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[Gessner, Christian Friedrich]: Der so nöthig als nützlichen Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 2. Leipzig, 1740.

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Cap. 2. Von Erfindung
da man eines genau wissen will, so muß man ja auch
das andere gewiß wissen können? So aber erzählt
und weiß man nur, was man gerne hören will. Und
eben deswegen ist diese Erzählung verdächtig, ob man
gleich so gar einige geschriebene Bücher dem Seth
zueignet.

Bald soll Enoch der Erfinder gewesen seyn. Sein
Alphabeth stehet auch auf unserer Tab. XXI. Jch will
doch gleich die andern Erfinder auch gar hersetzen:
Noah, Abraham, und Salomo sind ebenfalls un-
ter dieser Anzahl. Man weißt Bücher auf, die sie ge-
schrieben haben sollen; Man führt Beweise von einem
jeden, und stellt uns ihre Alphabete vor Augen, die
ich ebenfalls nachstechen lassen.

Alleine, nunmehro reime man doch diese Einfälle
alle mit einander zusammen. GOtt, die Engel,
Adam, Seth, Enoch, Noah, Abraham, Sa-
lomo, Moses
, haben die Buchstaben erfunden.
Und gleichwohl kan nicht mehr, als ein Erfinder ge-
wesen seyn? Man überlege ferner, daß unter den Ge-
lehrten noch heftig gestritten wird, ob auch die He-
bräischen Buchstaben die allerersten gewesen sind. Ein
jedes Volck bey nahe eignet sich die Ehre der Erfin-
dung der Buchstaben zu. Kommt man hier nicht in
ein Labyrinth daraus man sich kaum zu wickeln weiß?

Wenn ich nun meine Gedancken davon eröffnen
darf, so glaube ich gäntzlich, daß der erste Erfinder
der Buchstaben nimmermehr ausgemacht werden kan,
aus Mangel der hinlänglichen Nachrichten. Jch halte
ferner davor, daß die angegeben Erfinder alle erdich-
tet sind. Jnzwischen dringe ich diese Sätze Niemand
auf, gleichwie ich mir die Freyheit nehme dasjenige
gezunehmen, was mir am wahrscheinlichsten scheinet.

Eini-

Cap. 2. Von Erfindung
da man eines genau wiſſen will, ſo muß man ja auch
das andere gewiß wiſſen koͤnnen? So aber erzaͤhlt
und weiß man nur, was man gerne hoͤren will. Und
eben deswegen iſt dieſe Erzaͤhlung verdaͤchtig, ob man
gleich ſo gar einige geſchriebene Buͤcher dem Seth
zueignet.

Bald ſoll Enoch der Erfinder geweſen ſeyn. Sein
Alphabeth ſtehet auch auf unſerer Tab. XXI. Jch will
doch gleich die andern Erfinder auch gar herſetzen:
Noah, Abraham, und Salomo ſind ebenfalls un-
ter dieſer Anzahl. Man weißt Buͤcher auf, die ſie ge-
ſchrieben haben ſollen; Man fuͤhrt Beweiſe von einem
jeden, und ſtellt uns ihre Alphabete vor Augen, die
ich ebenfalls nachſtechen laſſen.

Alleine, nunmehro reime man doch dieſe Einfaͤlle
alle mit einander zuſammen. GOtt, die Engel,
Adam, Seth, Enoch, Noah, Abraham, Sa-
lomo, Moſes
, haben die Buchſtaben erfunden.
Und gleichwohl kan nicht mehr, als ein Erfinder ge-
weſen ſeyn? Man uͤberlege ferner, daß unter den Ge-
lehrten noch heftig geſtritten wird, ob auch die He-
braͤiſchen Buchſtaben die allererſten geweſen ſind. Ein
jedes Volck bey nahe eignet ſich die Ehre der Erfin-
dung der Buchſtaben zu. Kommt man hier nicht in
ein Labyrinth daraus man ſich kaum zu wickeln weiß?

Wenn ich nun meine Gedancken davon eroͤffnen
darf, ſo glaube ich gaͤntzlich, daß der erſte Erfinder
der Buchſtaben nimmermehr ausgemacht werden kan,
aus Mangel der hinlaͤnglichen Nachrichten. Jch halte
ferner davor, daß die angegeben Erfinder alle erdich-
tet ſind. Jnzwiſchen dringe ich dieſe Saͤtze Niemand
auf, gleichwie ich mir die Freyheit nehme dasjenige
gezunehmen, was mir am wahrſcheinlichſten ſcheinet.

Eini-
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[156/0232] Cap. 2. Von Erfindung da man eines genau wiſſen will, ſo muß man ja auch das andere gewiß wiſſen koͤnnen? So aber erzaͤhlt und weiß man nur, was man gerne hoͤren will. Und eben deswegen iſt dieſe Erzaͤhlung verdaͤchtig, ob man gleich ſo gar einige geſchriebene Buͤcher dem Seth zueignet. Bald ſoll Enoch der Erfinder geweſen ſeyn. Sein Alphabeth ſtehet auch auf unſerer Tab. XXI. Jch will doch gleich die andern Erfinder auch gar herſetzen: Noah, Abraham, und Salomo ſind ebenfalls un- ter dieſer Anzahl. Man weißt Buͤcher auf, die ſie ge- ſchrieben haben ſollen; Man fuͤhrt Beweiſe von einem jeden, und ſtellt uns ihre Alphabete vor Augen, die ich ebenfalls nachſtechen laſſen. Alleine, nunmehro reime man doch dieſe Einfaͤlle alle mit einander zuſammen. GOtt, die Engel, Adam, Seth, Enoch, Noah, Abraham, Sa- lomo, Moſes, haben die Buchſtaben erfunden. Und gleichwohl kan nicht mehr, als ein Erfinder ge- weſen ſeyn? Man uͤberlege ferner, daß unter den Ge- lehrten noch heftig geſtritten wird, ob auch die He- braͤiſchen Buchſtaben die allererſten geweſen ſind. Ein jedes Volck bey nahe eignet ſich die Ehre der Erfin- dung der Buchſtaben zu. Kommt man hier nicht in ein Labyrinth daraus man ſich kaum zu wickeln weiß? Wenn ich nun meine Gedancken davon eroͤffnen darf, ſo glaube ich gaͤntzlich, daß der erſte Erfinder der Buchſtaben nimmermehr ausgemacht werden kan, aus Mangel der hinlaͤnglichen Nachrichten. Jch halte ferner davor, daß die angegeben Erfinder alle erdich- tet ſind. Jnzwiſchen dringe ich dieſe Saͤtze Niemand auf, gleichwie ich mir die Freyheit nehme dasjenige gezunehmen, was mir am wahrſcheinlichſten ſcheinet. Eini-

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Zitationshilfe: [Gessner, Christian Friedrich]: Der so nöthig als nützlichen Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 2. Leipzig, 1740, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_buchdruckerkunst02_1740/232>, abgerufen am 25.11.2024.