[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen mer treten. Er stattete mir die Danksagungfür meine bisherige Vorsorge auf eine sehr ehrerbietige und gefällige Weise ab, und blieb an der Thüre des Zimmers stehn. Jch frag- te ihn, ob er keine Nachricht von dem Gra- fen hätte? ob er mit seinen Umständen zu- frieden wäre? Er beantwortete das erste mit einem traurigen Nein, und das andere mit einem gelaßnen Ja. Jch bat ihn, mir eine kurze Erzählung von seinem Schicksale zu machen. Er that es, und ie mehr er redte, desto mehr nöthigte er mir durch seine Worte und durch seine Minen Aufmerksamkeit und Hochachtung ab. Er sah weit besser aus, als vor zwey Jahren, und ich weis nicht, ob ich mirs beredte, oder ob es wahr war, daß ihm der Siberische Pelz recht schön ließ. Jch hörte aus seiner Art zu reden nunmehr sehr wohl, daß er ein edelmüthiges Herz hatte; und wenn ich ja noch einige Augenblicke dar- an gezweifelt hatte: so war es vielleicht des- wegen geschehn, weil ich bey meinem Zweifel gern widerlegt seyn wollte. Der Graf, dach- te ich, hat Recht, daß er ihn so sehr liebt, und so sehr für ihn gebeten hat. Er ver- dient Hochachtung und Mitleiden; und es ist deine Pflicht, einem so rechtschaffenen und un- glücklichen Manne zu dienen. Jch merkte, ie
Leben der Schwediſchen mer treten. Er ſtattete mir die Dankſagungfuͤr meine bisherige Vorſorge auf eine ſehr ehrerbietige und gefaͤllige Weiſe ab, und blieb an der Thuͤre des Zimmers ſtehn. Jch frag- te ihn, ob er keine Nachricht von dem Gra- fen haͤtte? ob er mit ſeinen Umſtaͤnden zu- frieden waͤre? Er beantwortete das erſte mit einem traurigen Nein, und das andere mit einem gelaßnen Ja. Jch bat ihn, mir eine kurze Erzaͤhlung von ſeinem Schickſale zu machen. Er that es, und ie mehr er redte, deſto mehr noͤthigte er mir durch ſeine Worte und durch ſeine Minen Aufmerkſamkeit und Hochachtung ab. Er ſah weit beſſer aus, als vor zwey Jahren, und ich weis nicht, ob ich mirs beredte, oder ob es wahr war, daß ihm der Siberiſche Pelz recht ſchoͤn ließ. Jch hoͤrte aus ſeiner Art zu reden nunmehr ſehr wohl, daß er ein edelmuͤthiges Herz hatte; und wenn ich ja noch einige Augenblicke dar- an gezweifelt hatte: ſo war es vielleicht des- wegen geſchehn, weil ich bey meinem Zweifel gern widerlegt ſeyn wollte. Der Graf, dach- te ich, hat Recht, daß er ihn ſo ſehr liebt, und ſo ſehr fuͤr ihn gebeten hat. Er ver- dient Hochachtung und Mitleiden; und es iſt deine Pflicht, einem ſo rechtſchaffenen und un- gluͤcklichen Manne zu dienen. Jch merkte, ie
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Leben der Schwediſchen
mer treten. Er ſtattete mir die Dankſagung
fuͤr meine bisherige Vorſorge auf eine ſehr
ehrerbietige und gefaͤllige Weiſe ab, und blieb
an der Thuͤre des Zimmers ſtehn. Jch frag-
te ihn, ob er keine Nachricht von dem Gra-
fen haͤtte? ob er mit ſeinen Umſtaͤnden zu-
frieden waͤre? Er beantwortete das erſte mit
einem traurigen Nein, und das andere mit
einem gelaßnen Ja. Jch bat ihn, mir eine
kurze Erzaͤhlung von ſeinem Schickſale zu
machen. Er that es, und ie mehr er redte,
deſto mehr noͤthigte er mir durch ſeine Worte
und durch ſeine Minen Aufmerkſamkeit und
Hochachtung ab. Er ſah weit beſſer aus, als
vor zwey Jahren, und ich weis nicht, ob ich
mirs beredte, oder ob es wahr war, daß ihm
der Siberiſche Pelz recht ſchoͤn ließ. Jch
hoͤrte aus ſeiner Art zu reden nunmehr ſehr
wohl, daß er ein edelmuͤthiges Herz hatte;
und wenn ich ja noch einige Augenblicke dar-
an gezweifelt hatte: ſo war es vielleicht des-
wegen geſchehn, weil ich bey meinem Zweifel
gern widerlegt ſeyn wollte. Der Graf, dach-
te ich, hat Recht, daß er ihn ſo ſehr liebt,
und ſo ſehr fuͤr ihn gebeten hat. Er ver-
dient Hochachtung und Mitleiden; und es iſt
deine Pflicht, einem ſo rechtſchaffenen und un-
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