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Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

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werfen.*)" Also auch hier dieselbe Auffassung wie überall in Südamerika und sicher auch derselbe Gebrauch. Schon die Seltenheit von Zwillingen spricht dafür; und wenn die Indianer nie von Zwillingen sprechen, so erklärt sich das aus dem herrschenden Gebrauch, von der Ermordung der Kinder überhaupt nicht zu reden; man thut, als seien sie eines natürlichen Todes gestorben: "Das arme Kind konnte nicht mit uns Schritt halten; man hat nichts mehr von ihm gesehen" (Humboldt 64, 226).

Auch bei den Kulturvölkern Amerikas herrschte derselbe Brauch. Die Mexikaner, in dem Glauben, dass Zwillinge den Tod des Vaters oder der Mutter vorbedeuteten, tödteten oft das eine der beiden Kinder (Waitz 4, 164). Die Chibchas, in Neu-Granada, thaten dasselbe, weil sie in Zwillingsgeburten die Folge grober Ausschweifungen sahen (eb. 4, 367). Auch in Peru galten Zwillinge als üble Vorbedeutung für die Eltern, der man in vielen Theilen des Landes durch Fasten (eb. 417), in anderen durch Tödtung eines der Kinder vorzubeugen suchte (eb. 461). Die darischen Weiber sollen ihre Kinder getödtet haben, um ihre Schönheit zu bewahren (350). Die zu den Chibchas gehörenden Panches tödteten alle ihre Kinder, so lange ihnen nur Mädchen geboren wurden (eb. 376); und hier mag denn den Schluss die Bemerkung bilden, dass die vielfach vorkommende Tödtung der Mädchen ursprünglich wohl nicht den Grund hatte, den Töchtern ein schlimmes Lebensloos zu ersparen, welche Auffassung gleichwohl späterhin gegolten haben mag: der Hauptgrund war gewiss ein abergläubisch-religiöser oder wenigstens der, dass man Knaben der Kriegstüchtigkeit halber und weil man sie für vortrefflicher hielt, lieber sah als Mädchen.

Dieselben Sitten galten in Neuholland. Stirbt die Mutter eines Säuglings, so wird derselbe mit ihr begraben und von Zwillingen stets das eine Kind getödtet (Freycinet 2, 747), in Ost- und Westaustralien; missgestaltete Kinder oder solche, die bei der Geburt Schmerzen machen -- diese alle gewiss, weil man sie von bösen Geistern besessen glaubt -- tödtet man gleichfalls, so wie alle Kinder von europäischen Vätern, welche die Mutter verliessen (Grey 2, 251. Bennet 1, 122). Von Mischlingskindern tödtet man nach Breton (231) indess nur die Knaben, nicht die Mädchen, während sonst die Mädchen so vorzugsweise getödtet werden, dass nach Grey (2, 251) das Verhältniss der Weiber und Männer wie 1: 3 ist. Jede Mutter tödtet ihr drittes, bisweilen schon ihr zweites Mädchen, wenn es nicht eine fremde Frau als ihr Kind annimmt (Salvado 111). Fehlgeburten werden oft herbeigeführt und Neugeborene oft getödtet, um der Last und der Schwierigkeit, Kinder aufzuziehen, zu entgehen (Mei-

*) Zwillinge werden fast von allen Naturvölkern getödtet: auch von den Negern (Waitz 2, 124).

werfen.*)" Also auch hier dieselbe Auffassung wie überall in Südamerika und sicher auch derselbe Gebrauch. Schon die Seltenheit von Zwillingen spricht dafür; und wenn die Indianer nie von Zwillingen sprechen, so erklärt sich das aus dem herrschenden Gebrauch, von der Ermordung der Kinder überhaupt nicht zu reden; man thut, als seien sie eines natürlichen Todes gestorben: »Das arme Kind konnte nicht mit uns Schritt halten; man hat nichts mehr von ihm gesehen« (Humboldt 64, 226).

Auch bei den Kulturvölkern Amerikas herrschte derselbe Brauch. Die Mexikaner, in dem Glauben, dass Zwillinge den Tod des Vaters oder der Mutter vorbedeuteten, tödteten oft das eine der beiden Kinder (Waitz 4, 164). Die Chibchas, in Neu-Granada, thaten dasselbe, weil sie in Zwillingsgeburten die Folge grober Ausschweifungen sahen (eb. 4, 367). Auch in Peru galten Zwillinge als üble Vorbedeutung für die Eltern, der man in vielen Theilen des Landes durch Fasten (eb. 417), in anderen durch Tödtung eines der Kinder vorzubeugen suchte (eb. 461). Die darischen Weiber sollen ihre Kinder getödtet haben, um ihre Schönheit zu bewahren (350). Die zu den Chibchas gehörenden Panches tödteten alle ihre Kinder, so lange ihnen nur Mädchen geboren wurden (eb. 376); und hier mag denn den Schluss die Bemerkung bilden, dass die vielfach vorkommende Tödtung der Mädchen ursprünglich wohl nicht den Grund hatte, den Töchtern ein schlimmes Lebensloos zu ersparen, welche Auffassung gleichwohl späterhin gegolten haben mag: der Hauptgrund war gewiss ein abergläubisch-religiöser oder wenigstens der, dass man Knaben der Kriegstüchtigkeit halber und weil man sie für vortrefflicher hielt, lieber sah als Mädchen.

Dieselben Sitten galten in Neuholland. Stirbt die Mutter eines Säuglings, so wird derselbe mit ihr begraben und von Zwillingen stets das eine Kind getödtet (Freycinet 2, 747), in Ost- und Westaustralien; missgestaltete Kinder oder solche, die bei der Geburt Schmerzen machen — diese alle gewiss, weil man sie von bösen Geistern besessen glaubt — tödtet man gleichfalls, so wie alle Kinder von europäischen Vätern, welche die Mutter verliessen (Grey 2, 251. Bennet 1, 122). Von Mischlingskindern tödtet man nach Breton (231) indess nur die Knaben, nicht die Mädchen, während sonst die Mädchen so vorzugsweise getödtet werden, dass nach Grey (2, 251) das Verhältniss der Weiber und Männer wie 1: 3 ist. Jede Mutter tödtet ihr drittes, bisweilen schon ihr zweites Mädchen, wenn es nicht eine fremde Frau als ihr Kind annimmt (Salvado 111). Fehlgeburten werden oft herbeigeführt und Neugeborene oft getödtet, um der Last und der Schwierigkeit, Kinder aufzuziehen, zu entgehen (Mei-

*) Zwillinge werden fast von allen Naturvölkern getödtet: auch von den Negern (Waitz 2, 124).
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 derselbe Gebrauch. Schon die Seltenheit von Zwillingen spricht
 dafür; und wenn die Indianer nie von Zwillingen sprechen, so
 erklärt sich das aus dem herrschenden Gebrauch, von der
 Ermordung der Kinder überhaupt nicht zu reden; man thut, als
 seien sie eines natürlichen Todes gestorben: »Das arme
 Kind konnte nicht mit uns Schritt halten; man hat nichts mehr von
 ihm gesehen« (Humboldt 64, 226).</p>
        <p>Auch bei den Kulturvölkern Amerikas herrschte derselbe
 Brauch. Die Mexikaner, in dem Glauben, dass Zwillinge den Tod des
 Vaters oder der Mutter vorbedeuteten, tödteten oft das eine
 der beiden Kinder (Waitz 4, 164). Die Chibchas, in Neu-Granada,
 thaten dasselbe, weil sie in Zwillingsgeburten die Folge grober
 Ausschweifungen sahen (eb. 4, 367). Auch in Peru galten Zwillinge
 als üble Vorbedeutung für die Eltern, der man in vielen
 Theilen des Landes durch Fasten (eb. 417), in anderen durch
 Tödtung eines der Kinder vorzubeugen suchte (eb. 461). Die
 darischen Weiber sollen ihre Kinder getödtet haben, um ihre
 Schönheit zu bewahren (350). Die zu den Chibchas
 gehörenden Panches tödteten alle ihre Kinder, so lange
 ihnen nur Mädchen geboren wurden (eb. 376); und hier mag denn
 den Schluss die Bemerkung bilden, dass die vielfach vorkommende
 Tödtung der Mädchen ursprünglich wohl nicht den
 Grund hatte, den Töchtern ein schlimmes Lebensloos zu
 ersparen, welche Auffassung gleichwohl späterhin gegolten
 haben mag: der Hauptgrund war gewiss ein
 abergläubisch-religiöser oder wenigstens der, dass man
 Knaben der Kriegstüchtigkeit halber und weil man sie für
 vortrefflicher hielt, lieber sah als Mädchen.</p>
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 Säuglings, so wird derselbe mit ihr begraben und von
 Zwillingen stets das eine Kind getödtet (Freycinet 2, 747), in
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 der Geburt Schmerzen machen &#x2014; diese alle gewiss, weil man sie
 von bösen Geistern besessen glaubt &#x2014; tödtet man
 gleichfalls, so wie alle Kinder von europäischen Vätern,
 welche die Mutter verliessen (Grey 2, 251. Bennet 1, 122). Von
 Mischlingskindern tödtet man nach Breton (231) indess nur die
 Knaben, nicht die Mädchen, während sonst die Mädchen
 so vorzugsweise getödtet werden, dass nach Grey (2, 251) das
 Verhältniss der Weiber und Männer wie 1: 3 ist. Jede
 Mutter tödtet ihr drittes, bisweilen schon ihr zweites
 Mädchen, wenn es nicht eine fremde Frau als ihr Kind annimmt
 (Salvado 111). Fehlgeburten werden oft herbeigeführt und
 Neugeborene oft getödtet, um der Last und der Schwierigkeit,
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[0065] werfen. *)" Also auch hier dieselbe Auffassung wie überall in Südamerika und sicher auch derselbe Gebrauch. Schon die Seltenheit von Zwillingen spricht dafür; und wenn die Indianer nie von Zwillingen sprechen, so erklärt sich das aus dem herrschenden Gebrauch, von der Ermordung der Kinder überhaupt nicht zu reden; man thut, als seien sie eines natürlichen Todes gestorben: »Das arme Kind konnte nicht mit uns Schritt halten; man hat nichts mehr von ihm gesehen« (Humboldt 64, 226). Auch bei den Kulturvölkern Amerikas herrschte derselbe Brauch. Die Mexikaner, in dem Glauben, dass Zwillinge den Tod des Vaters oder der Mutter vorbedeuteten, tödteten oft das eine der beiden Kinder (Waitz 4, 164). Die Chibchas, in Neu-Granada, thaten dasselbe, weil sie in Zwillingsgeburten die Folge grober Ausschweifungen sahen (eb. 4, 367). Auch in Peru galten Zwillinge als üble Vorbedeutung für die Eltern, der man in vielen Theilen des Landes durch Fasten (eb. 417), in anderen durch Tödtung eines der Kinder vorzubeugen suchte (eb. 461). Die darischen Weiber sollen ihre Kinder getödtet haben, um ihre Schönheit zu bewahren (350). Die zu den Chibchas gehörenden Panches tödteten alle ihre Kinder, so lange ihnen nur Mädchen geboren wurden (eb. 376); und hier mag denn den Schluss die Bemerkung bilden, dass die vielfach vorkommende Tödtung der Mädchen ursprünglich wohl nicht den Grund hatte, den Töchtern ein schlimmes Lebensloos zu ersparen, welche Auffassung gleichwohl späterhin gegolten haben mag: der Hauptgrund war gewiss ein abergläubisch-religiöser oder wenigstens der, dass man Knaben der Kriegstüchtigkeit halber und weil man sie für vortrefflicher hielt, lieber sah als Mädchen. Dieselben Sitten galten in Neuholland. Stirbt die Mutter eines Säuglings, so wird derselbe mit ihr begraben und von Zwillingen stets das eine Kind getödtet (Freycinet 2, 747), in Ost- und Westaustralien; missgestaltete Kinder oder solche, die bei der Geburt Schmerzen machen — diese alle gewiss, weil man sie von bösen Geistern besessen glaubt — tödtet man gleichfalls, so wie alle Kinder von europäischen Vätern, welche die Mutter verliessen (Grey 2, 251. Bennet 1, 122). Von Mischlingskindern tödtet man nach Breton (231) indess nur die Knaben, nicht die Mädchen, während sonst die Mädchen so vorzugsweise getödtet werden, dass nach Grey (2, 251) das Verhältniss der Weiber und Männer wie 1: 3 ist. Jede Mutter tödtet ihr drittes, bisweilen schon ihr zweites Mädchen, wenn es nicht eine fremde Frau als ihr Kind annimmt (Salvado 111). Fehlgeburten werden oft herbeigeführt und Neugeborene oft getödtet, um der Last und der Schwierigkeit, Kinder aufzuziehen, zu entgehen (Mei- *) Zwillinge werden fast von allen Naturvölkern getödtet: auch von den Negern (Waitz 2, 124).

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Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/65>, abgerufen am 24.11.2024.