Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.Kinder, die man sich unter der Gestalt von Heuschrecken nach Mörenhout dachte, galten für heilig und wurden hoch geehrt. Auch hier gab es fast in jedem Dorfe Leute, welche aus dem Kindermord Gewerbe machten (Williams 568) und doch, war einem Kinde auch nur eine Viertelstunde das Leben erhalten worden, so durfte es nicht mehr getödtet werden, und hatte dann sehr liebevolle, ja wohl zärtliche Eltern. Wo möglich noch roher waren die Bewohner der Sandwichsinseln. Hier herrschte der Kindermord namentlich in den unteren Klassen, von denen die Eltern selten, mochten die Ehen auch noch so fruchtbar sein, mehr als zwei oder drei, vielmehr oft nur ein Kind aufzogen. Auch hier sind (Ellis 4, 326-330) 2/3 der Kinder getödtet und zwar meist durch Erwürgen oder lebendig Einscharren, wobei man sie ohne Weiteres mit Erde bedeckte und diese mit den Füssen feststampfte. Hier begrub man die kleinen Leichen oft im eigenen Hause, ja im eigenen Schlafgemach der Eltern, während man zu Tahiti ihnen doch wenigstens einen Platz neben dem Hause gab. Oft waren es, hier wie zu Tahiti, die Eltern selbst, welche die grauenvolle That vollbrachten. In Hawaii war der Grund zu diesem Mord meist Trägheit nach Ellis 4, 329 und Eitelkeit der Weiber, nach Jarves 85. Während aber zu Tahiti die Kinder, welche die erste halbe Stunde überlebt hatten, gerettet waren und zärtlich aufgezogen wurden; so tödtete man zu Hawaii, mit viel grösserem Stumpfsinn, die Kinder auch noch nach einem Jahre, ja noch später. War ein Kind krank und machte Unruhe, so begrub man es lebendig, schrie es der Mutter zu unerträglich, so stopfte sie ihm ein Stück Zeug in den Mund und grub die unglückliche Creatur in die Erde, wenige Schritte von ihrem Bette, zu welchem sie nach vollbrachter That, als ob nichts geschehen wäre, ruhig zurückkehrte (Ellis 4, 330). Und selbst dies wird noch durch folgenden Fall, den Ellis gleichfalls (326) erzählt, überboten. Ein Mann und eine Frau, welche ein Kind, einen hübschen Jungen, nach Jarves (73) von sieben Jahren, hatten, geriethen über denselben in Streit und da die Frau nicht nachgab, ergriff der Vater das Kind bei Kopf und Fuss, brach ihm über seinem Knie den Rücken entzwei und warf die zuckende Leiche der Mutter zu Füssen! Tamehameha, bei dem die Unthat angezeigt wurde, erklärte, er könne nicht strafend eingreifen, da der Mann sein eigen Kind umgebracht habe. -- Auch in Neuseeland findet sich der Kindermord gar nicht selten (Angas 1, 313); er ist aber, wie in Tahiti, nicht mehr statthaft, wenn das Kind auch nur eine halbe Stunde gelebt habe. Will man es tödten, so wird es meist lebendig begraben oder bei der Geburt erwürgt. Rache ist häufig das Motiv hierzu, wegen harter Behandlung der Frau während ihrer Schwangerschaft, oder weil der Vater sie verliess oder aus irgend welchem anderen Grunde (Dieffenbach 2, 25 ff.). Trägheit aber steht auch hier in erster Linie. Kinder, die man sich unter der Gestalt von Heuschrecken nach Mörenhout dachte, galten für heilig und wurden hoch geehrt. Auch hier gab es fast in jedem Dorfe Leute, welche aus dem Kindermord Gewerbe machten (Williams 568) und doch, war einem Kinde auch nur eine Viertelstunde das Leben erhalten worden, so durfte es nicht mehr getödtet werden, und hatte dann sehr liebevolle, ja wohl zärtliche Eltern. Wo möglich noch roher waren die Bewohner der Sandwichsinseln. Hier herrschte der Kindermord namentlich in den unteren Klassen, von denen die Eltern selten, mochten die Ehen auch noch so fruchtbar sein, mehr als zwei oder drei, vielmehr oft nur ein Kind aufzogen. Auch hier sind (Ellis 4, 326-330) 2/3 der Kinder getödtet und zwar meist durch Erwürgen oder lebendig Einscharren, wobei man sie ohne Weiteres mit Erde bedeckte und diese mit den Füssen feststampfte. Hier begrub man die kleinen Leichen oft im eigenen Hause, ja im eigenen Schlafgemach der Eltern, während man zu Tahiti ihnen doch wenigstens einen Platz neben dem Hause gab. Oft waren es, hier wie zu Tahiti, die Eltern selbst, welche die grauenvolle That vollbrachten. In Hawaii war der Grund zu diesem Mord meist Trägheit nach Ellis 4, 329 und Eitelkeit der Weiber, nach Jarves 85. Während aber zu Tahiti die Kinder, welche die erste halbe Stunde überlebt hatten, gerettet waren und zärtlich aufgezogen wurden; so tödtete man zu Hawaii, mit viel grösserem Stumpfsinn, die Kinder auch noch nach einem Jahre, ja noch später. War ein Kind krank und machte Unruhe, so begrub man es lebendig, schrie es der Mutter zu unerträglich, so stopfte sie ihm ein Stück Zeug in den Mund und grub die unglückliche Creatur in die Erde, wenige Schritte von ihrem Bette, zu welchem sie nach vollbrachter That, als ob nichts geschehen wäre, ruhig zurückkehrte (Ellis 4, 330). Und selbst dies wird noch durch folgenden Fall, den Ellis gleichfalls (326) erzählt, überboten. Ein Mann und eine Frau, welche ein Kind, einen hübschen Jungen, nach Jarves (73) von sieben Jahren, hatten, geriethen über denselben in Streit und da die Frau nicht nachgab, ergriff der Vater das Kind bei Kopf und Fuss, brach ihm über seinem Knie den Rücken entzwei und warf die zuckende Leiche der Mutter zu Füssen! Tamehameha, bei dem die Unthat angezeigt wurde, erklärte, er könne nicht strafend eingreifen, da der Mann sein eigen Kind umgebracht habe. — Auch in Neuseeland findet sich der Kindermord gar nicht selten (Angas 1, 313); er ist aber, wie in Tahiti, nicht mehr statthaft, wenn das Kind auch nur eine halbe Stunde gelebt habe. Will man es tödten, so wird es meist lebendig begraben oder bei der Geburt erwürgt. Rache ist häufig das Motiv hierzu, wegen harter Behandlung der Frau während ihrer Schwangerschaft, oder weil der Vater sie verliess oder aus irgend welchem anderen Grunde (Dieffenbach 2, 25 ff.). Trägheit aber steht auch hier in erster Linie. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0069"/> Kinder, die man sich unter der Gestalt von Heuschrecken nach Mörenhout dachte, galten für heilig und wurden hoch geehrt. Auch hier gab es fast in jedem Dorfe Leute, welche aus dem Kindermord Gewerbe machten (Williams 568) und doch, war einem Kinde auch nur eine Viertelstunde das Leben erhalten worden, so durfte es nicht mehr getödtet werden, und hatte dann sehr liebevolle, ja wohl zärtliche Eltern.</p> <p>Wo möglich noch roher waren die Bewohner der Sandwichsinseln. Hier herrschte der Kindermord namentlich in den unteren Klassen, von denen die Eltern selten, mochten die Ehen auch noch so fruchtbar sein, mehr als zwei oder drei, vielmehr oft nur ein Kind aufzogen. Auch hier sind (Ellis 4, 326-330) 2/3 der Kinder getödtet und zwar meist durch Erwürgen oder lebendig Einscharren, wobei man sie ohne Weiteres mit Erde bedeckte und diese mit den Füssen feststampfte. Hier begrub man die kleinen Leichen oft im eigenen Hause, ja im eigenen Schlafgemach der Eltern, während man zu Tahiti ihnen doch wenigstens einen Platz neben dem Hause gab. Oft waren es, hier wie zu Tahiti, die Eltern selbst, welche die grauenvolle That vollbrachten. In Hawaii war der Grund zu diesem Mord meist Trägheit nach Ellis 4, 329 und Eitelkeit der Weiber, nach Jarves 85. Während aber zu Tahiti die Kinder, welche die erste halbe Stunde überlebt hatten, gerettet waren und zärtlich aufgezogen wurden; so tödtete man zu Hawaii, mit viel grösserem Stumpfsinn, die Kinder auch noch nach einem Jahre, ja noch später. War ein Kind krank und machte Unruhe, so begrub man es lebendig, schrie es der Mutter zu unerträglich, so stopfte sie ihm ein Stück Zeug in den Mund und grub die unglückliche Creatur in die Erde, wenige Schritte von ihrem Bette, zu welchem sie nach vollbrachter That, als ob nichts geschehen wäre, ruhig zurückkehrte (Ellis 4, 330). Und selbst dies wird noch durch folgenden Fall, den Ellis gleichfalls (326) erzählt, überboten. Ein Mann und eine Frau, welche ein Kind, einen hübschen Jungen, nach Jarves (73) von sieben Jahren, hatten, geriethen über denselben in Streit und da die Frau nicht nachgab, ergriff der Vater das Kind bei Kopf und Fuss, brach ihm über seinem Knie den Rücken entzwei und warf die zuckende Leiche der Mutter zu Füssen! Tamehameha, bei dem die Unthat angezeigt wurde, erklärte, er könne nicht strafend eingreifen, da der Mann sein eigen Kind umgebracht habe. — Auch in Neuseeland findet sich der Kindermord gar nicht selten (Angas 1, 313); er ist aber, wie in Tahiti, nicht mehr statthaft, wenn das Kind auch nur eine halbe Stunde gelebt habe. Will man es tödten, so wird es meist lebendig begraben oder bei der Geburt erwürgt. Rache ist häufig das Motiv hierzu, wegen harter Behandlung der Frau während ihrer Schwangerschaft, oder weil der Vater sie verliess oder aus irgend welchem anderen Grunde (Dieffenbach 2, 25 ff.). Trägheit aber steht auch hier in erster Linie. </p> </div> </body> </text> </TEI> [0069]
Kinder, die man sich unter der Gestalt von Heuschrecken nach Mörenhout dachte, galten für heilig und wurden hoch geehrt. Auch hier gab es fast in jedem Dorfe Leute, welche aus dem Kindermord Gewerbe machten (Williams 568) und doch, war einem Kinde auch nur eine Viertelstunde das Leben erhalten worden, so durfte es nicht mehr getödtet werden, und hatte dann sehr liebevolle, ja wohl zärtliche Eltern.
Wo möglich noch roher waren die Bewohner der Sandwichsinseln. Hier herrschte der Kindermord namentlich in den unteren Klassen, von denen die Eltern selten, mochten die Ehen auch noch so fruchtbar sein, mehr als zwei oder drei, vielmehr oft nur ein Kind aufzogen. Auch hier sind (Ellis 4, 326-330) 2/3 der Kinder getödtet und zwar meist durch Erwürgen oder lebendig Einscharren, wobei man sie ohne Weiteres mit Erde bedeckte und diese mit den Füssen feststampfte. Hier begrub man die kleinen Leichen oft im eigenen Hause, ja im eigenen Schlafgemach der Eltern, während man zu Tahiti ihnen doch wenigstens einen Platz neben dem Hause gab. Oft waren es, hier wie zu Tahiti, die Eltern selbst, welche die grauenvolle That vollbrachten. In Hawaii war der Grund zu diesem Mord meist Trägheit nach Ellis 4, 329 und Eitelkeit der Weiber, nach Jarves 85. Während aber zu Tahiti die Kinder, welche die erste halbe Stunde überlebt hatten, gerettet waren und zärtlich aufgezogen wurden; so tödtete man zu Hawaii, mit viel grösserem Stumpfsinn, die Kinder auch noch nach einem Jahre, ja noch später. War ein Kind krank und machte Unruhe, so begrub man es lebendig, schrie es der Mutter zu unerträglich, so stopfte sie ihm ein Stück Zeug in den Mund und grub die unglückliche Creatur in die Erde, wenige Schritte von ihrem Bette, zu welchem sie nach vollbrachter That, als ob nichts geschehen wäre, ruhig zurückkehrte (Ellis 4, 330). Und selbst dies wird noch durch folgenden Fall, den Ellis gleichfalls (326) erzählt, überboten. Ein Mann und eine Frau, welche ein Kind, einen hübschen Jungen, nach Jarves (73) von sieben Jahren, hatten, geriethen über denselben in Streit und da die Frau nicht nachgab, ergriff der Vater das Kind bei Kopf und Fuss, brach ihm über seinem Knie den Rücken entzwei und warf die zuckende Leiche der Mutter zu Füssen! Tamehameha, bei dem die Unthat angezeigt wurde, erklärte, er könne nicht strafend eingreifen, da der Mann sein eigen Kind umgebracht habe. — Auch in Neuseeland findet sich der Kindermord gar nicht selten (Angas 1, 313); er ist aber, wie in Tahiti, nicht mehr statthaft, wenn das Kind auch nur eine halbe Stunde gelebt habe. Will man es tödten, so wird es meist lebendig begraben oder bei der Geburt erwürgt. Rache ist häufig das Motiv hierzu, wegen harter Behandlung der Frau während ihrer Schwangerschaft, oder weil der Vater sie verliess oder aus irgend welchem anderen Grunde (Dieffenbach 2, 25 ff.). Trägheit aber steht auch hier in erster Linie.
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Zitationshilfe: | Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/69>, abgerufen am 16.02.2025. |