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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
wehrte es ihm in meinen Gedanken schon, und
wünschte, daß er in meiner Gesellschaft möchte
zurück reisen können. Der Jude kam und ver-
sicherte mich, daß er seinen Gast sehr wohl auf-
gehoben, und ihn in das Haus gebracht hätte,
das er meinem verstorbenen Gemahle vor zwey
Jahren abgekauft. Jch erschrack über diese
Nachricht, als ob sie von einer Vorbedeutung
wäre, und ich war zugleich mit seiner Anstalt
zufrieden. Jch rief den alten deutschen Be-
dienten, der mir von Curland aus nach Mos-
kau und von Moskau nach Siberien gefolgt
war, und den ich itzt noch bey mir habe, u. befahl
ihm, daß er mit dem Juden gehn und sehn sollte,
was der Herr, der heute aus dem Arreste gekom-
men, in seiner Wohnung brauchte, weil er
nach dem Befehle des Hofs bis zu seiner Ab-
reise als eine Standsperson versorgt werden
sollte. Er kam wieder und sagte mir, daß er,
bis auf das weisse Geräthe und eine Madratze
zum Schlafen, mit den nöthigsten Meubeln
versehn wäre. Jch reichte ihm alles selbst, was
er foderte, und zwar von jeder Art das Kost-
barste, und war unwillig, daß der Bedien-
te nicht mehr verlangte. Jch sagte ihm, daß
er die Stücke genau zählen sollte, damit keines
verlohren gienge, und mein Herz wußte doch
nicht das geringste von dieser wirthschaftlichen
Sorgfalt. Jch hieß ihn noch ein Flaschenfut-

ter
G 2

Graͤfinn von G**
wehrte es ihm in meinen Gedanken ſchon, und
wuͤnſchte, daß er in meiner Geſellſchaft moͤchte
zuruͤck reiſen koͤnnen. Der Jude kam und ver-
ſicherte mich, daß er ſeinen Gaſt ſehr wohl auf-
gehoben, und ihn in das Haus gebracht haͤtte,
das er meinem verſtorbenen Gemahle vor zwey
Jahren abgekauft. Jch erſchrack uͤber dieſe
Nachricht, als ob ſie von einer Vorbedeutung
waͤre, und ich war zugleich mit ſeiner Anſtalt
zufrieden. Jch rief den alten deutſchen Be-
dienten, der mir von Curland aus nach Mos-
kau und von Moskau nach Siberien gefolgt
war, und den ich itzt noch bey mir habe, u. befahl
ihm, daß er mit dem Juden gehn und ſehn ſollte,
was der Herr, der heute aus dem Arreſte gekom-
men, in ſeiner Wohnung brauchte, weil er
nach dem Befehle des Hofs bis zu ſeiner Ab-
reiſe als eine Standsperſon verſorgt werden
ſollte. Er kam wieder und ſagte mir, daß er,
bis auf das weiſſe Geraͤthe und eine Madratze
zum Schlafen, mit den noͤthigſten Meubeln
verſehn waͤre. Jch reichte ihm alles ſelbſt, was
er foderte, und zwar von jeder Art das Koſt-
barſte, und war unwillig, daß der Bedien-
te nicht mehr verlangte. Jch ſagte ihm, daß
er die Stuͤcke genau zaͤhlen ſollte, damit keines
verlohren gienge, und mein Herz wußte doch
nicht das geringſte von dieſer wirthſchaftlichen
Sorgfalt. Jch hieß ihn noch ein Flaſchenfut-

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G 2
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[99/0099] Graͤfinn von G** wehrte es ihm in meinen Gedanken ſchon, und wuͤnſchte, daß er in meiner Geſellſchaft moͤchte zuruͤck reiſen koͤnnen. Der Jude kam und ver- ſicherte mich, daß er ſeinen Gaſt ſehr wohl auf- gehoben, und ihn in das Haus gebracht haͤtte, das er meinem verſtorbenen Gemahle vor zwey Jahren abgekauft. Jch erſchrack uͤber dieſe Nachricht, als ob ſie von einer Vorbedeutung waͤre, und ich war zugleich mit ſeiner Anſtalt zufrieden. Jch rief den alten deutſchen Be- dienten, der mir von Curland aus nach Mos- kau und von Moskau nach Siberien gefolgt war, und den ich itzt noch bey mir habe, u. befahl ihm, daß er mit dem Juden gehn und ſehn ſollte, was der Herr, der heute aus dem Arreſte gekom- men, in ſeiner Wohnung brauchte, weil er nach dem Befehle des Hofs bis zu ſeiner Ab- reiſe als eine Standsperſon verſorgt werden ſollte. Er kam wieder und ſagte mir, daß er, bis auf das weiſſe Geraͤthe und eine Madratze zum Schlafen, mit den noͤthigſten Meubeln verſehn waͤre. Jch reichte ihm alles ſelbſt, was er foderte, und zwar von jeder Art das Koſt- barſte, und war unwillig, daß der Bedien- te nicht mehr verlangte. Jch ſagte ihm, daß er die Stuͤcke genau zaͤhlen ſollte, damit keines verlohren gienge, und mein Herz wußte doch nicht das geringſte von dieſer wirthſchaftlichen Sorgfalt. Jch hieß ihn noch ein Flaſchenfut- ter G 2

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/99>, abgerufen am 27.04.2024.