nicht begleiten wollen, aber ein Gott ſey im Hain ihm erſchienen, und habe die Saiten der Leyer harmoniſch geordnet und ſeine Lieder ihm vorgeſpielt. Bey jedem Morgenroth ſucht' er izt das Mädchen im Hain, und lernte neue Lieder und gieng dann an die Quelle zurük, auf ſeiner Leyer ſie nachzuſpielen.

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Zitationshilfe: [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/100>, abgerufen am 12.05.2024.