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Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

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ausser den direkten Vernichtungskriegen, das geistige und leibliche Verkommen der Eingeborenen in Folge der plötzlich eingeführten Kultur und vor allen die tiefe Niedergeschlagenheit, welche sich der Indianer, als sie ihre Ohnmacht sahen und sahen, wie sie rechtlos zertreten wurden, bemächtigte und die bei ihrer schon vorzugsweise melancholischen Natur doppelt gefährlich wirkte. Dazu kommen nun noch als gleichfalls sehr wichtige Faktoren zweitens die heftigen Kriege, die sie untereinander führten, drittens die in Folge der Lebensweise geringere Fruchtbarkeit der Weiber und viertens in Südamerika (in Nordamerika war beides zu wenig verbreitet) der Kindermord, die Ausschweifungen, namentlich der Trunk.

Und hier müssen wir auf jene schon oben (S. 11) erwähnte Beobachtung Tschudis zurückkommen, dass amerikanische Völker, nach einem sehr verheerenden Krieg, nach einer sehr schlimmen Epidemie sich nie wieder zu ihrer früheren Kraft erhöben, sondern höchstens in diesem reducirten Zustand ein elendes Leben weiter fristeten. Diese betrübende Erscheinung ist leider nur allzunatürlich. Denn wie ein menschlicher Organismus, der sich von einer furchtbaren Krankheit erholt, nur durch lange und sorgsame Pflege seine frühere Kraft wieder zu gewinnen im Stande ist: eben so ist es der Fall bei ganzen Völkern. Durch das von uns geschilderte mannigfache Elend aber, in welchem diese Stämme sich auch sonst noch befinden, werden alle ihre Kräfte schon auf die Erhaltung des Lebens, wie es nun einmal ist, absorbirt und es bleibt kein Ueberschuss übrig für Wiederherstellung des Verlorenen oder Verletzten. Auch wird durch solche furchtbare Schicksale die Lebenskraft selbst schwer verletzt, indem bei so massenhaftem Elend nothwendig lähmende Melancholie oder Apathie eintritt.

Die Fruchtbarkeit der Weiber, ja auch der Zeugungstrieb der Männer wird durch den steten Druck der Sorge und Noth, der fast noch schwerer auf der Seele ruht als auf dem Leib, wesentlich beeinträchtigt; und ein Schlag, den diese Völker, wenn sie sich in besserer, hoffnungsvollerer Lage befänden, mehr oder minder leicht überwinden würden, muss jetzt nothwendig höchst gefährlich, ja tödtlich auf sie wirken. Schaffte man das Elend, das leiblich und geistig auf ihnen lastet, weg -- wozu indess ebenso viel Umsicht und Energie als Ausdauer und Zeit gehörte -- so würden auch solche reducirten Völker sich heben und mit den Jahren, die man nicht allzu kärglich bemessen dürfte, das werden, woran die südamerikanischen Staaten denn doch keinen allzugrossen Ueberfluss haben: brauchbare und zuverlässige Bürger. Die Indianerstämme, welche man jetzt in den Wäldern verkommen lässt oder gar absichtlich mordet und ausrottet, sind ein Capital, was bei vernünftiger Behandlung für die Zukunft reichlich Zinsen tragen würde und was man jetzt muthwillig und absichtlich vergeudet.

ausser den direkten Vernichtungskriegen, das geistige und leibliche Verkommen der Eingeborenen in Folge der plötzlich eingeführten Kultur und vor allen die tiefe Niedergeschlagenheit, welche sich der Indianer, als sie ihre Ohnmacht sahen und sahen, wie sie rechtlos zertreten wurden, bemächtigte und die bei ihrer schon vorzugsweise melancholischen Natur doppelt gefährlich wirkte. Dazu kommen nun noch als gleichfalls sehr wichtige Faktoren zweitens die heftigen Kriege, die sie untereinander führten, drittens die in Folge der Lebensweise geringere Fruchtbarkeit der Weiber und viertens in Südamerika (in Nordamerika war beides zu wenig verbreitet) der Kindermord, die Ausschweifungen, namentlich der Trunk.

Und hier müssen wir auf jene schon oben (S. 11) erwähnte Beobachtung Tschudis zurückkommen, dass amerikanische Völker, nach einem sehr verheerenden Krieg, nach einer sehr schlimmen Epidemie sich nie wieder zu ihrer früheren Kraft erhöben, sondern höchstens in diesem reducirten Zustand ein elendes Leben weiter fristeten. Diese betrübende Erscheinung ist leider nur allzunatürlich. Denn wie ein menschlicher Organismus, der sich von einer furchtbaren Krankheit erholt, nur durch lange und sorgsame Pflege seine frühere Kraft wieder zu gewinnen im Stande ist: eben so ist es der Fall bei ganzen Völkern. Durch das von uns geschilderte mannigfache Elend aber, in welchem diese Stämme sich auch sonst noch befinden, werden alle ihre Kräfte schon auf die Erhaltung des Lebens, wie es nun einmal ist, absorbirt und es bleibt kein Ueberschuss übrig für Wiederherstellung des Verlorenen oder Verletzten. Auch wird durch solche furchtbare Schicksale die Lebenskraft selbst schwer verletzt, indem bei so massenhaftem Elend nothwendig lähmende Melancholie oder Apathie eintritt.

Die Fruchtbarkeit der Weiber, ja auch der Zeugungstrieb der Männer wird durch den steten Druck der Sorge und Noth, der fast noch schwerer auf der Seele ruht als auf dem Leib, wesentlich beeinträchtigt; und ein Schlag, den diese Völker, wenn sie sich in besserer, hoffnungsvollerer Lage befänden, mehr oder minder leicht überwinden würden, muss jetzt nothwendig höchst gefährlich, ja tödtlich auf sie wirken. Schaffte man das Elend, das leiblich und geistig auf ihnen lastet, weg — wozu indess ebenso viel Umsicht und Energie als Ausdauer und Zeit gehörte — so würden auch solche reducirten Völker sich heben und mit den Jahren, die man nicht allzu kärglich bemessen dürfte, das werden, woran die südamerikanischen Staaten denn doch keinen allzugrossen Ueberfluss haben: brauchbare und zuverlässige Bürger. Die Indianerstämme, welche man jetzt in den Wäldern verkommen lässt oder gar absichtlich mordet und ausrottet, sind ein Capital, was bei vernünftiger Behandlung für die Zukunft reichlich Zinsen tragen würde und was man jetzt muthwillig und absichtlich vergeudet.

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 Ohnmacht sahen und sahen, wie sie rechtlos zertreten wurden,
 bemächtigte und die bei ihrer schon vorzugsweise
 melancholischen Natur doppelt gefährlich wirkte. Dazu kommen
 nun noch als gleichfalls sehr wichtige Faktoren zweitens die
 heftigen Kriege, die sie untereinander führten, drittens die
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 viertens in Südamerika (in Nordamerika war beides zu wenig
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 amerikanische Völker, nach einem sehr verheerenden Krieg, nach
 einer sehr schlimmen Epidemie sich nie wieder zu ihrer
 früheren Kraft erhöben, sondern höchstens in diesem
 reducirten Zustand ein elendes Leben weiter fristeten. Diese
 betrübende Erscheinung ist leider nur allzunatürlich.
 Denn wie ein menschlicher Organismus, der sich von einer
 furchtbaren Krankheit erholt, nur durch lange und sorgsame Pflege
 seine frühere Kraft wieder zu gewinnen im Stande ist: eben so
 ist es der Fall bei ganzen Völkern. Durch das von uns
 geschilderte mannigfache Elend aber, in welchem diese Stämme
 sich auch sonst noch befinden, werden alle ihre Kräfte schon
 auf die Erhaltung des Lebens, wie es nun einmal ist, absorbirt und
 es bleibt kein Ueberschuss übrig für Wiederherstellung
 des Verlorenen oder Verletzten. Auch wird durch solche furchtbare
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[0129] ausser den direkten Vernichtungskriegen, das geistige und leibliche Verkommen der Eingeborenen in Folge der plötzlich eingeführten Kultur und vor allen die tiefe Niedergeschlagenheit, welche sich der Indianer, als sie ihre Ohnmacht sahen und sahen, wie sie rechtlos zertreten wurden, bemächtigte und die bei ihrer schon vorzugsweise melancholischen Natur doppelt gefährlich wirkte. Dazu kommen nun noch als gleichfalls sehr wichtige Faktoren zweitens die heftigen Kriege, die sie untereinander führten, drittens die in Folge der Lebensweise geringere Fruchtbarkeit der Weiber und viertens in Südamerika (in Nordamerika war beides zu wenig verbreitet) der Kindermord, die Ausschweifungen, namentlich der Trunk. Und hier müssen wir auf jene schon oben (S. 11) erwähnte Beobachtung Tschudis zurückkommen, dass amerikanische Völker, nach einem sehr verheerenden Krieg, nach einer sehr schlimmen Epidemie sich nie wieder zu ihrer früheren Kraft erhöben, sondern höchstens in diesem reducirten Zustand ein elendes Leben weiter fristeten. Diese betrübende Erscheinung ist leider nur allzunatürlich. Denn wie ein menschlicher Organismus, der sich von einer furchtbaren Krankheit erholt, nur durch lange und sorgsame Pflege seine frühere Kraft wieder zu gewinnen im Stande ist: eben so ist es der Fall bei ganzen Völkern. Durch das von uns geschilderte mannigfache Elend aber, in welchem diese Stämme sich auch sonst noch befinden, werden alle ihre Kräfte schon auf die Erhaltung des Lebens, wie es nun einmal ist, absorbirt und es bleibt kein Ueberschuss übrig für Wiederherstellung des Verlorenen oder Verletzten. Auch wird durch solche furchtbare Schicksale die Lebenskraft selbst schwer verletzt, indem bei so massenhaftem Elend nothwendig lähmende Melancholie oder Apathie eintritt. Die Fruchtbarkeit der Weiber, ja auch der Zeugungstrieb der Männer wird durch den steten Druck der Sorge und Noth, der fast noch schwerer auf der Seele ruht als auf dem Leib, wesentlich beeinträchtigt; und ein Schlag, den diese Völker, wenn sie sich in besserer, hoffnungsvollerer Lage befänden, mehr oder minder leicht überwinden würden, muss jetzt nothwendig höchst gefährlich, ja tödtlich auf sie wirken. Schaffte man das Elend, das leiblich und geistig auf ihnen lastet, weg — wozu indess ebenso viel Umsicht und Energie als Ausdauer und Zeit gehörte — so würden auch solche reducirten Völker sich heben und mit den Jahren, die man nicht allzu kärglich bemessen dürfte, das werden, woran die südamerikanischen Staaten denn doch keinen allzugrossen Ueberfluss haben: brauchbare und zuverlässige Bürger. Die Indianerstämme, welche man jetzt in den Wäldern verkommen lässt oder gar absichtlich mordet und ausrottet, sind ein Capital, was bei vernünftiger Behandlung für die Zukunft reichlich Zinsen tragen würde und was man jetzt muthwillig und absichtlich vergeudet.

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Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/129>, abgerufen am 24.11.2024.